Spurs-Coach Mauricio Pochettino vertraute bei diesem immens wichtigen Rückspiel im Achtelfinale der Champions League auf beinahe dieselbe Startelf, die das 2:0 gegen Huddersfield Town eingetütet hatte. Lediglich der gesperrte Aurier (3. Gelbe Karte) musste durch Trippier ersetzt werden. Das bedeutete auch: Vorne im Angriff rückte die volle Kapelle an - Eriksen, Alli, Son und Kane, der an diesem Londoner Abend mit 35 Toren in 37 Pflichtspielen ins Rennen ging.
Juve-Trainer Max Allegri baute derweil nach dem 1:0-Last-Minute-Sieg bei Lazio Rom gleich auf vier Positionen um: Higuain begann nach überstandener Verletzung (Distorsion am Knöchel) anstelle von Mandzukic (Verletzung am Fußgelenk). Außerdem kehrte der zuletzt geschonte Chiellini zurück und verdrängte Rugani auf die Bank. Auch Douglas Costa und Alex Sandro starteten - und zwar für Lichtsteiner und Asamoah (jeweils Bank).
Juve kriegt keinen Elfmeter
Weil auch noch Cuadrado und Bernardeschi verletzt passen mussten, fuhren die Turiner alles an Offensivkraft auf, was noch vorhanden war. Doch im Angriff sollten sich die Bianconeri in den ersten 45 Minuten nur einmal richtig gefährlich zeigen: Douglas Costa war in der 17. Minute durch und konnte im Strafraum nur noch mit einer Grätsche von Vertonghen aufgehalten werden. Der ehemalige Bayern-Spieler fiel nach mehreren Kontakten natürlich hin - doch es gab zur Überraschung der Gäste keinen Elfmeter!
Frust: Juventus Turin hätte einen Elfmeter kriegen müssen - doch Referee Szymon Marciniak pfiff nicht. Getty Images
Spurs scheitern reihenweise
Ansonsten aber war der Juve-Auftritt in Abschnitt eins total blass - und der von Tottenham teils atemberaubend: Denn die Spurs setzten dem Vorjahresfinalisten mächtig zu - mit hohem Pressing, mit harten Zweikämpfen und mit gepflegtem Kurzpassspiel. Was lange Zeit fehlte? Ein erfolgreicher Abschluss! Son scheiterte früh aus spitzem Winkel an Buffon (4.), Kane schoss den Ball nach tollem Solo ans rechte Außennetz (15.), Alli brachte seinen Volley nicht an Buffon vorbei (32.), Kane schlenzte daneben (34.) - und Son setzte einen Schuss aus aussichtsreicher Lage haarscharf am Pfosten vorbei (39.).
Son steht goldrichtig
Der ehemalige Hamburger und Leverkusener Heung-Min Son trifft hier zum 1:0 für seine Spurs. Getty Images
Die verdiente Führung sollte sich der teils drückend überlegene Premier-League-Klub vor 84.010 Fans im Wembley-Stadion aber noch herausspielen: Eriksen steckte gegen eine ungeordnete Juve-Abwehr durch für Alli, der im Strafraum noch vom grätschenden Barzagli geblockt wurde. Die Kugel ging nun rechts raus zu Trippier, der gut mitmachte und scharf nach innen passte. Am zweiten Pfosten stand Son blitzeblank - und schob gekonnt ein. Buffon, der schon am Boden lag, konnte nur hinterhersehen (39.).
Champions League - die Achtelfinal-Rückspiele
Juventus bleibt zunächst harmlos
45 Minuten hatte Juventus Turin nun also noch Zeit, um mindestens zwei Tore zu schießen. Doch davon verschenkten die Italiener fast 20, weil sie kopflos wie harmlos agierten. Fehlpässe, unnötige Fouls und keinerlei Ideen machten den Spurs das Spiel leicht. Die 1:0-Führung konnte problemlos verwaltet werden.
Dank Higuain: Alles steht Kopf!
Doch dann schlug der Serien- und Rekordmeister der Serie A zu - und wie! Der wenige Augenblicke zuvor eingewechselte Lichtsteiner wurde rechts draußen von Dybala geschickt - und seine Flanke landete im Zentrum bei Khedira. Der deutsche Nationalspieler, der an diesem Abend sein 100. Pflichtspiel für Juve absolvierte, nickte die Kugel perfekt links vors Tor, wo der bis dato blasse Higuain stand und aus der Luft mit dem Außenrist einnetzte (64.). Doch damit nicht genug: Higuain erhielt in der 67. Minute und damit drei Minuten nach dem 1:1 den Ball von Chiellini, drehte sich und steckte herrlich für Dybala durch. Der Argentinier, der dank des schlafenden Davies nicht im Abseits stand, eilte anschließend allein aufs Tor zu - und ließ Keeper Lloris mit einem Schuss unter die Latte keinerlei Chance. Aus dem Nichts hatten die dieses Mal in Gelb und Blau gekleideten Bianconeri das Spiel gedreht - und das Tor Richtung Viertelfinale weit aufgestoßen.
Das Juve-Bollwerk und die imaginäre Mauer
Der Traum vom ersten CL-Sieg lebt weiter: Gianluigi Buffon (40). Getty Images
Doch die Engländer gaben sich vor einem frenetischen Publikum im Londoner Wembley-Stadion nicht auf - und schoben nochmals an. Doch Chiellini & Co. umstellten den eigenen Strafraum massiv und ließen kaum etwas zu. Einmal sollten die Spurs aber durchkommen - und nicht das 2:2 Richtung Nachspielzeit erzielen. Alle Spieler blickten bei dieser Aktion Richtung Schiedsrichter Szymon Marciniak. Doch warum? Kane, der im Abseits stand und hochstieg, nickte den Ball an den linken Pfosten. Von dort holperte die Kugel die Linie entlang, ehe Barzagli knapp vor dem lauernden Lamela klärte. Buffon jubelte direkt danach und zeigte zu Recht an, dass der Ball nicht im Tor war. Wenig später war Schluss - und Juventus Turin feierte den Einzug ins Viertelfinale der Königsklasse. Die Spurs, über die gesamte Dauer die bessere Mannschaft, schlichen derweil tief geknickt vom Feld.
Auf die Spurs wartet in der Liga am Sonntag (17 Uhr) das Auswärtsspiel beim AFC Bournemouth. Zwei Stunden zuvor empfängt die Alte Dame, die in der Serie A wieder dicht dran an Spitzenreiter Napoli ist, zu Hause Udinese Calcio.