DFB-Pokal

Nie war der Klassenunterschied krasser: Wie Ulms Trkulja den FCN blamierte

Wiederholt sich die SSV-Pokal-Geschichte 20 Jahre später?

Nie war der Klassenunterschied krasser: Wie Ulms Trkulja den FCN blamierte

Eine absolute Ulmer Vereinslegende - und eben auch Pokalheld des Jahres 2001: Dragan Trkulja.

Eine absolute Ulmer Vereinslegende - und eben auch Pokalheld des Jahres 2001: Dragan Trkulja. imago sportfotodienst

Darius Kampa im Tor, die beiden Recken Tomasz Kos und Marek Nikl im Abwehrzentrum, David Jarolim zusammen mit Jacek Krzynowek im Mittelfeld oder auch Louis Gomis im Angriff: Der 1. FC Nürnberg reiste an jenem Sommertag 2001 ohne Zweifel als klarer Favorit nach Ulm - zumal der heute bezeichnete SSV Ulm 1846 Fußball damals erst noch nach Verpassen des Klassenerhalts in der 2. Bundesliga und Regionalliga-Lizenzentzug samt Absturz in die Verbandsliga Württemberg zu verkraften hatte.

Das hinderte die motivierten Ulmer aber nicht daran, diesen höchst überraschenden 2:1-Sieg gegen den von Klaus Augenthaler trainierten und damals in der Bundesliga spielenden Club zu landen. Bestmarke inklusive: Die Ulmer avancierten an jenem August-Sonntag als Fünftligist zum niederklassigsten Verein, der je im DFB-Pokal - noch dazu gegen einen Erstligisten - ein Spiel gewinnen konnte.

Spielersteckbrief A. Fink
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SSV Ulm 1846 Fußball - Vereinsdaten
SSV Ulm 1846 Fußball

Gründungsdatum

09.03.2009

Vereinsfarben

Schwarz-Weiß

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1. FC Nürnberg - Vereinsdaten
1. FC Nürnberg

Gründungsdatum

04.05.1900

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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SSV Ulm 1846 Fußball - Die letzten Spiele
Borussia Dortmund II Dortmund II (A)
1
:
2
FC Viktoria Köln Vikt. Köln (H)
2
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1. FC Nürnberg - Die letzten Spiele
SV Elversberg Elversberg (H)
3
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Fortuna Düsseldorf Düsseldorf (A)
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1
DFB-Pokal - 1. Runde
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Im kicker vor 20 Jahren stand deswegen klipp und klar und ohne Umschweife auch in Anlehnung an den eigentlich unvorstellbaren Bundesliga-Abstieg 1999: "Jeder blamiert sich so gut er kann. Dass die Nürnberger gerade das besonders gut können, haben sie in Ulm wieder einmal eindrucksvoll bewiesen." Und weiter: "Von Klassenunterschied nichts zu spüren - in keiner Phase der Partie. Gegen engagierte Spatzen wirkten die Franken zu lässig, ihnen fehlte jeglicher Zug zum Tor. Nach dem Wechsel legte eine Mannschaft sogar noch zu: der krasse Außenseiter. Und so verlor der Favorit. Zu Recht."

SSV-Coach Wörle will "intensiven Fußball" sehen

Dass es damit wieder klappt, dafür möchte die jetzige "Außenseiter-Generation" der Ulmer sorgen. Und warum auch nicht? Denn während der derzeit in der 2. Bundesliga heimische FCN an den ersten beiden Spieltagen noch keinen Sieg eingefahren hat (0:0 gegen Aue, 2:2 in Paderborn), haben die Spatzen eine ordentliche Vorbereitung absolviert vor dem Regionalliga-Südwest-Start am 13. August gegen den FSV Frankfurt - samt dem ersten Pflichtspiel vergangenen Samstag im württembergischen Pokal beim TSV Nusplingen (11:1). Der im Sommer geholte neue Trainer Thomas Wörle (zuvor zwischen 2010 und 2019 erfolgreich bei den Bayern-Frauen aktiv) machte zudem zuletzt im auf der Vereinsseite veröffentlichten Interview klar, mit was für einem Team zu rechnen sein wird: "Wir wollen einen sehr mutigen aber auch variablen und intensiven Fußball spielen und gerne viel mit dem Ball am eigenen Fuß."

Thomas Wörle

Leitet ab dieser Saison die SSV-Geschicke in der Regionalliga Südwest: Trainer Thomas Wörle. imago images/Eibner

Mit den hocherfahrenen Stürmern Tobias Rühle (ehemals Großaspach, Preußen Münster) und vor allem der Drittliga-Legende Anton Fink (324 Partien, 136 Tore für Unterhaching, Aalen, Karlsruhe und vor allem Chemnitz zwischen 2012 und 2017) verfügen die Ulmer im Kader außerdem über Waffen, die auch einer Club-Abwehr um Christopher Schindler an einem frühen Abend im DFB-Pokal gefährlich werden können. Damals vor 20 Jahren hatten übrigens Rechtsverteidiger Gerold Skowranek in der 25. Minute und die gefeierte SSV-Legende Dragan Trkulja, der den Klub in seiner aktiven Zeit zwischen 1992 und 2002  in über 200 Partien und mit über 100 Treffern in die 2. Liga und sogar in die Bundesliga schoss, in der 60. via Elfmeter die beiden Tore gegen die Mittelfranken erzielt. Was in der nun bevorstehenden Runde außerdem helfen mag: Zur lautstarken Unterstützung sind gegen den Favoriten auch noch Fans im Rücken zugelassen, die das Team an diesem Samstag (18.30 Uhr, LIVE! bei kicker) sicherlich pushen werden. Mehrere tausend Tickets sind bereits verkauft für das Duell im Donaustadion. "Gemeinsam mit unseren Fans werden wir alles dafür geben, den Club herauszufordern", findet auch Trainer Wörle.

Trkuljas große Stunde zum Ausklang

Damals beim sensationellen 2:1-Coup über Nürnberg wurden 5000 Zuschauer Zeuge im Donaustadion, in dem der langjährige Bundesliga-Referee Thorsten Kinhöfer als Schiedsrichter die Teams aufs Feld geführt hatte. Die Kulisse und die Spielweise der Spatzen war an jenem Tag irgendwie zu viel für einen sehr blassen Trupp aus Nürnberg, der besonders auch nach dem kassierten 1:2 der Ulmer Ikone Trkulja nichts mehr auf die Beine stellen konnte. Nürnberg fand damals die gesamte letzte halbe Stunde einfach keine passende Antwort mehr.

Turbulente Zeiten nach Bundesliga-Abstieg: SSV Ulm 1846 in der Regionalliga etabliert

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Nach einer blamablen Vorstellung musste sich der "Ruhmreiche" somit den fünftklassigen Amateuren des SSV Ulm "verdient mit 1:2 geschlagen geben", wie zum Beispiel die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete. "Ein Sieg als Fünftligist gegen einen Bundesligisten, unglaublich!", erinnert sich Pokalheld Trkulja immer wieder gern zurück an jenen Tag. "Das war eine wunderschöne Sache nach dem Absturz unseres Vereins in die fünfte Liga", hatte er im Gespräch mit dem DFB gesagt. Schließlich war der stolze Vereine zwei Jahre vor dieser Pokalsensation in der Saison 1998/1999 unter der Leitung von Ralf Rangnick noch in die Bundesliga aufgestiegen, um anschließend bitter abzustürzen. Schon im Jahr 2000 folgte der Abstieg, eine 1:9-Heimniederlage gegen Bayer Leverkusen am 18. März leitete den Absturz der Ulmer ein. "Da lief dann einiges schief", so Trkulja. Zumal der Verein damals als Ziel den direkten Wiederaufstieg erklärt hatte, nur um am Ende komplett durchgereicht zu werden - Abstieg statt Wiederaufstieg hieß es, das alles noch garniert mit schweren finanziellen Nöten nach den teuren ausgehängdigten Spielerverträgen.

Er meinte nur, wenn wir mit der Mannschaft sind, soll ich mich irgendwo verstecken, um meine Zigarette zu rauchen.

Dragan Trkulja über Trainer Ralf Rangnick

Doch ein Mann blieb den Ulmer in all dieser Zeit treu: Trkulja. Und als der Serbe die Fußballschuhe im Februar 2001 eigentlich schon an den Nagel gehängt und bereits die Ulmer B-Junioren um einen gewissen Mario Gomez in der Bundesliga betreut hatte, kam nochmals der Aufruf des Teams. "Mir war klar: 'Okay, das ist mein Verein!' Das ist doch logisch, dass ich denen helfe", so der Stürmer, der in all seiner Zeit leidenschaftlicher Raucher war - und nichtsdestotrotz zum Ausklang seiner SSV-Karriere eben nicht nur die Pokal-Sensation schaffte, sondern auch noch den Aufstieg in die Oberliga. Von der Glimmstängel-Leidenschaft wusste sein "Vorgesetzter" Rangnick, der zwischen 1997 und 1999 als Trainer fungiert hatte (beim Pokal-Coup coachte Harry Brobeil), laut Trkulja bestens Bescheid: "Er meinte nur, wenn wir mit der Mannschaft sind, soll ich mich irgendwo verstecken, um meine Zigarette zu rauchen. Das war perfekt." Ob einer der aktuellen SSV-Profis raucht, ist zwar nicht bekannt. Ansonsten dürften die Angreifer Rühle und Fink oder auch ein anderer potenzieller Torschütze sicherlich große Lust verspüren, in die Fußstapfen von Pokalheld Trkulja zu treten - 20 Jahre nach dem 2:1 gegen den Club.

Im Lager des FCN ist die Erinnerung an diesen peinlichen Auftritt derweil verblasst - glaubt man zumindest den Äußerungen des aktuellen Trainers Robert Klauß: "Der DFB-Pokal ist ein super-cooler Wettbewerb. Es ist einfach wichtig, dass man als Zweitligist die erste Runde übersteht." Der Club-Coach wies am Donnerstag lieber darauf hin, dass die Ulmer erst vor drei Jahren Titelverteidiger Eintracht Frankfurt in Runde eins aus dem Wettbewerb befördert hatten: "Wir bereiten uns deswegen wie auf einen Ligagegner vor. Ulm ist definitiv ein Top-Regionalligist." Und stellt eben ein hochmotiviertes Team, das nach 20 Jahren erneut gegen Nürnberg Geschichte schreiben will.

Markus Grillenberger

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