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Philippe Coutinho: Die Magie ist längst verflogen

Wie ein Superstar aufs Abstellgleis geriet

Philippe Coutinho: Die Magie ist längst verflogen

Nur noch ein Schatten von einst: Findet Philippe Coutinho in England zu alter Form zurück?

Nur noch ein Schatten von einst: Findet Philippe Coutinho in England zu alter Form zurück? imago images/NurPhoto

Es ist kein Zufall, dass sich ausgerechnet Aston Villa um Philippe Coutinho bemühte. Denn der Trainer dort heißt Steven Gerrard. Und Gerrard, das ist ja irgendwie der FC Liverpool.

Und an der Mersey leuchten immer noch die Augen, denkt man zurück an den "Little Magician", den kleinen Magier. Ein Spitzname, den er an der Anfield Road verpasst bekam - und das völlig zu Recht. Erstes Tor im zweiten Spiel, geniale Pässe, starke Standards, akkurate Dribblings, Publikumsliebling - Coutinho ganz oben, sein Name wurde in einem Atemzug mit Messi, Ronaldo und Neymar genannt. Sein "Signature Move", das Dribbling von der linken Seite in die Mitte mit anschließendem Schlenzer mit rechts ins lange Eck, schien genauso schwer zu verteidigen wie der von Arjen Robben. Jeder wusste ja, was kam. Doch trotzdem schlug es immer wieder ein in den Toren der Premier-League-Klubs.

Auf einmal ist Barcelona Coutinhos Zuhause

Und so verwunderte es auch nicht, dass der FC Barcelona im Sommer 2017 anklopfte, obwohl die Aussichten für einen Wechsel eigentlich eher trübe erschienen. Schließlich hatte Coutinho im Winter erst bei Liverpool verlängert und ein Liebesbekenntnis an den Klub gleich mit unter die Unterschrift gesetzt. "Ich und meine Familie fühlen uns in dieser Stadt zuhause, wir fühlen uns als Teil dieser Stadt", schwärmte der Brasilianer.

Ein halbes Jahr später führte er bei einem Länderspiel mit der Seleçao ein unwürdiges Melodram auf, weil Liverpool nicht das geringste Interesse zeigte, seinen Topscorer zu einem direkten Konkurrenten im Kampf um internationale Trophäen abzugeben.

120 Millionen Euro trösteten Liverpool dann aber doch über den Verlust hinweg. Coutinhos unerträglichem Leid, übrigens als bestbezahlter Profi beim FC Liverpool, wurde ein Ende gesetzt. Er durfte wechseln. Doch von nun an geht die Magie dieser Geschichte endgültig verloren.

Zwar stemmte Coutinho regelmäßig Pokale in den Himmel, das Problem aber war: So richtig viel trug er dazu selten bei, zumindest in Anbetracht dessen, dass er zu dieser Zeit der zweitteuerste Fußballspieler aller Zeiten war. In 72 Pflichtspielen für Barça gelangen ihm 21 Tore, nach anderthalb Jahren hegte man auch in Katalonien allmählich seine Zweifel am zweifellos hoch veranlagten Offensivspieler aus Rio de Janeiro.

Coutinho gibt auch Rummenigge Rätsel auf

In München suchte man aber noch nach einem großen Namen. Der FC Bayern lieh Coutinho im Sommer 2019 für satte 8,5 Millionen Euro aus, auch weil Konkurrent Dortmund groß eingekauft hatte (Schulz, Brandt, Hazard, Hummels). Sportdirektor Hasan Salihamidzic verpackte den Showtransfer in warme Worte, bezeichnete Coutinho als "Weltklassespieler", Karl-Heinz Rummenigge ergänzte: "Wir haben uns seit einiger Zeit mit Philippe Coutinho beschäftigt und sind sehr glücklich, dass wir diesen Transfer nun realisieren konnten. Unser Dank gilt dem FC Barcelona, dass er diesem Transfer zugestimmt hat."

Dabei hätte sich wohl eher der FC Barcelona bedanken müssen. Wenige Monate später klang nämlich auch Rummenigge 'ein bisschen' anders. "Er hat manche Spiele gut gespielt und in manchen Spielen vermittelt er ein bisschen den Eindruck, als ob er so ein bisschen gehemmt ist", erklärte Rummenigge im Februar 2020. "Ich weiß nicht, woran das liegt."

Im Sommer 2020 bedankte sich Rummenigge erneut - beim Abschied Coutinhos. Der FCB zog die Kaufoption von 120 Millionen Euro verständlicherweise nicht, begründete das zum Teil mit der Corona-Pandemie, dem Gehaltsgefüge oder dem Verletzungspech, das den Brasilianer während seiner Zeit in München ereilt hatte. Doch trotz Triple-Sieg hätte es auch in puncto Leistung keinerlei plausible Gründe gegeben, die sensible Seele nachhaltig an München zu binden, obwohl die Katalanen den Bayern entgegengekommen sein sollen. In 38 Pflichtspielen kam er auf elf Tore und neun Vorlagen, allein drei Scorerpunkte holte er als Einwechselspieler beim 8:2 im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Barcelona.

Als der Magier noch zauberte: Coutinho jubelt mit Steven Gerrard.

Als der Magier noch zauberte: Coutinho jubelt mit Steven Gerrard. imago images/PA Images

Ein Omen? Würde Coutinho im zweiten Anlauf bei den Katalanen wieder zu dem Spieler werden, dem die Massen in Liverpool zu Füßen lagen? Sie durften die Hoffnung einfach nicht aufgeben in Barcelona. Nach einer komplett gebrauchten Saison mit vielen Verletzungen und ganzen zwölf Ligaspielen (zwei Tore) waren im Sommer 2021 Lionel Messi und Antoine Griezmann weg, Luis Suarez ja schon seit einem Jahr. Coutinho war aber immer noch da. Nicht zuletzt, weil Barça einfach keinen Abnehmer für den Topverdiener fand.

Für Coutinho die Riesenchance, das Vakuum zu füllen, seine Magie wieder zu versprühen. Als er im Oktober 2021 sein erstes Saisontor beim 3:1 gegen Valencia schoss, sagte der damalige Trainer Ronald Koeman: "Vom ersten Tag an habe ich immer an Coutinho geglaubt. Nach und nach wird er seine Qualität zurückgewinnen."

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Inzwischen ist Koeman weg, genauso wie Coutinho, denn Xavi versuchte es erst gar nicht so richtig mit dem 29-Jährigen. Ausgeliehen bis Saisonende an Aston Villa, den Tabellen-13. der Premier League. "Barcelona befreit sich von Coutinho", schrieb die Marca vielsagend. Sein Vertrag läuft dort noch bis Sommer 2023, wenig verwunderlich beinhaltet der Kontrakt auch eine Kaufoption - über 40 Millionen Euro.

"Du bekommst den Spitznamen 'Der Magier' nicht, wenn du kein besonderer Fußballer bist", sagte Gerrard in der offiziellen Mitteilung bei Coutinhos Wechsel. Zumindest der ehemalige Liverpool-Kapitän kann sich erinnern, warum Coutinho ihn einst überhaupt verpasst bekam.

Christoph Laskowski

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