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Handball-WM 2023: Wie viel ist vom "skandalösen" Katar übrig?

Erster deutscher Vorrundengegner

Wie viel ist vom "skandalösen" Katar aus 2015 noch übrig?

Trainer-Füchse und eine kubanische "Urgewalt": Valero Rivera, Rafael Capote und Dagur Sigurdsson (v.li.).

Trainer-Füchse und eine kubanische "Urgewalt": Valero Rivera, Rafael Capote und Dagur Sigurdsson (v.li.). imago images (3)

Es sind zwei Ergebnisse, die aus der Zeit gefallen scheinen. Tatsächlich liegen sie aber auch knapp zwei Jahrzehnte zurück: Die ersten beiden ihrer bis dato sieben Vergleiche (4/0/3) mit Katar gewann die DHB-Auswahl im Januar 2003 mit 40:17 und im Januar 2005 gar mit 40:15. Sechs Jahre nach der zweiten deftigen Backpfeife stellte die WM-Vergabe nach Katar eine Art Wendepunkt dar.

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Der erste deutsche Gegner bei der WM 2023 begann im Jahre 2011, in den Handball und dessen Infrastruktur zu investieren. Der bis heute fraglos schlauste Schachzug: Trainer Valero Rivera installieren. Der 69-Jährige coachte zwischen 1983 und 2005 für sage und schreibe 22 Jahre den großen FC Barcelona. Alleine in dieser Zeit gewannen die Katalanen zwölfmal die spanische Meisterschaft, fünfmal den Europapokal der Pokalsieger und sechsmal die Champions League. Ein Weltklub war geboren. Die folgenden acht Jahre als spanischer Nationaltrainer krönte Rivera 2013 mit dem Titel bei der Heim-WM.

Anschließend folgte der Titelhamster dem Lockruf Katars, das er schnell in ungeahnte Sphären katapultieren sollte. Die fünfmal in Folge errungene Asienmeisterschaft zwischen 2014 und 2022 verblasst im Vergleich zur historischen Heim-WM 2015: Underdog Katar drang als bis dato einzige nicht-europäische Mannschaft der WM-Geschichte (seit 1939) ins Endspiel vor, das in Doha mit 22:25 gegen Frankreich verloren wurde.

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Auch die "Revanche" mit Deutschland gelang eindrucksvoll: 2015 warf Katar die DHB-Auswahl auf dem Weg zu WM-Silber im Viertelfinale raus (26:24), zwei Jahre später schlug Riveras Team den amtierenden Europameister bereits im Achtelfinale (21:20) - es sollte das letzte Spiel von Dagur Sigurdsson als Bundestrainer werden.

Schlupfloch in den IHF-Vorgaben

Wirklich sauber war die "Explosion" der Handball-Nation Katar allerdings nicht, sie wurde von Traditionalisten vielmehr als "skandalös" eingestuft. In Vorbereitung auf die Heim-WM nutzte man die fragwürdigen IHF-Vorgaben, wonach Spieler nach einer dreijährigen Nationalmannschaftspause bei einem großen Turnier für ein neues Land auflaufen durften, als Schlupfloch. Den Kern der Mannschaft bildeten 2015 Profis, die in Osteuropa geboren wurden. Der Kubaner Rafael Capote (115 WM-Treffer), ein Modellathlet und echter "Brecher" im linken Rückraum, brachte so manchen Favoriten zu Fall.

Während bei der WM 2023 in Polen und Schweden mit Paul Drux und Patrick Groetzki nur noch zwei deutsche Spieler aus dem WM-Kader von 2015 übrig geblieben sind, laufen bei Katar sieben Silbermedaillengewinner auf. Darunter auch Capote - mittlerweile 35 Jahre alt.

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Bei den letzten drei Weltmeisterschaften landete Riveras Mannschaft zweimal auf Platz acht und einmal auf Rang 13. Die vermeintlich steile Entwicklung wurde gestoppt, dennoch war Katar damit bei zwei der letzten drei WM-Endrunden besser als die DHB-Auswahl. Was ist wirklich geblieben von 2015? Und was bedeutet es für 2023?

Ein Bundesliga-Profi im Tor

Deutschlands Co-Trainer Erik Wudtke spricht in seiner Analyse vor dem Turnier von "zwei verschiedenen Rückraumreihen, mit denen sie zwei unterschiedliche Strategien verfolgen". Die eine "wurforientiert, physisch sehr präsent, körperlich sehr stark",  dabei nennt er insbesondere Capote und Jovan Gacevic (in Montenegro geboren) als "echte Shooter". Alternativ kann Rivera aber auch drei bewegliche Rückraumspieler einsetzen, die die DHB-Abwehr im Eins-gegen-eins beschäftigen und den bärenstarken Kreisläufer Youssef Ben Ali (in Frankreich geboren und aktuell unter Vertrag) einsetzen.

Gegen das variable Katar gelte es, "entsprechende Lösungen zu finden", so Wudtke. Auch im Angriff, wenn dem deutschen Team normalerweise eine 6:0-Abwehr entgegensteht, aus der regelmäßig Spieler herausbrechen, um den Rhythmus zu stören und Fehler zu provozieren. Mit Keeper Anadin Suljakovic (HSG Wetzlar, in Bosnien-Herzegowina geboren) kennen Gislasons Schützlinge einen Gegenspieler besonders gut. Zum Stolperstein soll aber auch der 24-Jährige möglichst nicht werden. Von WM-Enttäuschungen gegen Katar hat die DHB-Auswahl erstmal genug.

Maximilian Schmidt

Team

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