In den zwei Gesprächen seit vergangenem Sommer habe sich der Eindruck verfestigt, "man wolle diesen Dialog wie in den vergangenen Jahrzehnten nutzen, um mit einem medienwirksamen Gesprächsangebot und netten Worten die Taten um jeden Preis zu vermeiden", heißt es in der Stellungnahme. Im Gegenteil: "Dem DFB und der DFL sind sich weder dem Gegenwert dieser ausgestreckten Hand der Fanszenen Deutschlands, noch den Konsequenzen dieser mangelnden Wertschätzung der Basis in den Stadien bewusst. Stattdessen manifestierte sich viel mehr der Eindruck, dass der Fußballsport noch weiter seiner sozialen und kulturellen Wurzeln beraubt werden soll, um ihn auf dem Altar der Profitgier von den Verbänden auszunehmen."
Diese drei Punkte führten zum Rückzug
Ausschlaggebend für den Rückzug waren vor allem drei Maßnahmen seitens der Verbände in den vergangenen Monaten. Zum einen wird die Einführung eines Montagsspiels in der 3. Liga genannt, ohne die Fanvertreter in einem Gespräch wenige Tage zuvor davon in Kenntnis zu setzen, zudem die aus Sicht der Fans missglückte Pilotphase für die einheitliche Behandlung von Fanutensilien, diese sei "ein neuer Papiertiger, der bis heute keine Ergebnisse vorzuweisen hat". Dritter Punkt ist die Einführung des neuen Strafenkatalogs : "In puncto Sportsgerichtbarkeit goss der DFB seine bisher intransparenten Strafen in horrenden Höhen lediglich in Formen und manifestierte sein willkürliches Ersatzstrafrecht in einem Strafenkatalog. Auch hier kann weder von einer Verbesserung im Sinne von Vereinen und Fans keine Rede sein."
DFB und DFL bedauerten den Schritt in ihrer Reaktion, "zumal die Verbände den im vergangenen Winter wieder intensivierten und kritisch geführten Austausch bislang als offen und konstruktiv angesehen haben. Gerade vor dem Hintergrund, dass bei zwei Treffen einige wegweisende Veränderungen angestoßen und im Nachgang durch DFL und DFB umgesetzt bzw. auf den Weg gebracht wurden", hieß es in einer Stellungnahme.
Vor gut einem Jahr, zu Beginn der Gespräche, war der DFB den Fanvertretern entgegengekommen und hatte die Kollektivbestrafung in Form von Blocksperren und Zuschauerteilausschlüssen ausgesetzt und seitdem nicht mehr angewandt. Auch für die erfolgte Regionalliga-Reform und den Rückzug der chinesischen U 20 aus der Regionalliga Südwest waren die Fans mit ihrem Protest in Teilen verantwortlich. Der Prozess scheint dem Zusammenschluss aber nicht schnell oder gründlich genug zu gehen, so wird die Regionalliga-Reform ausdrücklich kritisiert: "Die vermeintliche Neuregelung der Regionalligen wurde in einem Hauruckmanöver zu einem Glücksspiel umfunktioniert, anstatt eine klare Regelung zu finden."
"Vereinsvertreter sollen die Werte und Wünsche der Basis vertreten"
DFB und DFL reagierten auf diesen Vorwurf: Zu den wegweisenden Veränderungen der der beiden Treffen mit den Fanszene gehörten "unter anderem die Aussetzung von Kollektivstrafen, verbunden mit der Hinwendung zur Täterorientierung, das klare Bekenntnis zum Erhalt der Stehplätze, die Erhöhung der Transparenz in der Sportgerichtsbarkeit durch die Veröffentlichung des Leitfadens für den Kontrollausschuss sowie die bereits angelaufene Pilotphase zur einheitlichen Freigabe von Fan-Utensilien bei Spielen der Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga". Diese und weitere Beispiele der vergangenen Monate zeigten, so die Verbände, "dass DFL und DFB an konkreten Stellen schnellstmöglich auf Impulse aus den Fanszenen reagiert haben".
Deutsche Fanszenen beenden Dialog mit den Verbänden: DFB und DFL bedauern den Schritt. imago
Auch den Vereinen gaben die Fanszenen eine Mitschuld an der Situation: "Oftmals offenbarte ein Blick hinter die Kulissen, dass Vertreter der Vereine im Innenverhältnis gegenüber den eigenen Fanvertretern Verständnis und Zusagen geben, um innerhalb der Liga-/Verbandsversammlungen dann genau gegenteilig zu agieren." Der Vorstoß des FC St. Pauli in Sachen 50+1 zeige, "dass es unter den Vereinsvertretern deutlich Spielraum für mehr Eigeninitiative gibt, der noch ungenutzt ist. Die Vereinsvertreter sind mitnichten die Abnicker von kommerziellen Plänen der Deutschen Fußball Liga, die allein aus Selbsterhaltungszwecken die Vermarktung der Ware Fußball vorantreiben muss. Die Vereinsvertreter sind die, die Werte und Wünsche der Basis aus Mitgliedern und Fans ihrer Vereine vertreten sollen."
Man kann das Rad nicht innerhalb einer Saison zurückdrehen
"Vielleicht wurden auf beiden Seiten zu hohe Erwartungen in den Dialog und in schnelle Ergebnisse gesetzt. Die aktuelle Situation hat sich über viele, viele Jahre entwickelt, da wäre es vermessen, zu glauben, man könnte das Rad innerhalb einer Saison zurückdrehen", sagt Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) dem kicker.
Die Fanszenen kündigten unterdessen weitere Aktionen in den Stadien an: "Wir sind weiterhin bis in die Haarspitzen motiviert, uns für die Grundwerte des Fußballs und gegen eine weitere Entfremdung des Fußballs durch Korruption, Gutsherrenmachenschaften und Kommerzialisierung einzutreten. Wir sehen es mehr denn je als unsere Verantwortung gegen den DFB und die DFL aufzustehen und wissen zehntausende Unterstützer in den Kurven des Landes hinter uns."
DFB und DFL zeigten sich gesprächsbereit
DFB und DFL zeigten sich gegenüber den Fanszenen dagegen weiter gesprächsbereit: "Allerdings sollte der Meinungs- und Ideenaustausch sachlich und auf Faktenbasis geführt werden. Pauschale Beschuldigungen gegen die Verbände oder handelnde Personen sind nicht zielführend und werden von der DFL und vom DFB nachdrücklich zurückgewiesen." Die Kommunikation mit Fans werde ohnehin auf verschiedenen Ebenen fortgesetzt - "unter anderem zum Thema Stadionverbote, wie zuletzt beim Gespräch im Mai mit den 'Fanszenen Deutschlands' angekündigt".
Nicht betroffen vom Gesprächsabbruch der Fanszenen ist ohnehin die AG Fankulturen, in der neben Vertretern von DFL und DFB auch die Bundessprecher der Fanbeauftragten und Mitglieder der Bundesbehindertenfanarbeitsgemeinschaft (BBAG), der Interessengemeinschaft Unsere Kurve, des Fan Clubs Nationalmannschaft, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG), von F_in Netzwerk Frauen im Fußball, der KOS und von Queer Football Fans (QFF) sitzen.