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OK-Kollegen rücken von Beckenbauer ab

FIFA widerspricht Niersbachs Darstellung

OK-Kollegen rücken von Beckenbauer ab

Im Fokus des Interesses: DFB-Präsident Wolfgang Niersbach.

Im Fokus des Interesses: DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. picture alliance

Dieses war die Kernbotschaft, wie es Niersbach formulierte. Und dann schilderte der 64-Jährige die Vorgänge der vergangenen Monate und Jahre, "wie ich sie in Erinnerung habe". Im Juni habe er von der 6,7-Millionen-Euro Überweisung erfahren. Wie? "Auf merkwürdigen Umwegen", sagt er nur. Und dass er da keine Namen nennen will.

Ein Besuch bei Franz Beckenbauer, damals Präsident des Organisationskomitees (OK), habe Aufklärung gebracht. Am Dienstagnachmittag sei er in Salzburg gewesen, wo ihm der "Kaiser" geschildert habe: Im Januar 2002 habe der damalige Generalsekretär Horst R. Schmidt Beckenbauer gebeten, zu einem Vier-Augen-Gespräch mit FIFA-Präsident Joseph Blatter zu gehen. Der Schweizer habe einen Zuschuss von 170 Millionen Euro für die WM in Aussicht gestellt. Konkretes, so habe Blatter gesagt, sei in der Folge mit der FIFA-Finanzkommission zu klären. "Wer diese Gespräche mit der Finanzkommission geführt hat, weiß ich bis heute nicht", sagt Niersbach. Blatter hat mittlerweile der dpa über einen Sprecher lediglich mitteilen lassen: "Ich bin mit diesem Vorgang nicht vertraut."

Schwan soll Kontakt zu Louis-Dreyfus hergestellt haben

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In jenen Unterredungen soll ein Deal vereinbart worden sein. Zehn Millionen Schweizer Franken (6,7 Mio. Euro) seien bei der FIFA-Finanzkommission vom OK zu hinterlegen für den Zuschuss des Weltverbandes. Die FIFA teilte inzwischen auf kicker-Anfrage mit: "Es entspricht in keinster Weise den FIFA-Standardprozessen und Richtlinien, dass die finanzielle Unterstützung von WM-OKs an irgendwelche finanziellen Vorleistungen seitens des jeweiligen OKs oder seines Verbandes gekoppelt ist. Im Übrigen ist ganz generell die Finanzkommission weder berechtigt, Zahlungen irgendwelcher Art in Empfang zu nehmen, noch verfügt sie über ein eigenes Bankkonto."

Das deutsche OK hatte laut Niersbach zu diesem Zeitpunkt aber keine Mittel. Also habe Beckenbauer privat einspringen wollen. Sein damaliger Manager, der 2002 verstorbene Robert Schwan, habe ihm geraten, sich aus dieser Angelegenheit herauszuhalten. Stattdessen soll Schwan die Verbindung zu Robert Louis-Dreyfus hergestellt haben. Der sei eingesprungen und habe das Geld an die FIFA überwiesen. An wen genau? "Das entzieht sich meiner Kenntnis, aber wir haben kein Geld bekommen." Darauf legt der augenscheinlich angeschlagene DFB-Chef offenbar großen Wert. Ebenso wie auf die Feststellung: "Von diesem Vorgang habe ich nichts gewusst." Den Zusammenhang zwischen dem bewilligten FIFA-Zuschuss und dem Darlehen habe er demnach erst im Sommer herstellen können. "Ich habe schon mitbekommen, dass da irgendetwas war mit Robert Louis-Dreyfus."

Schmidt stützt Niersbachs Aussagen

Die FIFA dagegen präsentierte eine andere Version nach einem Blick in die Bücher: "Nach heutigem Kenntnisstand wurde keine derartige Zahlung bei der FIFA im Jahr 2002 registriert." Horst R. Schmidt, damals geschäftsführendes OK-Vize, stützt Niersbachs Aussagen. In einer Erklärung teilt Schmidt mit, dass das OK 2004 von Beckenbauer von der FIFA-Vorab-Forderung erfahren habe. Schmidt: "Die Zahlung wurde zugesagt, ohne dass dies vorher mit dem OK besprochen wurde." Was ein schwerer Vorwurf an Beckenbauer ist. Schmidt weiter: "Robert Schwan habe dann die Zahlung durch Robert Louis-Dreyfus organisiert; es sei ferner ein Schuldschein im Namen von Herrn Beckenbauer abgegeben worden. Somit sei das Vermögen von Herrn Beckenbauer für das OK bzw. den FIFA-Zuschuss eingesetzt worden."

Man habe den Zuschuss dann bekommen, also habe man Beckenbauer, der ja gehaftet habe, bei Louis-Dreyfus auch auslösen müssen, argumentiert der ehemalige DFB-Schatzmeister weiter. Er und Theo Zwanziger hätten versucht, den Kreditgeber im Jahr 2005 vom Verzicht auf die 6,7 Mio. Euro zu überzeugen, was Louis-Dreyfus nicht gewollt habe. "Wir haben dann lange erörtert, wie ein Ausgleich mit Robert Louis-Dreyfus erzielt werden kann. Letztlich haben wir die FIFA als Zuschussgeber eingeschaltet. Nach Diskussionen mit der FIFA wurde letztlich gemeinsam festgelegt, dass die Zahlung mit der Beteiligung des DFB an den Kosten der geplanten WM-Gala verrechnet wird, was dann auch geschah."

Viele offene Fragen bleiben

Doch weder Niersbach noch Schmidt äußern sich zu Fragen wie: Warum leiht sich das OK das Geld nicht bei einer ordentlichen Bank? Warum springt der DFB nicht als Finanzierer ein? All dies bleibt offen. Zudem ist die Personenkonstellation eine pikante: Louis-Dreyfus, verstorben 2009, ist zum kolportierten Zeitpunkt Vorstandsvorsitzender von Adidas, dem Ausrüster des DFB. Etwaige Zusammenhänge aber weist Niersbach von sich bzw. der WM 2006. Niersbachs Verteidigungslinie in Bezug auf das Sommermärchen ist der Zeitpunkt der 6,7-Mio.-Zahlung im Jahr 2002, also zwei Jahre nach Vergabe der WM an Deutschland im Juli 2000.

Ich war in diese Finanzabwicklung nur sehr bedingt eingebunden in meiner Zuständigkeit. Da sind ein paar Fragen offen.

Wolfgang Niersbach

Zum Thema Rückzahlung dieses Darlehens an Louis-Dreyfus sagt Niersbach: "Da soll es laut Spiegel einen Brief geben, wo es einen persönlichen Vermerk von mir geben soll. Ich kann mich daran nicht erinnern, kann es aber auch nicht ausschließen bei der Vielzahl der Abwicklungen, die damals auf dem Tisch lagen." 2005 sei die Rückabwicklung geschehen, indem die FIFA den Antrag gestellt habe, dass sich das OK mit den 6,7 Millionen Euro am "Kulturprogramm", also einer später abgesagten Gala in Berlin, beteiligen soll. "Das wurde genehmigt von den Gremien. Dann ist dieser Betrag von 6,7 Millionen Euro zurücküberwiesen worden an die FIFA." Zweimal 6,7 Millionen Euro für den Weltverband? Warum? Niersbach: "Das OK hat das gemacht. Empfänger war die FIFA, Rückabwickler war auch die FIFA. Ich war in diese Finanzabwicklung nur sehr bedingt eingebunden in meiner Zuständigkeit. Da sind ein paar Fragen offen." Nach Aussagen des Weltverbandes wäre diese Version nicht stimmig und würde die Frage nach einer schwarzen Kasse - bei welcher Institution auch immer - zumindest aufwerfen.

Welche Rolle spielt die FIFA?

Fakt ist: Sofern das Geld am Ende bei Louis-Dreyfus gelandet ist, was Niersbach nach eigener Aussage nicht weiß, hieße das: Die FIFA hätte in dieser Geschichte als Geldwäschestelle gewirkt. Das dürfte wiederum die Schweizer Bundesanwaltschaft brennend interessieren, die bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen stellen könnte. Auch die hauseigene Ethikkommission des Verbandes, die aktuell über Beckenbauers Nicht-Kooperation in Sachen WM-Doppelvergabe 2018/2022 zu befinden hat, dürfte sich des Falles annehmen. Die FIFA ließ zudem wissen: "Die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), dem lokalen WM-Organisationskomitee und der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 werden von der FIFA im Rahmen einer internen Untersuchung zusammen mit ihren externen Anwälten geprüft. Die FIFA wird den DFB auffordern, an dieser Untersuchung mitzuwirken."

Zentrale Figuren, die Niersbachs Darstellung untermauern könnten, sind tot: der damalige Chef der FIFA-Finanzkommission Julio Grondona, Schwan, Louis-Dreyfus. Andere, wie Horst R. Schmidt als geschäftsführender Vize des OK oder Theo Zwanziger, ab 2003 für die Finanzen des Komitees zuständig, könnten Licht ins Dunkel bringen. Und natürlich Franz Beckenbauer.

Benni Hofmann