2. Bundesliga

Streich: "Wir sind alle mal Flüchtlinge gewesen"

Freiburg-Trainer bezieht reflektiert Stellung

Streich: "Wir sind alle mal Flüchtlinge gewesen"

"Jetzt haben wir wenig über Fußball geredet. Aber es gibt wichtigere Themen": Freiburgs Trainer Christian Streich.

"Jetzt haben wir wenig über Fußball geredet. Aber es gibt wichtigere Themen": Freiburgs Trainer Christian Streich. imago

Inzwischen hat auch der SC Freiburg entschieden, die "Bild"-Aktion "Wir helfen" mit einem entsprechenden Logo auf den Trikotärmeln am Wochenende nicht zu unterstützen . "Es ist die Frage, ob es ein sehr glaubwürdiger Partner ist, was die Berichterstattung in der Vergangenheit angeht", erklärte SC-Sprecher Rudi Raschke auf der Pressekonferenz. "Wir wissen, dass die Bild-Zeitung nicht Unicef ist." Nebenmann Christian Streich ging es am Donnerstag jedoch um noch Grundsätzlicheres - er wollte Aufklärung betreiben und hielt einen mitreißenden Appell für mehr Solidarität mit den Flüchtlingen.

"Grundsätzliche finde ich, dass durch nicht nur europäische Länder, die die finanziellen Mittel haben, vor Ort in erheblich höherem Maße humanitäre Hilfe geleistet werden müsste, damit so viele Menschen wie möglich dort bleiben könnten, wo sie ihre Familien haben und ihre tatsächliche Heimat ist", erklärte der Freiburger Cheftrainer und ehemalige Geschichtsstudent. "Da sind in den letzten Monaten entscheidende Fehler gemacht worden, weil das zur Seite geschoben und sogar noch Gelder reduziert wurden - von Ländern wie uns, auch anderen europäischen Ländern und Ländern wie Katar oder Saudi-Arabien. Also Ländern, denen es wahrlich nicht an Geld mangelt."

Hätte man mich mit 30 Jahren nicht arbeiten lassen, sondern in einem Haus mit anderen Menschen eingesperrt über eine längere Zeit, wüsste ich nicht, was ich gemacht hätte.

Christian Streich

Nun ginge es darum, sich den Menschen gegenüber zu öffnen, sie zu empfangen und Ängste abzubauen. "Es geht immer um die Angst vor dem Fremden." Man müsse die "Leute ankommen lassen, ihnen ein anständiges Umfeld bieten" - und womöglich "kurzfristig auch Wohlstand umverteilen: von den vielen Menschen, die viel mehr haben, zu Menschen, die wenig haben".

Das Erlernen der deutschen Sprache? Für Streich ohne Alternative

Das Erlernen der neuen Sprache findet Streich für die Ankommenden verpflichtend. "Dazu gibt es keine Alternative." Und: Es sei elementar, dass man die Flüchtlinge arbeiten lasse. Nicht nur, weil Deutschland auf dem Arbeitsmarkt diese Menschen "unbedingt" brauche. "Hätte man mich mit 30 Jahren nicht arbeiten lassen, sondern in einem Haus mit anderen Menschen eingesperrt über eine längere Zeit, wüsste ich nicht, was ich gemacht hätte. Ich will es nicht weiter ausführen", erklärte der 50-Jährige. "Auf jeden Fall wäre der Aggressionspegel gestiegen. Und ich hätte mich geschämt, weil ich meinen Kindern keine kleinen Roller oder irgendwas besorgen hätte können."

An die Adresse derer, die Ängste vor dem Fremden schüren, sagte Streich: "Auch das sind zu 80 oder 90 Prozent Menschen, die eine, zwei oder maximal drei Generationen vorher Flüchtlinge oder Vertriebene waren, die aus irgendwelchen Gegenden hierhergekommen sind. Aufgrund von Krieg, aufgrund von Arbeitslosigkeit, aufgrund von Not." Der Großteil dieser Menschen habe selbst einen Migrationshintergrund.

"Das, was jetzt passiert, war immer so"

Historisch betrachtet seien die Menschen nämlich nicht immer dort gewesen, wo sie gerade oder seit einiger Zeit lebten. "Da muss man den Menschen aufklären: Wir alle sind eigentlich irgendwann Flüchtlinge gewesen. Es gibt immer Bewegung bei den Menschen, es ist nie ein Stillstand. Das, was jetzt passiert, war immer so."

Er sei sehr glücklich über die Solidarität, die derzeit in Deutschland mehrheitlich herrsche - "weil doch was gelernt wurde", schloss Streich seinen gut achtminütigen Monolog: "Jetzt haben wir wenig über Fußball geredet. Aber es gibt wichtigere Themen."

jpe/CS