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Wie Wenger Arsenal spaltet - ein Unfallbericht

Die Probleme beim Bayern-Gegner

Wie Wenger Arsenal spaltet - ein Unfallbericht

Er allein entscheidet, ob seine Ära weitergeht: Arsenal-Trainer Arsene Wenger.

Er allein entscheidet, ob seine Ära weitergeht: Arsenal-Trainer Arsene Wenger. imago

Jürgen Klopp hat es vor kurzem getan, Pep Guardiola schon vor einer Weile, nur Arsene Wenger weigert sich eisern, den Meistertitel abzuhaken. Auch bei nun zwölf Punkten Rückstand auf Premier-League-Spitzenreiter Chelsea sagt der Arsenal-Trainer: "Es ist niemals vorbei." Dabei müsste es gerade er besser wissen.

Seit 2004 jagt Arsenal der 14. Meisterschaft, der vierten unter Wenger hinterher, wobei es mehr ein Stolpern ist. In der Champions League war seit 2010 stets im Achtelfinale Schluss, jener Runde, in der am Mittwoch (20.45 Uhr, LIVE! bei kicker.de) der FC Bayern zum Hinspiel wartet. Das sind ganz schön magere sieben Jahre. Und momentan fragen die Fans mal wieder, aber lauter als zuvor, ob das nicht doch und vor allem am Trainer liegt.

Der Klub hat Wenger, 67, eine weitere Vertragsverlängerung um zwei Jahre angeboten, er allein entscheidet, ob er seine unvergleichliche Ära fortsetzt. Von einem kritischen Plakat ("Genug ist genug - es ist Zeit zu gehen"), das ein Anhänger während der jüngsten 1:3-Niederlage bei Chelsea hochgehalten hatte, wird er sie nicht abhängig machen. "Wir sollten einem einzelnen Fan nicht zu wichtig nehmen. Es geht nicht um mich, es geht um Arsenal", sagte Wenger am Donnerstag. Doch gibt es diese klare Trennung überhaupt noch?

Wo - abgesehen vom regelmäßigen Achtelfinal-Aus - ist die Konstanz?

Unzweifelhaft ist: Besagter Fan vertritt wahrlich keine absonderliche Exklusivmeinung. Die tiefgreifende Frage, die nicht nur er stellt, lautet: Warum fällt es einer Mannschaft, die seit 1996 ein und derselbe zusammenstellt und trainiert, inzwischen so schwer, Konstanz zu zeigen? Und mit Konstanz ist nicht das permanente Achtelfinal-Aus gemeint.

"Arsenal ist gut darin, nach einem Sturz schnell wieder aufs Fahrrad zu steigen", schrieb der "Guardian" unlängst. "Aber sobald sie anfangen, Fahrt aufzunehmen, bauen sie einen Unfall. Dann steigen sie wieder auf - bis zum nächsten Unfall." Da kommen einige blaue Flecken zusammen.

Du kannst nicht bis letzten Dienstag Fan sein und am Samstag nicht mehr hinter der Mannschaft stehen - das macht keinen Sinn.

Arsene Wenger

Vier der letzten neun Ligaspiele hat Arsenal verloren, zuletzt zwei binnen fünf Tagen. "Du kannst nicht bis letzten Dienstag ( dem 1:2 gegen Watford nach sechs Pflichtspielsiegen und einem Remis zuvor, d.Red.) Fan sein und am Samstag nicht mehr hinter der Mannschaft stehen - das macht keinen Sinn", findet Wenger. "Es waren bis letzten Dienstag großartige Spieler, und es sind immer noch großartige Spieler."

Die Vorwürfe gegen Wenger sind seit Jahren die gleichen

Bei den anderen Klubs, die mehr oder weniger punktgleich mit Arsenal um die Champions-League-Plätze hinter Chelsea konkurrieren, stünden alle hinter ihrem Team. "Wir müssen das genauso hinkriegen. Wir müssen absolut geschlossen sein, sonst haben wir keine Chance", mahnt Wenger. Das Problem: Er selbst ist der Grund, warum die Anhängerschaft gespaltet ist. "We want you to stay" ("Wir wollen, dass du bleibst") singen längst nur noch die gegnerischen Fans. Und die Vorwürfe sind immer wieder die gleichen, seit Jahren schon.

Der Kader zum Beispiel: zu brav, zu labil. Wo sind die Spieler, die dafür sorgen, dass wirklich jeder eine Partie wie die gegen Watford (oder Middlesbrough, 0:0, oder Everton, 1:2, oder Bournemouth, 3:3...) ernst nimmt? Dass einzelne Spieler, nicht nur Mesut Özil, nicht einfach abtauchen? Der Ex-Gladbacher Granit Xhaka, der eine solche Rolle einnehmen könnte, hat bis jetzt genug mit sich selbst zu tun. Aktuell ist er nach seiner zweiten Roten Karte für Arsenal - seiner neunten seit 2014 - gesperrt.

Arsenal-Fans im Spiel bei Chelsea

Ein einzelnes Plakat, aber keine einzelne Meinung: Arsenal-Fans im Spiel bei Chelsea. imago

Und so bleibt auch das defensive Mittelfeld Wengers berüchtigte Problemzone. Santi Cazorla fällt seit Oktober mit einer Knöchel-OP aus, Aaron Ramsey fehlt es mal an Fitness, mal an Form, Francis Coquelin ist meist solide, zu selten mehr, und Xhaka - siehe oben. Im Sommer wollte Wenger den famosen N'golo Kanté von Meister Leicester holen, es bleibt sein Geheimnis, warum der Wechsel platzte . Einen wie Patrick Vieira hat er jedenfalls nie wieder gefunden.

Kanté lenkt jetzt das Spiel des FC Chelsea, als Herzstück in einem 3-4-3. Und dies ist ein dritter klassischer Vorwurf an Wenger: dass man seine Elf wohl niemals in einer solchen Formation sehen wird. Nicht wenige halten ihn für taktisch festgefahren, auch während eines Spiels. Am Samstag probierte er gegen Chelsea zwar mal ein 4-3-3 statt des üblichen 4-2-3-1-Systems aus, mit Mesut Özil im linken Mittelfeld, wechselte Olivier Giroud, dessen Wucht mit der des Gegners vielleicht hätte mithalten können, aber erst ein, als das Spiel schon verloren war.

Chelseas Vorteil? Die Gunners können froh sein, dass sie ihn nicht haben

"Chelsea", sagte Wenger am Donnerstag über das Titelrennen, das eigentlich keines mehr ist, "hat den Vorteil, dass sie nicht in Europa, nicht unter der Woche spielen." Die Gunners können allerdings ziemlich froh sein, dass sie diesen Vorteil nicht haben. Eine plötzliche Glanzleistung am Mittwoch, zu der diese Mannschaft ja auch immer imstande ist - und die Saison sieht vielleicht schon wieder etwas freundlicher aus.

Andererseits: Gerade im Champions-League-Achtelfinale (2012 0:4 und 3:0 gegen Milan, 2013 1:3 und 2:0 gegen Bayern, 2015 1:3 und 2:0 gegen Monaco) zeigt Arsenal regelmäßig auf besonders tragische Weise , wie es Fahrrad fährt. Vielleicht muss doch mal ein anderer den Lenker übernehmen.

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Jörn Petersen

Bayern vs. Arsenal: Wiedersehen macht Freude