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"Tatort" statt "Sommermärchen"

Ein Kommentar von Rainer Franzke, Mitglied der Chefredaktion

"Tatort" statt "Sommermärchen"

Von Ehrenamt kann keine Rede mehr sein: OK-Chef "Kaiser" Franz Beckenbauer.

Von Ehrenamt kann keine Rede mehr sein: OK-Chef "Kaiser" Franz Beckenbauer. picture alliance

Seit das Nachrichtenmagazin Spiegel das "gekaufte Sommermärchen" aufgedeckt hat, haben Rechtsanwälte in der ganzen Republik über Mandaten und Staatsanwaltschaften grenzübergreifend mit Ermittlungsaufgaben über Arbeitsmangel nicht zu klagen. Mit den neuen Enthüllungen über millionenschwere Honorarzahlungen an den damaligen OK-Chef "Kaiser" Franz Beckenbauer, der über ein Jahrzehnt lang den Eindruck (s)eines ehrenamtlichen Engagements im Zusammenhang mit der WM in Deutschland vermittelte, ist der Skandal in noch höhere Dimensionen geschossen. An diesem Mittwoch ist nun eine offene Schlammschlacht zwischen dem DFB und seiner einstigen "Lichtgestalt", dem Ehrenspielführer Beckenbauer ausgebrochen.

In dem großen Lügenpasch geht es längst nicht mehr um Verdächtigungen und Verdachtsmomente, Zahlungsströme nach Katar über 6,7 Millionen Euro und nun an Beckenbauer über 5,5 Millionen Euro sind inzwischen nachgewiesen. Weitere Zahlungen, auch an andere Mitwirkende der WM 2006, werden mit großer Wahrscheinlichkeit noch bekannt werden.

Der Aufsichtsrats-Präsidialausschuss der WM OK, dem unter anderen der frühere Bundesinnenminister Otto Schily und der heutigen IOC-Präsidenten Thomas Bach angehörten, wird seit diesem Mittwoch mit in die Affäre gezogen. Ebenso die nationalen Förderer der WM 2006 wie Oddset, die Postbank und EnBW, die jeweils zweistellige Millionenbeträge für ein gutes Gelingen des "Sommermärchens" gezahlt hatten. Auch dieser Umstand könnte fatale Folgen für den Fußball und den gesamten Sport haben. Wenn Geldgeber wegen der Geldgier von Fußballfunktionären und deren Vertrauten beschädigt werden, dürfte diese Quelle versiegen.

Der kicker veröffentlicht in der Print-Ausgabe am Donnerstag exklusiv das Protokoll einer Präsidiumssitzung des DFB-Vorstands vom 4. März 2016, die wenige Stunden vor Veröffentlichung der Ermittlungen der Anwälte der Kanzlei Freshfiels unter Teilnahme von 66 Personen stattgefunden hat. Die Niederschrift dieses Protokolls wirft weitere Fragen auf.

Für einen weiteren Film ein Jahrzehnt nach dem Abpfiff der sogenannten „Sommermärchens“ bleibt noch viel Zeit. Denn die Ergebnisse der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt, der Schweizer Bundesanwaltschaft und des FBI sind für das Drehbuch von maßgeblicher Bedeutung.

Rainer Franzke, Mitglied der Chefredaktion

Rainer Franzke, Mitglied der Chefredaktion kicker