Da war's passiert: Xavi dreht nach seinem Führungstreffer jubelnd ab, Semshov richtet erst einmal seine Stutzen. dpa
Russlands Trainer Guus Hiddink musste im Vergleich zum Viertelfinalerfolg gegen die Niederlande (3:1 n.V.) einen personellen Wechsel vornehmen: Für den gelbgesperrten Kolodin begann Vasiliy Berezutskiy. Bei den Spaniern gab es dagegen nach deren 4:2-Sieg im Elfmeterschießen gegen Italien keinen Grund zu Startelf-Änderungen.
Trotz strömenden Regens und der ungewohnten (und ungeliebten) gelben Trikots erwischten die Spanier in Wien den besseren Start: Torres hatte in Minute sechs bereits die erste gute Chance, als er Ignashevich aussteigen ließ, dann aber an Akinfeev scheiterte. Sturmkollege Villa zeigte sich auch gleich einmal, indem er Akinfeev per Fernschuss prüfte (11.). Die ersten 20 Minuten gehörten insgesamt klar den Iberern, die Russen taten sich anfangs schwer, ihr Kombinationsspiel aufzuziehen. Einzig bei Pavlyuchenkos etwas zu hoch geratenem Freistoß (15.) wurde es einmal vor Casillas gefährlich. Auf die erste Bewährungschance musste der spanische Keeper noch eine Viertelstunde warten, die war aber gleich eine echte Herausforderung: Pavlyuchenkos tollen Schlenzer lenkte er gerade noch mit den Fingerspitzen am Pfosten vorbei.
Der nächste Schreckmoment für die Spanier ließ nicht lange auf sich warten: Bei Villa, der in der Anfangsphase einen Schlag auf den Fuß bekommen hatte, ging's nicht weiter, Fabregas kam früh (35.). Damit war Russlands Drei-Tore-Gespenst aus dem Vorrundenduell (1:4) schon nicht mehr dabei. Am Spiel änderte der Wechsel nichts: Es blieb bei wenigen zwingenden Aktionen, Vorsicht regierte auf beiden Seiten; zu allem Überfluss gab es zahlreiche Unterbrechungen - am Wetter allein konnte all das kaum liegen. Das 0:0 zur Pause war die logische Folge. Verdient, denn einerseits war Spanien aktiver, andererseits hatte Pavlyuchenko für Russland die beste Möglichkeit.
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Die zweite Hälfte war keine fünf Minuten alt, da war die Verkrampfung gelöst! Zumindest auf spanischer Seite: Iniesta, von Xavi eingesetzt, flankte scharf und halbhoch mit rechts vom linken Strafraumeck an den Fünfer; sein Barca-Kollege war im Schatten von Ignashevich durchgestartet und vollstreckte mühelos aus kurzer Distanz direkt (50.) - das 1:0 für die Selección! Und das spielte ihr natürlich in die Karten: Russland war verunsichert, offensiv ergaben sich neue Räume für die Spanier: Es durfte ein wenig gekontert werden. Torres hatte zweimal die Chance zu erhöhen, erst schoss er daneben (61.), zwei Minuten später kam er aus bester Position nicht richtig an den Ball.
Luis Aragones dachte nicht daran, die Defensive zu stärken - vor Casillas war es nach der Führung auch nicht einmal wirklich brenzlig geworden -, sondern wechselte Guiza und Xabi Alonso für Torres und Torschütze Xavi ein (69.). Und das sollte sich bezahlt machen. Knapp 73 Minuten waren gespielt, als Fabregas seine Übersicht und Guiza seine Vollstreckerqualitäten zeigte: Mit einem Traumpass bediente Fabregas den Torschützenkönig der Primera División, und der überlupfte Akinfeev ganz cool zum 2:0! Russland war geschlagen, ein Aufbäumen blieb aus. Stattdessen kassierte Akinfeev noch Nummer drei: Erneut mit einer tollen Kombination spielten sich Fabregas & Co. vor den Strafraum, der Arsenal-Star sah Silva, und der netzte mühelos ein (82.). Die endgültige Entscheidung war gefallen. Lediglich Sychev hatte per Kopf zwei Minuten vor Schluss noch die Chance zu verkürzen, scheiterte aber an Casillas.
Regen, Zurückhaltung und viele Zweikämpfe - so hatte das Bild noch in Halbzeit eins ausgesehen: Hier fällt Konstantin Zyryanov (rechts) David Silva. dpa
Dank einer hochkonzentrierten Vorstellung hatten sich die Spanier den Finaleinzug verdient. Am Sonntag (20.45 Uhr) geht's in Wien gegen Deutschland - ohne Toptorjäger Villa. Russland hatte nie an die Leistung aus dem Viertelfinale anknüpfen können und musste den Endspieltraum platzen lassen. Hinten hatten Puyol und Kollegen einfach nichts zugelassen, vorne waren in Halbzeit zwei die Tore eiskalt gefallen. Noch ein Sieg, dann dürften die Spanier mal wieder einen Titel feiern - nach 44 Jahren.