Handball

SG im kicker-Check: Der logische deutsche Meister

Schlüsselspieler Lauge fehlt Flensburg noch länger

SG im kicker-Check: Der logische deutsche Meister

Blick nach oben, Blick nach vorn: Jim Gottfridsson (l.) und Rasmus Lauge (M.) hoffen aufs Comeback, Ljubomir Vranjes auf den Titel.

Blick nach oben, Blick nach vorn: Jim Gottfridsson (l.) und Rasmus Lauge (M.) hoffen aufs Comeback, Ljubomir Vranjes auf den Titel. imago

Kader: Wer kam, wer ging?

Auf dem Transfermarkt zuschlagen, um der Konkurrenz bereits vor der Saison das Fürchten zu lehren? Nicht in Flensburg. Die SG gab mit Kresimir Kozina (26, Füchse Berlin) lediglich einen Kreisläufer ab, holte mit Ivan Horvat (23, Varazdin) einen Hoffnungsträger im linken Rückraum dazu. Mehr ist im Sommer nicht passiert, die Verantwortlichen ließen sich nicht von den Mitfavoriten um die deutsche Meisterschaft aus der Reserve locken.

Der Positionscheck

Gerade darin soll die große Flensburger Stärke im neuen Jahr liegen: Die Mannschaft kennt sich bestens und braucht keine Eingewöhnungszeit. Mit Mattias Andersson (38) kann die SG auf einen der stärksten und konstantesten Torhüter in der Liga zählen, Ersatz Kevin Moller (27) befindet sich nicht auf diesem Niveau. Im Gegensatz zum THW Kiel und den Rhein-Neckar Löwen könnte da eine der Flensburger Schwächen liegen.

Auf Linksaußen ist Anders Eggert (34) seit Jahren eine Bank, Schwede Hampus Wanne (22) gehört die Zukunft. Im linken Rückraum legte die SG notgedrungen nach, weil Leistungsträger und Antreiber Rasmus Lauge (25) noch bis tief in die erste Saisonhälfte hinein fehlen wird. Der Däne ist eigentlich einer der Schlüsselspieler im Kampf um die Meisterschaft, ein Riss im Außenmeniskus des linken Knies setzt ihn aber seit Monaten (und voraussichtlich noch bis Dezember) außer Gefecht.

Geht in seine letzte Saison bei der SG: Anders Eggert verlässt Flensburg.

Geht in seine letzte Saison bei der SG: Anders Eggert verlässt Flensburg. imago

Auch deswegen hoffen sie in Flensburg, dass mit Rückkehrer Petar Djordjic (25) einer seiner Vertreter endlich einschlagen wird. Das Potenzial dazu hat der Serbe ohne jede Frage. Auf der Mitte ist Thomas Mogensen (33) aus Flensburg eigentlich nicht wegzudenken, Kentin Mahé (25) will nach einem überzeugenden ersten Jahr nachlegen.

Nicht wirklich begeistert waren sie bei der SG vom schwedischen Nationalteam, von dem Spielmacher Jim Gottfridsson (23) verletzt zurückkam. Eine entzündete Wunde musste nach den Olympischen Spielen in Rio operiert werden (Ausfallzeit: ca. drei Wochen). Besser sieht es auf Halbrechts aus, wo sich Gottfridssons Landsmann Johan Jakobsson (29), ein ausgewiesener Shooter, und der noch immer wendige Ex-Nationalspieler Holger Glandorf (33) stark ergänzen.

Auf Rechtsaußen verkörpert Olympiasieger Lasse Svan (33) Extraklasse, Serbe Bogdan Radivojevic (23) kann ihn im Falle eines Ausfalls keinesfalls gleichwertig ersetzen. Ein Überangebot herrscht am Kreis: Tobias Karlsson (35) bleibt der Abwehrchef, Henrik Toft Hansen (29) hat vor allem vorne seine Qualitäten. Kozina wurde auch abgegeben, weil Jacob Heinl (29) und Anders Zachariassen (24) endlich wieder fit sind. Zu hohe Erwartungen wollen sie den Rückkehrern bei der SG aber nicht aufbürden.

Aussichten und Erwartungen

Flensburgs Meistermacher? Ljubomir Vranjes hätte nichts gegen eine Wiederholung von 2004.

Flensburgs Meistermacher? Ljubomir Vranjes hätte nichts gegen eine Wiederholung von 2004. imago

Für die Konkurrenz gilt dieses Argument nicht, denn geht es nach den Bundesliga-Trainern, führt in diesem Jahr kein Weg an Flensburg vorbei. In einer Umfrage sprachen sich 16 von 18 Handballlehrern für die SG als kommenden deutschen Meister aus. Logisch, oder? "Die haben den ausgeglichensten Kader", behauptete etwa Magdeburgs Trainer Bennet Wiegert. Göppingens Magnus Andersson traut dem Nordklub den großen Wurf zu, "weil er keine Neuzugänge integrieren muss".

Abwegig klingt das auch für Löwen-Coach Nikolaj Jacobsen nicht: "Die Flensburger waren mit ihrem breiten, starken Kader schon das beste Team der letzten Rückrunde." Und was sagen die Flensburger selbst? "Wir haben die Qualität, Meister zu werden", ist auch SG-Coach Ljubomir Vranjes überzeugt.

Gerade dem schwedischen Publikumsliebling trauen sie in Flensburg zu, dass er zwölf Jahre nach der letzten Meisterschaft 2004 Geschichte wiederholen kann. Die Sehnsucht nach DHB-Pokal (2015) und Champions League (2014) hält sich derweil in Grenzen.

Ich möchte in den nächsten beiden Monaten Klarheit haben, denn das Thema soll uns so wenig wie möglich im Alltag stören.

Ljubomir Vranjes will die Personalgeschichten schnell abhaken

Also ist die Messe bereits vor Saisonstart gelesen? Mitnichten. In Flensburg nämlich könnte leicht ein Nebenkriegsschauplatz entstehen: Gleich elf Verträge laufen im nächsten Sommer aus, darunter unverzichtbare Kräfte wie Keeper Andersson, Glandorf, Eggert, Svan und Kapitän Karlsson. Linksaußen Eggert hat bereits seinen Abschied verkündet, ihn zieht es nach einem Jahrzehnt zurück in seine dänische Heimat (Ziel: Skjern).

Die anderen Personalien werfen aber Fragen auf, lästige Verhandlungen während der Saison verbittet sich Vranjes eigentlich. "Ich möchte in den nächsten beiden Monaten Klarheit haben, denn das Thema soll uns so wenig wie möglich im Alltag stören. Ich will da nicht so lange warten", so der 42-Jährige. Klar ist aber auch: Bei einem stabilen Etat von 6,5 Millionen Euro ( deutlich weniger als Kiel, aber etwas mehr als die Löwen ) können nicht alle Wünsche erfüllt werden.

Die Olympia-Fahrer

Sechs Spieler der SG waren bei Olympia - und dabei unterschiedlich erfolgreich: Karlsson, Gottfridsson und Jakobsson schieden mit Schweden bereits nach der Vorrunde aus, woraufhin Flensburgs Abwehrchef von einer "riesigen Enttäuschung" sprach. Besser lief's für Mahé, der mit Frankreich Silber gewann. Noch erfolgreicher waren nur Toft Hansen und Svan, die der französischen Großmacht mit Dänemark im Finale die Grenzen aufzeigten.

Fazit

Flensburg taucht nicht umsonst bei den Umfragen ganz vorne auf, die SG verfügt über die eingespielteste Mannschaft und eine über Jahre gewachsene erste Sieben. Der Meistertitel dürfte nach zwölf Jahren Durststrecke das große Ziel sein. Für den Vorjahreszweiten wird es vor allem auch darauf ankommen, wie fehleranfällig sich die Konkurrenz präsentiert - und wie schnell Lauge ersetzt und später wieder integriert werden kann.

msc

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