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Vorsicht, schmierig! Wie Rekord-Abwehrspieler Virgil van Dijk beim FC Liverpool landete

Eine moderne Transfergeschichte

Vorsicht, schmierig! Wie van Dijk in Liverpool landete

Wenn Dinge ans Licht kommen, die besser verborgen geblieben wären - auch davon erzählt der "Fall van Dijk".

Wenn Dinge ans Licht kommen, die besser verborgen geblieben wären - auch davon erzählt der "Fall van Dijk". picture alliance

Irgendwann, es war wohl kurz nach dem Saisonende 2016/17, machten Manchester Citys Macher etwas ganz und gar Ungewöhnliches: Sie ließen doch tatsächlich von einem Wunschspieler ab, weil er ihnen zu teuer geworden war. Ein halbes Jahr später wechselt er doch: für rund 85 Millionen Euro zum FC Liverpool .

Wäre die Wechselposse um Virgil van Dijk eine "Netflix"-Serie, müsste man einerseits wohl sagen: handwerklich gut gemacht, mit durchaus unerwarteten Wendungen und schon spannend genug, um wissen zu wollen, wie sie ausgeht. Andererseits aber einfach zu sehr "Mainstream": Irgendwie hat man das doch alles schon mal gesehen.

Spielersteckbrief van Dijk
van Dijk

van Dijk Virgil

Premier League - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Manchester City Manchester City
58
2
Manchester United Manchester United
43
3
FC Chelsea FC Chelsea
42

103 Spiele auf Topniveau - Liverpool zahlt für jedes etwa 825.000 Euro

Van Dijk, 26, ist jetzt also, wenn auch mutmaßlich nur sehr vorübergehend, der teuerste Abwehrspieler aller Zeiten. Ein Innenverteidiger, der in zweieinhalb Jahren für den Premier-League-Mittelklasseklub FC Southampton 67 Ligaspiele absolvierte und international auf sechs Champions-League- (mit Celtic), 14 Europa-League- (mit Celtic und Southampton) und 16 Länderspiele (für die Niederlande) kommt. Anders ausgedrückt: Für jede dieser 103 Partien zahlt Liverpool jetzt etwa 825.000 Euro.

Das ist natürlich nicht mehr normal, und doch ist es genau das schon längst: Sechs der zehn teuersten Transfers aller Zeiten ereigneten sich nun seit Sommer 2016, die Premier League zahlt Summen, über die sich sogar jene wundern, die sie ausgeben . Und auch sonst hat der "Fall van Dijk" beinahe alle Zutaten, ohne die ein solcher Wechsel heutzutage offenbar nicht mehr auskommt.

Ich bin so glücklich. Der Klub wächst, und ich will definitiv mit ihm wachsen.

Van Dijk bei seiner Vertragsverlängerung im Mai 2016

Man nehme erst einmal einen Spieler, der eine starke Saison spielt und das Interesse namhafterer Vereine weckt, obwohl sein Vertrag erst wenige Monate zuvor von 2020 auf 2022 ausgedehnt worden war. Van Dijks Kommentar damals: "Ich bin so glücklich. Der Klub wächst, und ich will definitiv mit ihm wachsen."

Liverpool behauptete vor einem halben Jahr, kein Interesse mehr zu haben

Außerdem nehme man einen Interessenten, Liverpool, der bereit ist, diesen Spieler für 70 Millionen Euro aus dem Vertrag herauszukaufen - und ihn damit seine blumigen Worte von neulich schnell wieder vergessen lässt: Van Dijk, das gilt inzwischen als verbrieft, trifft sich mit Jürgen Klopp, kann sich einen Wechsel gut vorstellen.

Jetzt kommt der Arbeitgeber des Spielers ins Spiel, Southampton: Er beschwert sich bei der Premier League über Liverpools heimliche Kontaktaufnahme mit van Dijk, die Reds hatten nicht um Erlaubnis gefragt. Das ist ebenso verboten wie weit verbreitet und führt dazu, dass sich Liverpool bei Southampton offiziell und öffentlich für "jegliches Missverständnis" entschuldigt . Der Schlusssatz, den damals schon niemand wörtlich nahm: "Wir können bestätigen, dass wir jegliches Interesse an dem Spieler zu den Akten gelegt haben."

Man kann es nicht anders sagen: Der Fall trieft nur so vor Egoismus

Es folgt, was einem modernen Transfer niemals fehlen darf : Der Spieler, wütend über Southamptons strikten Standpunkt und auch darüber, dass vertrauliche Gesprächsinhalte in die Medien gelangt seien, reicht ein amtliches Wechselgesuch bei seinem Arbeitgeber ein. Er sehe dazu "leider keine Alternative", schreibt van Dijk - Southampton lässt es kalt. "Virgil ist unverkäuflich", teilt Southamptons Klubchef Ralph Krüger, der frühere deutsche Eishockey-Nationalspieler, mit. "Und das ist nichts Persönliches." Van Dijk sei nun mal fester Teil der sportlichen Planungen.

Auch das macht diesen Fall so zeitgemäß: Er trieft, man kann es kaum anders sagen, vor Heuchelei, vor schmierigem Egoismus, den man natürlich auch clever nennen könnte. Der Spieler, der erst dankbar für sechs Jahre unterschreibt, ein Jahr später aber mit aller Macht weg will; der Interessent, der erst öffentlich versichert, kein Interesse mehr an einem Transfer zu haben, ihn ein halbes Jahr später aber doch durchzieht; und nicht zuletzt der Arbeitgeber, der den Spieler erst aus sportlichen Gründen nicht gehen lässt, wenige Monate später aber plötzlich zugreift, als Liverpool eine noch unverschämtere Summe bietet.

Das Staffelfinale: Van Dijk ist Southampton "für immer dankbar"

Wollte Southampton im Sommer eigentlich wirklich, dass Liverpool bestraft wird? Vor van Dijk nahmen schließlich allein seit 2014 schon fünf andere Southampton-Profis dessen Route nach Anfield, im Gegenzug floss Geld in Strömen. Gesamtablösevolumen: rund 188 Millionen Euro. Der "Guardian" schrieb im Juni, dass Southampton belastendes Beweismaterial für die unerlaubten Gespräche lieber zurückgehalten habe und es auch deshalb zu keiner offiziellen Premier-League-Untersuchung gekommen sei.

Für das Staffelfinale war es egal: Van Dijk, der in den Tagen vor dem Wechsel wie schon während des Sommer-Theaters nicht mehr in Southamptons Kader stand, sprach am Mittwoch davon, wie "geehrt" er sich fühle, welch "stolzer Tag" das für ihn und seine Familie sei. Auch das "berühmte rote Trikot", das er so schnell wie möglich überziehen, und der "großartige Klub", dem er "helfen" wolle, "in den nächsten Jahren etwas Besonderes zu erreichen", mussten natürlich Teil des Statements sein; genauso wie die "vielen Freunde", die er beim FC Southampton "fürs Leben" gefunden habe, dem Klub, dem er "für immer dankbar" sei. Man kennt das ja.

Jörn Petersen