Champions League

Mehr als nur Anti-Mourinho: Wie Ole Gunnar Solskjaer Manchester United wieder lachen lässt

Vor der Reifeprüfung gegen PSG

Mehr als nur Anti-Mourinho: Wie Solskjaer ManUnited wieder lachen lässt

Bei ManUnited darf wieder gelacht werden: Ole Gunnar Solskjaer sei Dank.

Bei ManUnited darf wieder gelacht werden: Ole Gunnar Solskjaer sei Dank. picture alliance (3)

Gerade macht wieder ein Witz die Runde, den der Verfasser als solchen gar nicht angedacht hatte. José Mourinho sagte kurz vor seiner Entlassung bei Manchester United über die verbleibenden Saisonziele: "So viele Punkte wie möglich holen und irgendwie das Wunder vollbringen, Vierter zu werden." Rund acht Wochen später kann Mourinho feststellen: Wunder vorerst vollbracht - nur nicht von ihm.

Sein Nachfolger, die Leihgabe aus Molde , hat ManUnited in elf Pflichtspielen offenbar alles zurückgebracht, was in zweieinhalb Jahren unter Mourinho verloren gegangen war. Dank Ole Gunnar Solskjaer macht United wieder Spaß; nicht nur seinen Fans, auch seinen Spielern. Dank Solskjaer steht United wieder für etwas. Und dank Solskjaer ist United wie durch ein Wunder Vierter.

Trainersteckbrief Solskjaer
Solskjaer

Solskjaer Ole Gunnar

Trainersteckbrief Mourinho
Mourinho

Mourinho José

Manchester United - Die letzten Spiele
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Paris St. Germain - Die letzten Spiele
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Spielersteckbrief Pogba
Pogba

Pogba Paul

Spielersteckbrief Martial
Martial

Martial Anthony

Spielersteckbrief Rashford
Rashford

Rashford Marcus

Mourinho war nur noch am meckern - gut für Solskjaer

Der charismatische Norweger, ohnehin schon Fanliebling seit seinem Last-Minute-Tor gegen den FC Bayern im Champions-League-Finale 1999, hat von seinen elf Partien als (Interims-)Coach zehn gewonnen, kein einziges verloren, mittlerweile auch gegen große Gegner bestanden. Plötzlich hat ManUnited wieder Saisonziele und sogar Vorfreude auf die Champions-League-Spiele gegen ein arg dezimiertes Paris Saint-Germain.

Solskjaer hatte durchaus auch Glück. Nicht etwa, weil ihm David de Gea in Tottenham oder Victor Lindelöf gegen Burnley seine makellose Bilanz retteten, sondern vor allem, weil Solskjaer alles ist - nur nicht Mourinho. "The Special One" war in seinem berüchtigten dritten Jahr eigentlich nur noch durch Gemecker speziell , im Grunde anti alles und jeden. Da kam der Anti-Mourinho, der "Ole" und nicht "Boss" genannt werden will, genau richtig, wurde alleine dadurch zum Internet-Hit, dass er in einem Interview das Kunststück fertigbrachte, zu lachen anstatt wegzugehen und "some respect" einzufordern.

Kaum ist Mourinho weg, kann United plötzlich Fußball spielen

Und das Verrückteste: Solskjaer will offensiven Fußball spielen. Bei seiner Ankunft kurz vor Weihnachten war United mit einem Torverhältnis von 29:29 und elf Punkten Rückstand auf einen Champions-League-Platz Sechster. Jetzt ist United mit einem Punkt Vorsprung vor Arsenal und Chelsea Vierter, hat in neun Ligaspielen unter Solskjaer 23 Tore geschossen und nur sechs kassiert. "Wir wollen auch was riskieren", erklärt "Ole", "wollen auf das zweite, dritte und vierte Tor gehen."

Das ist das Manchester United, das er in elf Jahren als Spieler unter Förderer Sir Alex Ferguson kennengelernt hat. Die Hemmungen und Befürchtungen, Mourinho zu enttäuschen und öffentlich niedergemacht zu werden , sind aus einem aufblühenden Kader verschwunden. United will wieder das Spiel machen und nicht das des Gegners verhindern; Solskjaer hat sich inzwischen auch mit klugen taktischen Ideen den Respekt und das Ansehen seiner Spieler verschafft.

"Pogba ist tatsächlich so gut, wie es die Leute immer gehofft haben"

Kaum einer verkörpert diesen Identitätswandel besser als jener Kabinen-"Virus", dem Mourinho vor der Saison noch das Vizekapitänsamt entzogen hatte. Paul Pogba weiß im dritten Jahr nach seiner Rückkehr aus Turin vielleicht zum ersten Mal, was er auf dem Platz wirklich machen soll. Der Weltmeister spielt jetzt offensiver, muss sich nicht mehr durchgehend mit Defensivaufgaben beschäftigen und macht das herausragend: Kein Spieler hat seit Solskjaers Ankunft mehr Tore geschossen (8) und vorbereitet (6). "Lovin' life", betitelte ManUnited Pogbas Torjubel beim 3:0 in Fulham vielsagend, jetzt, wo ihn niemand mehr daran hindert.

Paul Pogba

Paul Pogba befindet sich wohl gerade in der Form seines Lebens. picture alliance

Jedes Pogba-Tor wirkt wie eine Ohrfeige für Mourinho. "Die Lehren der letzten Wochen", analysierte der "Independent" mit einem Hauch Sarkasmus: "Pogba ist tatsächlich so gut, wie es die Leute immer gehofft haben." Und nicht der Einzige, der beim neuen, alten ManUnited zeigt, dass Fußball sehr viel Spaß machen kann: Anthony Martial, der - überspitzt formuliert - wegen der Geburt seines Sohnes beinahe schon vor Saisonbeginn verkauft worden wäre, spielt befreit auf und hat seinen Vertrag nun sogar verlängert. Marcus Rashford darf als zentrale Spitze auflaufen und hat nur in zwei Ligaspielen unter Solskjaer nicht getroffen.

Mit Mike Phelan hat Solskjaer einen entscheidenden Baustein in sein Trainerteam zurückgeholt. Der 56-Jährige war einst die rechte Hand von Sir Alex, der immer noch großen Einfluss im Klub hat und das neue Trainerteam mit abgenickt haben soll, ist dazu gemeinsam mit Mark Dempsey (55) die passende Ergänzung zu den von Mourinho beförderten Michael Carrick (37) und Kieran McKenna (32), mit Solskjaer (45) in der goldenen Mitte.

Es läuft gerade wieder sehr viel richtig im roten Teil Manchesters (im hellblauen ja sowieso) und das bekommt auch das Team hinter dem Team zu spüren. Schon zu Spielerzeiten soll Solskjaer nach Heimatbesuchen stets mit Schokoladentafeln zurückgekehrt sein und diese an alle Mitarbeiter im Verein verteilt haben. Eine Tradition, die er an seinem ersten Arbeitstag am 20. Dezember wieder eingeführt hat.

Solskjaer hat sogar den "Fergie-Fön" beibehalten

Solskjaer kann durchaus auch anders: "Er sagt einem deutlich, wenn es mal nicht so gut war", berichtet Matthias Moström, ehemaliger Teamkollege in Molde, im "Guardian". Die Tradition des "Fergie-Föns" hat Solskjaer fortgeführt. Ryan Giggs erzählte die Geschichte einst, in der seine Haare sehr schnell getrocknet waren, wenn Sir Alex ihn in der Kabine aus nächster Nähe anschrie.

Und wie geht es weiter? Offiziell muss Solskjaer im Mai zurück nach Molde, er ist ja nur ausgeliehen. Was passiert aber, wenn er vielleicht wirklich PSG aus der Champions League schmeißt, im FA Cup bei Chelsea gewinnt und die Liga (auf wundersame Weise) unter den Top-4 beendet? Die Namen Mauricio Pochettino (Tottenham), Max Allegri (Juventus) oder Zinedine Zidane (zuletzt Real) schweben weiter leise über dem Old Trafford, scheinen sich aber mit jedem Solskjaer-Sieg weiter zu entfernen. "Ole" nimmt es gelassen: "Es geht nie um eine Person, wenn das Team Fußballspiele gewinnt."

Mario Krischel