Handball

Handball-Weltmeisterschaft 2019 in Deutschland und Dänemark - Dominik Klein, Weltmeister von 2007 über Filip Jichas Zukunft beim THW, den französischen Vorteil und Handball beim FC Bayern

WM-Held von 2007 im ausführlichen kicker-Gespräch

Klein: Jichas Zukunft beim THW, Vorteil Frankreich, FC Bayern

Er begeisterte nicht nur die Fans beim THW: Dominik Klein wurde in Kiel geliebt (l.) - und auch in Nantes bis zum Sommer bewundert.

Er begeisterte nicht nur die Fans beim THW: Dominik Klein wurde in Kiel geliebt (l.) - und auch in Nantes bis zum Sommer bewundert. imago (2)

kicker: Wir hatten schon über junge Spieler gesprochen. Wie im Fußball ist Frankreich auch im Handball Deutschland einiges bei der Jugendförderung voraus. Nicolas Tournat, Dika Mem, Ludovic Fabregas oder Melvyn Richardson sind verheißungsvolle Namen für die Zukunft. Sie haben selbst zwei Jahre in Frankreich gespielt und dabei einen Einblick erhalten. Was macht die Talentförderung der Franzosen aus?

Klein: Das sind zwei unterschiedliche Systeme: In Frankreich ist das mehr zentralisiert. Die jungen Spieler, die das Talent haben, kommen früh zusammen. Sie trainieren unter der Woche schon sechs oder sieben Mal, das ist auch alles angepasst an die Schule. Am Wochenende spielen sie dann wieder in ihren eigenen Vereinen. Dieses Bewusstsein gibt es in Deutschland noch nicht. Es geht auch immer um die Ausbildung der Trainer. Da sind wir beim nächsten Punkt: Ein Verein wie Nantes, bei dem ich gespielt habe, hat sechs festangestellte Jugendtrainer. Suchen Sie sich in Deutschland mal einen Verein, bei dem man diese Konstellation findet. Das wird man kaum finanziert bekommen. In Frankreich steckt auch der Staat dahinter. Das sind häufig Anstellungen, die von der Gemeinde oder der Stadt finanziert werden. Da gilt es in Deutschland, Jahr für Jahr mehr Geld zur Verfügung zu stellen, um für unsere Talente besser ausgebildete Trainer zu bekommen.

kicker: Wenn man schon bei den Franzosen ist: Wer sind Ihre Top-Favoriten auf den WM-Titel im Januar?

Klein: Deutschland und Dänemark gehören als Gastgeber sicherlich auch zu den Favoriten, da die Euphoriewelle immer ein Faktor ist. Frankreich und Spanien müssen als Top-Nationen immer genannt werden. Die Schweden spielen in Kopenhagen, die werden mit Sicherheit auch einen kleinen "Heimvorteil" verspüren. Und wer weiß, wie sich die Kroaten hier in München einspielen werden. Da ist viel davon abhängig, wie Domagoj Duvnjak zur Verfügung stehen wird.

Diese DNA kann leichter vermittelt werden, wenn man sie wie Filip selbst schon gelebt hat.

kicker: Und wer ist als Geheimfavorit zu nennen?

Klein: Bei den Ungarn weiß man nicht, wie sie mit ihren Möglichkeiten umgehen, jetzt wo Ljubomir Vranjes weg ist . So ein Trainer-Wechsel kann auch für Überraschungseffekte sorgen. Ich weiß zum Beispiel von den Ungarn selbst, dass sie sich freuen, dass man in der Kabine mal wieder ungarisch sprechen kann. Das war die letzten Jahre nicht so und das bewirkt schon auch etwas in einer Mannschaft.

kicker: Team Korea, Serbien, Russland und Brasilien: Wie schätzen Sie eigentlich die restlichen Vorrundengegner der deutschen Mannschaft ein?

Klein: Die Konzentration gilt es bei allen aufrechtzuhalten. Das birgt immer Gefahren, auch wenn man der vermeintliche Favorit ist. Vor allem, wenn ich sehe, auf welche Mannschaften Deutschland in der Hauptrunde treffen kann. Die München-Gruppe kommt mit nach Köln. Wenn die deutsche Mannschaft das Halbfinale in Hamburg vor Augen hat, dann wird das eine unfassbar schwere Aufgabe werden. Da brauchen sie eigentlich alle Punkte aus der Vorrunde. Bei Brasilien zum Beispiel gilt es, gegen diesen unorthodoxen Stil das deutsche System durchzudrücken. Wenn ich nochmal an 2007 denke, da hatten wir unser Auftaktspiel gegen Brasilien. Da lief auch nicht alles rund (27:22 (12:10), d.Red.), aber das gehört zu so einem Turnier dazu.

kicker: Zum Vereinshandball: Wie bewerten Sie die Entwicklung bei ihrem langjährigen Verein, dem THW Kiel, der den Umbruch der Mannschaft in den letzten Jahren kontinuierlich vorangetrieben hat und jetzt eine beeindruckende Serie von 17 Pflichtspielsiegen vorweisen kann ?

Klein: Mit dem Wort Umbruch tue ich mich in Bezug auf den THW Kiel auch immer schwer. Jeder Spieler muss wissen, wenn er beim THW unterschreibt, wird er an Titeln gemessen - und die sollen wieder gefeiert werden. Jetzt gibt es wieder diesen Hunger, es allen beweisen zu wollen. Dafür steht meines Erachtens nach auch der Umbruch im Trainer-Team. Die Konstellation mit Alfred Gislason und Co-Trainer Filip Jicha hat bislang hervorragend funktioniert, es ist ein tolles Miteinander zu sehen. Auch Viktor Szilagyi im Hintergrund ist jemand, der viel kommuniziert. Das brauchen Spieler, die neu zu einem Verein kommen. Diesen Spielern muss klargemacht werden, was es heißt, beim THW zu spielen. Diese DNA kann leichter vermittelt werden, wenn man sie wie Filip selbst schon gelebt hat. Das ist auch so ein Punkt, warum es in diesem Jahr besser läuft.

kicker: Sie haben selbst lange genug mit Filip Jicha zusammengespielt. Was macht ihn als Spieler und Mensch aus?

Klein: Er war Kapitän der besten Mannschaft der Welt, somit bringt er gewisse Qualitäten mit - auch als Mensch und Führungspersönlichkeit. Er hat immer die Mannschaft und den Verein im Blick. Als Trainer wird er das noch mehr vorleben müssen. Er ist unglaublich professionell eingestellt, er möchte diesen Weg unbedingt gehen. Das sieht man auch jetzt schon. Er hat die Abwehr als Verantwortungsbereich und er kniet sich da unglaublich rein. Ich traue ihm in den kommenden Jahren sehr viel zu.

Vor knapp fünf Jahren habe ich zum ersten Mal ein Handball-Camp mit der Handball-Abteilung des FC Bayern gemacht. Seitdem stehe ich mit dem Klub in engem Kontakt.

kicker: Sie sind WM-Botschafter speziell für den Standort München. Vor vier Jahren hatte der kicker ein sehr spannendes Gespräch mit Steffen Weinhold , der wie Sie aus Bayern stammt. Angesprochen auf ein mögliches Handball-Projekt beim FC Bayern sagte er, dass das "eine absolute Top-Adresse wäre. Und nach dem Vorbild des FC Barcelona mit Spitzenmannschaften im Fußball, Handball und Basketball hoffe ich, dass die Bayern vielleicht da auch ein bisschen danach streben." In einer höheren Spielklasse ist der FCB aber noch nicht zu finden (aktuell: Bezirksoberliga Oberbayern). Wie stehen Sie dazu?

Klein: Vor knapp fünf Jahren habe ich zum ersten Mal ein Handball-Camp mit der Handball-Abteilung des FC Bayern gemacht. Seitdem stehe ich mit dem Klub in engem Kontakt. Es muss hier aber erstmal eine Grundlage geschaffen werden: Bei den Franzosen habe ich davon gesprochen, in erster Linie gute Jugendtrainer zu haben. Generell gibt es in Bayern großes Potenzial und die Möglichkeiten für eine positive Weiterentwicklung. Da wird auch die Handball-WM mit einem Standort in München helfen, weiter über Handball sprechen zu können. Was das Konzept der Nachhaltigkeit angeht, stehe ich im engen Austausch mit dem Bayerischen Handball-Verband, aber auch mit der Handball-Abteilung des FC Bayern. An der Idee, "Kindern etwas zurückzugeben", halte ich fest und freue mich auf viele Trainingseinheiten in den bayerischen Handball-Hallen.

kicker: Abschließend noch zu Ihnen persönlich. Sie sind während der WM erneut als TV-Experte im Einsatz. Wie sieht es sonst bei Ihnen aus: Was sind Ihre Pläne für die nächsten Jahre?

Klein: Kurzfristig sind die Aufgaben als Botschafter und die Rolle als ARD-Experte sehr präsent, welche ich mit sehr viel Leidenschaft ausfülle. Hinzu kommt, dass ich meine Trainer-Ausbildung starte. Aber sehr spannend wird sein, wie ich meine Erfahrung aus 15 erfolgreichen Jahren Profisport in die Wirtschaftsunternehmen einbringen kann. Durch Impuls-Vorträge oder Performance Seminare habe ich da schon einige positive Erfahrungen sammeln können.

Im ersten Teil des Interviews hatte der ehemalige Weltklasse-Linksaußen bereits über die Erinnerungen an 2007, Talente im deutschen Handball, und die "überzogene Kritik" an Bundestrainer Christian Prokop nach der enttäuschenden EM im Januar gesprochen.

Interview: Maximilian Schmidt

Das ist der finale deutsche Kader für die Heim-WM