Football

NFL: Die Gewinner und Verlierer der Offseason

Die NFL-Kolumne von Adrian Franke

Offseason-Gewinner und -Verlierer: Houstons All-In-Strategie - und welcher 49ers-Receiver wird getradet?

Die Houston Texans wollen den Rookie-Vertrag von CJ Stroud bestmöglich ausnutzen.

Die Houston Texans wollen den Rookie-Vertrag von CJ Stroud bestmöglich ausnutzen. imago images

Die Gewinner der NFL-Offseason

Chicago Bears

Ich habe es im Nachgang des Drafts bereits gesagt: Dieser Draft wird für keine Franchise so drastisch verändernd und prägend sein, wie für die Bears.

Die Justin-Fields-Ära zu beenden und sich ein außergewöhnliches Quarterback-Prospect in Caleb Williams zu sichern, war die genau richtige Entscheidung. Auch wenn die Bears die Fields-Situation sicher besser hätten managen und mehr in einem Trade hätten herausholen können.

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Gerade was die Parallele zu Fields angeht, ist aber besonders auffällig, wie signifikant besser die Situation für Williams zum Start in seine NFL-Karriere sein wird. Der Trade für Keenan Allen, Rome Odunze mit dem zweiten Top-10-Pick zu bekommen, ein mutmaßliches Coordinator-Upgrade: Diese Offense ist bereit, abzuheben, sollte Williams schnell einschlagen. Chicago scheint aus der Fields-Situation gelernt zu haben.

Bryce Young (QB, Carolina Panthers)

Young hatte eine maßlos enttäuschende Rookie-Saison, das steht außer Frage. Was viel eher diskutiert werden muss, ist die Frage danach, wie viel davon Young zuzuschreiben ist - und inwieweit er angesichts der Umstände in Carolina mehr oder weniger chancenlos war.

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Ich würde klar festhalten, dass man Youngs physische Defizite und seine Limitationen sowohl was Playmaking-Qualitäten, als auch was seine Armstärke angeht, gesehen hat. Gleichzeitig waren die Umstände so schlecht, dass nicht viele Quarterbacks ligaweit hier trotzdem eine funktionale Offense aufs Feld hätten bringen können.

Bryce Young von den Carolina Panthers

Bryce Young erwarten in seiner zweiten NFL-Saison deutlich bessere Umstände. Getty Images

Daran haben die Panthers in dieser Offseason signifikant gearbeitet.

Mit Robert Hunt und Damien Lewis wurde viel Geld in die Interior Offensive Line gesteckt.

Diontae Johnson und Xavier Legette sind deutliche Upgrades für die Receiver-Gruppe und der neue Head Coach Dave Canales hat zuletzt mit Baker Mayfield und in Teilen auch mit Geno Smith gezeigt, was er aus Quarterbacks herausholen kann. Was die Situation angeht, sollte es ein Quantensprung für Young werden. 2024 wird somit für ihn auch das Jahr, in dem er zeigen muss, dass er Carolinas Franchise-Quarterback werden kann.

Daniel Jones (QB, New York Giants)

Es gibt ein Paralleluniversum, in dem die Giants den Trade im Draft mit den Patriots hinbekommen. In diesem Universum draften die Giants an Nummer 3 Drake Maye, Daniel Jones geht als ausgemachte Übergangslösung in die Saison und wird vermutlich irgendwann zwischen Woche 5 und Woche 10 durch Maye ersetzt, um dann nach der Saison entlassen oder getradet zu werden.

Die Realität sieht aber anders aus. Nicht nur, dass im Draft kein Quarterback nach New York kam - das Waffenarsenal wurde signifikant verbessert: Malik Nabers ist der beste Receiver, den Daniel Jones bis dato in New York hatte. Theo Johnson und Tyrone Tracy sind Mid-Round-Picks, könnten aber situative Receiving-Optionen werden und die Offensive Line wurde im Vergleich zum Vorjahr deutlich stabilisiert.

Jones braucht dennoch zweifellos eine sehr gute Saison, um auch 2025 noch als Starting-Quarterback in New York an den Start zu gehen. Aber jetzt hat er zumindest eine Chance.

Saquon Barkley (RB, Philadelphia Eagles)

Barkley hatte letztes Jahr eine äußerst frustrierende Saison. Er produzierte mehr Yards nach Kontakt pro Run als jeweils in den beiden Saison davor, musste aber konstant Line-Probleme kompensieren und in einer Offense agieren, die keine nennenswerten Waffen auf Wide Receiver hatte und sich mit schlechtem Quarterback-Play über Wasser halten musste.

Saquon Barkley, New York Giants

Saquon Barkley geht von den Giants zu Division-Rivale Philadelphia. Getty Images

Der Kontrast bei den Eagles könnte nicht viel größer sein. Von einer der schlechtesten hinter eine der besten Offensive Lines in der NFL. Von einer Offense mit massiven Receiver-Fragen in eine Offense mit einem der besten Receiver-Duos in der NFL. Von einer schlechten Quarterback-Situation zu einem Quarterback, der insbesondere als Runner auch Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Barkley sollte in Kellen Moores Offense eine ausgeprägte Rolle als Checkdown-Receiver bekommen. Und seine Arbeit als Running Back wird so "einfach" werden, wie noch nie zuvor in seiner Karriere.

Houston Texans

Die Texans haben erkannt, welche Chance sie im Rookie-Fenster von C.J. Stroud haben, und dass es sich lohnen kann, jetzt aggressiv zu investieren.

Das haben sie gemacht. Die Verpflichtung von Danielle Hunter, die Trades für Stefon Diggs und Joe Mixon, die Upgrades in der Defense: Houston ist All-In gegangen, was ich angesichts des Fensters, das jetzt für die Texans aufgehen kann, ganz klar befürworte.

Durch den Trade mit den Vikings haben sie gleichzeitig aber auch Draft-Kapital zurückgeholt, und keiner der abgeschlossenen Verträge verbaut ihnen lang-, oder selbst auch nur mittelfristig etwas.

Ich bin gespannt, ob Houston den jetzt hohen Erwartungen gerecht werden kann. Aber die Art und Weise, wie sie dieses Fenster angegangen sind, gefällt.

Will Levis (QB, Tennessee Titans)

Diese Offseason hätte für Will Levis auch sehr anders verlaufen können. Levis war ein Zweitrunden-Pick im Vorjahr, viel mehr als einzelne Flashes hatte er in der vergangenen Saison nicht. Dann übernahm ein neuer Trainerstab die Titans, und das hätte der Punkt sein können, an dem seine Titans-Karriere schon ihrem Ende entgegen geht.

Doch das Gegenteil passierte. Tennessee adressierte in dieser Offseason die beiden größten O-Line-Baustellen (Left Tackle und Center), Calvin Ridley wurde für viel Geld verpflichtet und ist eine Art 1B neben DeAndre Hopkins. Tony Pollard kommt als zusätzliche Checkdown-Option, hier hat Tennessee jetzt mit Pollard und Tyjae Spears zwei dynamische Playmaker aus dem Backfield. Und die jüngste Verpflichtung von Slot-Receiver Tyler Boyd macht den einstigen Erstrunden-Pick Treylon Burks zur Gadget-Waffe.

Es wird ein Make-or-Break-Jahr für Levis, denn sollte er keine Fortschritte zeigen, wird Tennessee vermutlich im Quarterback-Markt sein. Aber die Chance, um genug zu zeigen, dass der neue Trainerstab an ihm festhält, ist in dieser Offseason signifikant höher geworden.

Aaron Glenn (DC, Detroit Lions)

Es war im Laufe der vergangenen Saison offensichtlich, dass Detroit defensiv nicht auf die Art und Weise spielen wollte, wie es die Lions, angefangen mit Defensive Coordinator Aaron Glenn, gerne machen würden.

Detroit wollte viel Man Coverage spielen, um mehr Flexibilität darin zu haben, wie man die Line of Scrimmage attackiert. Doch dafür hatten die Lions, spätestens infolge einiger Verletzungen, nicht die Cornerback-Qualität. Das wurde offensichtlich, und Teile der vergangenen Saison waren von der Suche nach einer defensiven Identität geprägt.

Das hat sich jetzt deutlich geändert. Nachdem Detroit letztes Jahr viel improvisieren musste, haben die Lions jetzt mit Terrion Arnold, Carlton Davis und Ennis Rakestraw eine deutlich bessere und tiefere Cornerback-Gruppe. Ich erwarte eine wesentlich aggressivere Lions-Defense in der kommenden Saison, die dann tatsächlich Glenns Handschrift tragen wird.

Aaron Rodgers (QB, New York Jets)

Wir alle haben eine All-In-Offseason der Jets erwartet, und GM Joe Douglas hat nicht enttäuscht. Aber er blieb smart dabei. Die Offensive Line wurde generalüberholt, nachdem mit Morgan Moses, John Simpson und Tyron Smith bereits in der Free Agency drei neue Starter verpflichtet worden waren, wählten die Jets in der ersten Runde Olu Fashanu und sind somit auch in der Tiefe komplett anders aufgestellt als letztes Jahr.

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Das gilt auch für die Receiver-Gruppe. Hinter Garrett Wilson war letztes Jahr nicht viel Qualität, in dieser Offseason wurde Mike Williams als neuer X-Receiver verpflichtet, sowie im Draft Yards-after-Catch-Spezialist Malachi Corley.

Rodgers wird im Dezember 41 und kommt von einem Achillessehnenriss zurück, er selbst macht diese Offense zu einer riesigen Wildcard. Aber die Jets, die mit einer Vielzahl an offensiven Fragezeichen in diese Offseason gegangen waren, haben viel gemacht, um Rodgers eine bestmögliche Chance auf Erfolg zu geben.

Ezekiel Elliott (RB, Dallas Cowboys)

Letztes Jahr hatte Elliott als Co-Starter für die Patriots 184 Runs. Es war das erste Mal in seiner Karriere, dass er weniger als 3,8 Yards pro Run (3,5) und weniger als 2,7 Yards nach Kontakt pro Run (2,5) hatte. Elliott hatte letztes Jahr einen einzigen Run über mindestens 15 Yards, damit kamen 2,6 Prozent seiner Rushing-Yards bei Breakaway Runs. Das erste Mal in seiner Karriere lag er hier unter 11 Prozent.

Kurzum: Nichts davon liest sich wie das Bewerbungsschreiben eines Running Backs für einen neuen Starter-Posten. Und nachdem sich das große Running-Back-Karussell zu Beginn der Free Agency gedreht hatte, und Elliott noch immer ohne Team da stand, schien sich das auch zu bestätigen.

Doch das änderte sich mit dem Draft. Die Cowboys, die als das wahrscheinlichste Running-Back-Team im Draft galten, pickten keinen Running Back, standen ohne vernünftige Lösung da und verpflichteten Elliott wenige Tage nach dem Draft. Mit den Alternativen Rico Dowdle und Deuce Vaughn ist davon auszugehen, dass Elliott zumindest als Early-Down-Back und somit als (Co-)Starter in die Saison geht

Die Verlierer der NFL-Offseason

Kirk Cousins (QB, Atlanta Falcons)

Man kann hier argumentieren, dass Cousins eigentlich kein wirklicher Verlierer ist. Dass er, wenn sich die Draft-Wogen geglättet haben, immer noch 100 Millionen Dollar garantiert über die nächsten beiden Jahre kassiert, er der Week-1-Starter sein wird, mit einer echten Chance darauf, die Division zu gewinnen. Dass es an ihm liegt, wann Überraschungs-Pick Michael Penix das Zepter übernehmen kann.

Würden die Chancen auf den Division-Gewinn und einen Playoff-Run besser stehen, hätte Atlanta mit dem Nummer-8-Pick den ersten Verteidiger vom Board genommen? Oder alternativ vielleicht Rome Odunze oder Brock Bowers? Vermutlich schon. Aber das ist nicht der Hauptgrund dafür, dass ich Cousins zu den Verlierern zähle. Ich sehe hier mehr den mentalen Part.

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Cousins entschied sich schnell - vielleicht zu schnell, angesichts der Tampering-Vorwürfe - für die Falcons. Weil er davon ausging, dass die nächsten Jahre alles um ihn und mit ihm aufgebaut wird. Stattdessen muss er ab sofort über seine Schulter schauen: Was, wenn er nach seinem Achillessehnenriss die ersten Trainingswochen verpasst? Was, wenn Penix da gut aussieht? Was, wenn Cousins mal zwei schlechte Spiele hat? Wie schnell werden dann die Rufe nach einem Nummer-8-Overall-Quarterback laut?

Die interne Dynamik auf der Quarterback-Position wird für Cousins viel anstrengender und unangenehmer, als er das vor vier Wochen erwartet hatte.

Las Vegas Raiders

Antonio Pierce kann noch so häufig versuchen, Gardner Minshew und Aidan O'Connell nach außen hin zu verkaufen - ich bin mir sicher, dass das nicht der Quarterback-Room ist, den man sich bei den Raiders zu Beginn der Offseason erhofft hat. Kein Jayden Daniels, kein Michael Penix, kein J.J. McCarthy oder Bo Nix. Minshew und O’Connell gibt mir klare "Übergangsjahr"-Vibes, und mit dem Nummer-13-Pick dachten die Raiders vermutlich, dass zumindest ein Quarterback zu haben sein würde.

Und auch der Rest des Kaders ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Mit Crosby und Wilkins hat man in der Defensive Line eine tolle Achse, aber auf Linebacker und in der Secondary gibt es legitime Fragezeichen. Ist die Offensive Line gut genug, insbesondere, wenn das Run Game dominant sein soll?

Ich sehe hier ein Team, das sich mal wieder einen Free-Agency-Splash geleistet hat, während der Rest des Kaders nicht bereit ist, und das ein riesiges Fragezeichen allen voran auf der Quarterback-Position hat.

Justin Fields (QB, Pittsburgh Steelers)

Es ist keine drei Monate her, da tobten in Bears-Fan-Kreisen hitzige Diskussionen. Manche wollten mit Fields weitermachen, den Nummer-1-Pick abermals traden und weiter in den Kader investieren. Als es dann an den Trade-Value ging, wurde ein hoher Tag-2-Pick diskutiert; teilweise sogar noch mehr.

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Die Realität sah dann ganz anders aus. Die Bears zogen einen Schlussstrich, Fields hatte nicht den erhofften Markt als erneuter Starter. Jetzt wird er sich in Pittsburgh gegen Russell Wilson durchsetzen müssen, der zumindest für den Moment intern ganz offensichtlich die Nase vorne hat, während Running Back Jaylen Warren jüngst verriet, dass Fields als Returner (!) eine Option werden könnte.

Ich gehe davon aus, dass Fields im Laufe der Saison eine Chance in Pittsburgh bekommen wird. Wilson ist alles andere als angreifbar an diesem Punkt seiner Karriere. Mit Blick darauf, wie die Liga Fields in dieser Offseason aber wertgeschätzt hat, muss man fast davon ausgehen, dass es seine letzte echte Chance als Starting-Quarterback sein wird.

Deebo Samuel (WR, San Francisco 49ers)

Aus den Aiyuk-Tradegerüchten wurden in den Tagen vor dem Draft "49ers-Receiver-Tradegerüchte", und auch wenn im Dunstkreis des Drafts letztlich nichts passierte: Die Draft-Entscheidungen legen trotzdem nahe, dass einer er beiden Niners-Receiver - Brandon Aiyuk oder Deebo Samuel - nicht mehr allzu lange in San Francisco sein wird.

Meine Vermutung ist, dass es eher Richtung Deebo Samuel geht. Ricky Pearsall, San Franciscos Erstrunden-Pick, ist ein ganz anderer Slot-Receiver-Typ. Aber er ist in erster Linie im Slot zuhause, wo auch Samuel knapp ein Drittel seiner Snaps spielt und wo er am besten ist.

Deebo Samuel, San Francisco 49ers

Deebo Samuel könnte auch in der weiteren Offseason noch ein Trade-Kandidat sein. Getty Images

Samuel ist zudem zwei Jahre älter als Aiyuk, und San Francisco könnte Samuel nach dem ersten Juni komfortabel traden. In dem Fall stünden dieses Jahr 6,6 Millionen Dead Cap in den Büchern - dazu rund 15 Millionen nächstes Jahr - und 22 Millionen Dollar Cap Space würden sofort kreiert werden.

Pearsall könnte direkt mit Samuel um Snaps konkurrieren, zusätzlich pickten die Niners in der vierten Runde mit Jacob Cowing einen Yards-after-Catch-Spezialisten, ebenfalls eine Deebo-Samuel-Kernkompetenz. Ich denke, dass infolge des Drafts, der dort ausgewählten Spieler sowie der Tatsache, dass im Draft kein Trade zustande kam, nicht mehr Aiyuk, sondern Samuel der Niners-Receiver ist, der am ehesten getradet wird.

Denver Broncos

Was ist der Plan? Sind die Broncos überhaupt besser als letztes Jahr? Sind wir sicher, dass Bo Nix eine bessere Quarterback-Option ist als Russell Wilson? Die Offensive Line ist schlechter, Secondary tendenziell nicht besser, die Receiver-Gruppe vielleicht verbessert?

Ich schaue auf diese Broncos-Offseason, und ich sehe eine Franchise, die im Bilde der Ungeduld ihres Head Coaches geformt wird. Genug mit Russell Wilson, her mit einem Rookie-Quarterback, und wenn es der sechste Quarterback mit dem Nummer-12-Overall-Pick im Draft sein muss.

Vielleicht überrascht Bo Nix, vielleicht kann Payton der Offense einen schnellen Turnaround geben. Ich sehe eher eine Offseason, in der ein schneller Umbruch kreiert werden soll, für ein Team, das keinen schnellen Umbruch von einer Rückkehr in die Erfolgsspur entfernt ist.

Adrian Franke

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