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Kommentar: José Mourinhos Entlassung ist richtig - kommt aber zu spät

Ein Kommentar von kicker-Redakteur Thomas Böker

Mourinhos Entlassung ist richtig - kommt aber zu spät

So kann man im Jahr 2018 nicht mehr Fußball spielen: José Mourinho.

So kann man im Jahr 2018 nicht mehr Fußball spielen: José Mourinho. picture alliance

Eine Mannschaft, die er gegen sich aufgebracht hatte. Eine Führungsetage, die er verbal piekste, wo es nur ging. Fans, die ob der Spielweise des Teams nur noch murren. Man kann sich nun aussuchen, ob man diese Zustandsbeschreibung auf José Mourinho und Chelsea vor genau drei Jahren anwenden möchte oder ob sie als Blaupause auf diesen Trainer und Manchester United gelegt werden soll. Das Schlimme dabei aber: Der Portugiese hat nichts gelernt aus seinen vorherigen Entlassungen - mal wieder in einer dritten Saison.

Er wollte auch nichts lernen. Und er wird das Geschehene auch nicht zum Anlass nehmen, um sich selbst zu hinterfragen. Mourinho ist Mourinho. Er stellte sich einst als "Special One" vor, dieser Status ist längst vergilbt, nur er selbst glaubt noch dran. Taktisch war da schon lange nichts Spezielles, gar Innovatives zu sehen. Am liebsten parkte er zwei Busse, am besten Doppeldecker vor dem eigenen Strafraum. Nicht zuletzt am Sonntag in Liverpool geriet der Auftritt seines Ensembles zum Offenbarungseid. Sechs Mann verteidigten zum Teil auf einer Linie, die schemenhaften Rettungsversuche führten ins Nichts, fast alle zweiten Bälle landeten bei den Reds. So kann man im Jahr 2018 nicht mehr Fußball spielen, wenn man etwas gewinnen will. Und 2019 auch nicht.

Die Atmosphäre ging in Richtung "Cold Trafford"

Rashford, Lingard, Martial - in dieser Mannschaft steckt durchaus Potenzial, um schnell nach vorne zu spielen, durchaus auch zu kontern, aber dazu muss man sich ja nicht 20, sondern vielleicht eher 50 Meter vor dem eigenen Tor postieren. Mourinho wollte dies nicht.

Darüber hinaus herrschte eine frostige Atmosphäre im "Cold Trafford". Der offene Streit mit seinem besten Spieler Paul Pogba war da nur die Spitze des Eisbergs - im Sinne des Wortes.

Kurzum: Die Vereinsführung von ManUnited hat richtig gehandelt. Wenn auch zu spät. In der Königsklasse hat das Verschenken des ersten Platzes dem englischen Rekordmeister nun PSG im Achtelfinale eingebrockt, in der Liga hinkt der so stolze Klub meilenweit der Spitze hinterher. Die Defensive, auf die Mourinho so viel Wert legte, ist ein Torso.

Die erste Adresse im englischen Fußball ist dieser Klub nicht mehr

Thomas Böker

kicker-Redakteur Thomas Böker kicker

Mourinho mag mit vielem falsch gelegen haben, aber dumm ist er nicht. Seine Kritik an der Transferpolitik ist berechtigt. Mit seinem Rausschmiss hat man atmosphärische Störungen beseitigt, doch nicht alle Probleme gelöst. Dieser Kader ist nicht konkurrenzfähig in puncto Meisterschaft. Eine klare Linie in Sachen Neuverpflichtungen war nicht auszumachen, sie muss nun schnellstens her, weil es der neue Coach sonst nicht leichter haben wird.

Manchester United ist immer noch eine der größten Fußballmarken weltweit. Doch das Image hat brutal gelitten in den vergangenen Jahren. Dieser Verein braucht einen großen Trainer, der offensiv denkt und das Erbe Alex Fergusons, an dem nun schon wieder ein Coach gescheitert ist, in dessen Namen fortführt. Erst im Sommer darf dann ein großer Name erwartet werden. Vielleicht Zinedine Zidane? Einer wie er wird sich genau anhören, welche Pläne die United-Bosse entwickeln. Denn die erste Adresse im englischen Fußball ist dieser Verein nicht mehr. Und Mourinho hat seinen Teil dazu beigetragen. Einen großen Teil.