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Pogacar bricht ein: "Ich bin tot" - Vingegaard vor Tour-Sieg

17. Etappe: Saint-Gervais Mont Blanc - Courchevel (166 km)

Pogacar bricht ein: "Ich bin tot" - Vingegaard vor Tour-Sieg

Vor der Titelverteidigung: Jonas Vingegaard.

Vor der Titelverteidigung: Jonas Vingegaard. picture alliance/dpa/Belga

Als Jonas Vingegaard auf dem Flughafen von Courchevel über den Zielstrich rollte, quälte sich sein großer Rivale Tadej Pogacar noch auf der Königsetappe der Tour de France. Der Slowene erlebte am Mittwoch den größten Einbruch seiner Karriere und musste alle Hoffnungen auf das Gelbe Trikot begraben. Der Gesamtführende Vingegaard liegt nach 17 Etappen 7:35 Minuten vor Pogacar, den Dänen kann wohl nur noch ein Sturz den zweiten Tour-Sieg kosten. Die Etappe gewann der Österreicher Felix Gall.

Alles fieberte nach der herben Pleite im Zeitfahren vom Dienstag auf den großen Gegenschlag von Pogacar hin, doch das Gegenteil trat ein. Der Slowene musste am Col de la Loze etwa 15 Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen. Dabei war in dem 28 Kilometer langen und bis zu 24 Prozent steilen Anstieg noch nicht der schwierigste Abschnitt erreicht. Das Dach der Tour war mit 2304 Metern Höhe zu hoch für Pogacar, der offenbar angeschlagen ist. "Ich kann nicht mehr. Ich bin tot", funkte Pogacar zu seinem Teamwagen. Vingegaard reagierte umgehend und erhöhte das Tempo massiv. Selbst ein die Straße blockierendes Motorrad stoppte ihn nicht.

"Ich bin sicher, er wird etwas versuchen"

Nach dem Zeitfahren tags zuvor entschied der 24-Jährige das nächste Kräftemessen für sich. Innerhalb von nur zwei Tagen ist aus der spannendsten Tour seit Jahrzehnten eine One-Man-Show des schmächtigen Mannes aus Jütland geworden. Dessen Sportchef stapelte auf dem 2000 Meter hohen Flughafen noch tief. "Es kann alles passieren. Es kann sein, dass Jonas morgen auf der Nase liegt und dann ist alles futsch", sagte Grischa Niermann der ARD. "Unter normalen Umständen sollte das aber funktionieren."

"Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich war am Fuß des Schlussanstiegs komplett leer. Ich bin sehr enttäuscht. Ich konnte meine Leistung nicht abrufen", sagte ein niedergeschlagener Pogacar im Ziel. Er wolle nun die Vogesen-Etappe am Samstag gewinnen. Ob ihm sein dänischer Rivale die Freiheiten trotz des gewaltigen Vorsprungs lässt, ist fraglich. "Über sieben Minuten zu haben, ist natürlich großartig. Aber Pogacar gibt niemals auf. Ich bin sicher, er wird etwas versuchen", sagte Vingegaard.

Pogacar stürzte früh

110. Tour de France

Die brutale Etappe mit 5400 Höhenmetern und vier Bergen begann für Pogacar schon mit einem Missgeschick. Nach 17 Kilometern stürzte der 24-Jährige, zog sich blutende Wunden am linken Knie und Ellenbogen zu. Zunächst schien es nicht so, als sei Pogacar davon beeinträchtigt. Das Tempo im Feld bestimmte das Jumbo-Team von Vingegaard, Pogacar wich ihm nicht von der Seite.

Das schier unglaubliche Zeitfahren von Vingegaard, als er Pogacar um 1:38 Minuten distanzierte und seinen Teamkollegen Wout van Aert um fast drei Minuten, sorgte auch am Tag danach für Diskussionen. So eine Dominanz weckt im Radsport aufgrund der Vergangenheit Skepsis.

Das Tour-Organ "L'Équipe" titelte zu einem Foto von Vingegaard "Von einem anderen Planeten". Selbst Tour-Direktor Christian Prudhomme sah sich veranlasst, einen Kommentar abzugeben. "Die Fragen zu den verschiedenen Verdächtigungen sind absolut nicht unberechtigt", sagte der 62-Jährige der Zeitung. Vor wenigen Tagen hatte Vingegaard selbst gesagt, dass er die Skeptiker verstehen könne. Er betonte, dass er nichts nehmen würde und seine Siege nie aberkannt würden.

Eine ganz starke Vorstellung zeigte einmal mehr Georg Zimmermann. Auf Rang 17 kam er ins Ziel und lag damit deutlich vor Pogacar. Emanuel Buchmann kam als 52. ins Ziel und hatte fast eine halbe Stunde Rückstand. 

Wieder waren reichlich Zuschauer an der Strecke.

Wieder waren reichlich Zuschauer an der Strecke. AFP via Getty Images

Bauhaus musste aufgeben

Deutlich zu viel waren die Strapazen letztlich für Phil Bauhaus. Der Sprinter war schon nach dem ersten Berg vom Rest des Feldes abgehängt, fuhr allein vor dem Besenwagen. Etwa 105 Kilometer vor dem Ziel gab der Bocholter schließlich auf. Bauhaus hatte in den Massensprints der Tour mit einem zweiten und zwei dritten Plätzen auf sich aufmerksam gemacht.

"Wenn ich rausfalle, wird es schwer", hatte Bauhaus bereits vor der Etappe mit Blick auf das Gruppetto gesagt. In dieser Gruppe schließen sich in den Bergen die Sprinter zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Nach dem Einzelzeitfahren am Dienstag klagte Bauhaus bereits über große Müdigkeit und meinte: "Die Tour ist bisher mit Abstand das Schwerste, was ich bisher gemacht habe."

Am Donnerstag hätte der 28-Jährige wieder eine Chance auf ein gutes Ergebnis bekommen. Die 184,9 Kilometer von Moutiers nach Bourg-en-Bresse weisen nur zwei kleine Anstiege der vierten Kategorie auf, insgesamt werden nur 1200 Höhenmeter eingesammelt. Der Belgier Jasper Philipsen wird auf seinen fünften Etappensieg bei der diesjährigen Tour hoffen.

17. Etappe Saint-Gervais-les-Bains - Courchevel (165,70 km):

1. Felix Gall (Österreich) - AG2R Citroën Team 4:49:08 Std.; 2. Simon Yates (Großbritannien) - Team Jayco AlUla + 34 Sek.; 3. Pello Bilbao (Spanien) - Bahrain Victorious + 1:38 Min.; 4. Jonas Vingegaard Rasmussen (Dänemark) - Jumbo-Visma + 1:52; 5. David Gaudu (Frankreich) - Groupama-FDJ + 2:09; 6. Tobias Halland Johannessen (Norwegen) - Uno-X Pro Cycling Team + 2:39; 7. Chris Harper (Australien) - Team Jayco AlUla + 2:50; 8. Rafal Majka (Polen) - UAE Team Emirates + 3:43; 9. Adam Yates (Großbritannien) - UAE Team Emirates; 10. Wilco Kelderman (Niederlande) - Jumbo-Visma + 3:49; ... 17. Georg Zimmermann (Neusäß) - Intermarché-Circus-Wanty + 5:56; 44. Nils Politt (Hürth) - Bora-hansgrohe + 25:53; 52. Emanuel Buchmann (Lochau/Österreich) - Bora-hansgrohe + 28:48; 114. Nikias Arndt (Köln) - Bahrain Victorious + 37:07; 129. John Degenkolb (Oberursel) - Team DSM - firmenich + 38:35; 154. Simon Geschke (Freiburg im Breisgau) - Cofidis + 44:56

Gesamtwertung Einzel, Stand nach der 17. Etappe:

1. Jonas Vingegaard Rasmussen (Dänemark) - Jumbo-Visma 67:57:51 Std.; 2. Tadej Pogacar (Slowenien) - UAE Team Emirates + 7:35 Min.; 3. Adam Yates (Großbritannien) - UAE Team Emirates + 10:45; 4. Carlos Rodriguez Cano (Spanien) - Ineos Grenadiers + 12:01; 5. Simon Yates (Großbritannien) - Team Jayco AlUla + 12:19; 6. Pello Bilbao (Spanien) - Bahrain Victorious + 12:50; 7. Jai Hindley (Australien) - Bora-hansgrohe + 13:50; 8. Felix Gall (Österreich) - AG2R Citroën Team + 16:11; 9. Sepp Kuss (USA) - Jumbo-Visma + 16:49; 10. David Gaudu (Frankreich) - Groupama-FDJ + 17:57; ... 19. Emanuel Buchmann (Lochau/Österreich) - Bora-hansgrohe + 1:04:22 Std.; 53. Georg Zimmermann (Neusäß) - Intermarché-Circus-Wanty + 2:46:26; 62. Nils Politt (Hürth) - Bora-hansgrohe + 3:08:42; 67. Simon Geschke (Freiburg im Breisgau) - Cofidis + 3:17:54; 123. Nikias Arndt (Köln) - Bahrain Victorious + 4:36:38; 147. John Degenkolb (Oberursel) - Team DSM - firmenich + 5:09:38

Bergwertung, Stand nach der 17. Etappe:

1. Giulio Ciccone (Italien) - Lidl-Trek 88 Pkt.; 2. Felix Gall (Österreich) - AG2R Citroën Team 82; 3. Jonas Vingegaard Rasmussen (Dänemark) - Jumbo-Visma 81; 4. Neilson Powless (USA) - EF Education-EasyPost 58; 5. Tadej Pogacar (Slowenien) - UAE Team Emirates 49; 6. Wout van Aert (Belgien) - Jumbo-Visma 47; 7. Simon Yates (Großbritannien) - Team Jayco AlUla 40; 8. Tobias Halland Johannessen (Norwegen) - Uno-X Pro Cycling Team 38; 9. Jai Hindley (Australien) - Bora-hansgrohe 31; 10. Michal Kwiatkowski (Polen) - Ineos Grenadiers 30; ... 20. Emanuel Buchmann (Lochau/Österreich) - Bora-hansgrohe 14; 39. Georg Zimmermann (Neusäß) - Intermarché-Circus-Wanty 5

Sprintwertung, Stand nach der 17. Etappe:

1. Jasper Philipsen (Belgien) - Alpecin-Deceuninck 323 Pkt.; 2. Mads Pedersen (Dänemark) - Lidl-Trek 186; 3. Bryan Coquard (Frankreich) - Cofidis 178; 4. Wout van Aert (Belgien) - Jumbo-Visma 154; 5. Tadej Pogacar (Slowenien) - UAE Team Emirates 146; 6. Jonas Vingegaard Rasmussen (Dänemark) - Jumbo-Visma 107; 7. Jordi Meeus (Belgien) - Bora-hansgrohe 96; 8. Pello Bilbao (Spanien) - Bahrain Victorious 95; 9. Dylan Groenewegen (Niederlande) - Team Jayco AlUla 92; 10. Biniam Girmay Hailu (Eritrea) - Intermarché-Circus-Wanty 90; ... 31. Georg Zimmermann (Neusäß) - Intermarché-Circus-Wanty 47; 59. Emanuel Buchmann (Lochau/Österreich) - Bora-hansgrohe 25; 82. Nils Politt (Hürth) - Bora-hansgrohe 13; 101. Nikias Arndt (Köln) - Bahrain Victorious 7

Teamwertung, Stand nach der 17. Etappe:

1. Jumbo-Visma (Niederlande) 204:45:10 Std.; 2. UAE Team Emirates (Vereinigte Arabische Emirate) + 15:15 Min.; 3. Ineos Grenadiers (Großbritannien) + 20:56; 4. Bahrain Victorious (Bahrain) + 42:48; 5. Groupama-FDJ (Frankreich) + 47:47; 6. AG2R Citroën Team (Frankreich) + 1:53:23 Std.; 7. Bora-hansgrohe (Deutschland) + 1:53:43; 8. Team Jayco AlUla (Australien) + 3:12:59; 9. Movistar Team (Spanien) + 4:01:02; 10. Cofidis (Frankreich) + 4:27:12; ... 13. Team DSM - firmenich (Deutschland) + 5:10:54

dpa, kon

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