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Perez' Entscheidung für Zidane - naheliegend und feige

Kommentar von Jörg Wolfrum zum Trainerwechsel in Madrid

Perez' Entscheidung für Zidane - naheliegend und feige

Kann vorerst durchatmen: Mit der Installierung von Zinedine Zidane hat sich Real-Boss Florentino Perez Luft verschafft.

Kann vorerst durchatmen: Mit der Installierung von Zinedine Zidane hat sich Real-Boss Florentino Perez Luft verschafft. imago

Nun ist er wieder da. Wobei: Er war nie wirklich weg. Wohnhaft in Madrid, hatte er einen Sohn (Luca) als Ersatzkeeper im Team und den Hattrick-Titelgewinn als Messlatte für alle Zeiten zurückgelassen. Zinedine Zidane war immer präsent gewesen in den vergangenen zehn Monaten seit seinem Rücktritt als Trainer von Real Madrid im Mai 2018. Sein Gesamtkunstwerk war und ist es ohnehin: fünfmaliger Champions-League-Sieger mit den Königlichen, die ohne ihn offenbar nur Fußvolk sind, was übrigens kein gutes Licht auf interne Strukturen wirft. Zidanes Triumphe mit Real: als Spieler einmal Champions-League-Sieger, als Co-Trainer ein weiteres Mal und als Chefcoach gleich dreimal in Serie. Real und die Königsklasse, das war in diesem Jahrtausend immer auch: Zidane und die Königsklasse.

Perez will sich Luft verschaffen

"Der beste Trainer der Welt", so hatte ihn Präsident Florentino Perez einst genannt. Der Real-Präsident holt nun, mit dem Rücken zur Wand ob der eigenen personellen Misswirtschaft, den dreimaligen Weltfußballer zurück. Das ist naheliegend und feige zugleich. Der Bauunternehmer Perez will sich damit, obwohl er den Klub zunehmend autokratisch führt, Luft verschaffen. Um sein sportlich-wirtschaftliches Lebenswerk fortsetzen zu können, an dessen Ende der Umbau des Bernabeu-Stadions stehen soll.

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Mit Zidane hat Perez erst mal Ruhe. Der gleichermaßen charismatische wie in sich ruhende Allesgewinner wird, anders als seine Nachfolger und Vorgänger Lopetegui und Solari, den Kader befrieden. Nicht nur aktuell ausgemusterte Profis wie Isco oder Marcelo dürften den Franzosen mit offenen Armen empfangen. Auch ein um das eigene Standing kämpfender Kapitän wie Ramos kann sich nun wieder mehr auf Fußball konzentrieren denn auf Streitigkeiten mit Perez oder das Filmen von Eigen-PR-Dokus.

Das Aus in der Königsklasse kommt Zidane fast schon gelegen

Viel zu verlieren hat Zidane nicht. Die Mannschaft ist am Boden, abgestürzt. Wichtig dabei: ohne ihn. Mehr noch: Es kommt fast schon gelegen, dass Real raus ist aus der Beletage Europas, dass der vierte Titel in Folge keine Option mehr ist. Mit seinem Abgang im Sommer 2018 ersparte sich Zidane diese Bauchlandung. In weiser Voraussicht. Vielleicht aber ja auch ein wenig aus Angst, die Vita zu beflecken. Er konnte das zumindest nie ausräumen.

Die Mannschaft brauche neue Impulse, hatte er im Jahr 2018 nach dem dritten Königsklassen-Titel in Folge gesagt. Zidane wusste, was sich da anbahnt: Jedem Aufstieg folgt der Abstieg. Zumal sich Real auch schon unter Zidane gleich mehrmals mehr mit Glück denn guten Leistungen von Runde zu Runde und letztlich zum Titel gerettet hatte. Was aber bleibt: Zidane brachte die Erfolge, war aber nicht für den Absturz verantwortlich.

Jörg Wolfrum

Jörg Wolfrum

Aufbauarbeit ist jetzt gefragt. Damit aber hat der Weltstar, der ein Fußballer mit Leib und Seele ist, keine Probleme. Vielmehr ist es so: Das gleißende Scheinwerferlicht war Zidanes Sache nie, trotz aller Erfolge. Exemplarisch dafür: Nachdem er 2014 als präsenter Assistent von Carlo Ancelotti entscheidend mit zur "Decima", zum zehnten Champions-League-Sieg, beigetragen hatte, übernahm er als hungriger Novize Real Castilla, die 2. Mannschaft der Madrilenen. Bis ihn Perez im Januar 2016 rief, als unter Ancelotti-Nachfolger Benitez schon einmal (sportliche) Führung im Klub abhandengekommen war.

Diesmal muss sich Zidane dem Neuaufbau stellen

Nun steht Real wieder an einer Wegscheide. Zidane kann das Team (und damit den ganzen Klub) wieder in ruhigere Fahrwasser leiten. Allein schon mit seiner Rückkehr sät er das Pflänzchen Hoffnung. Dieses aber ist - Real ist und bleibt nun mal Real - zugleich der Nährboden für allerhöchste Ansprüche, also Titel.

Zidane muss nun den Aufbau einer neuen Ära beginnen. Das ist nicht minder ambitioniert. Jetzt muss der Rückkehrer zeigen, dass er auch zu dem imstande ist, was er vor einem Jahr noch gescheut hat: Denn es gilt, nach dem ersten Befrieden, sich von alternden Erfolgsgaranten im Kader zu trennen.

Lesen Sie hier weitere Details: Nach 284 Tagen ist Zidane wieder Trainer bei Real Madrid.

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