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Nicht unantastbar in Brasilien: Individualismus von Neymar nervt vor dem WM-Spiel gegen Costa Rica die Heimat

Brasilianische Medien kritisieren ihren Offensivstar

Nicht unantastbar: Neymars Individualismus nervt die Heimat

Zu eigensinnig? Neymar steht in der Heimat in der Kritik.

Zu eigensinnig? Neymar steht in der Heimat in der Kritik. imago

Fragt man einen Brasilianer, was "fominha" bedeutet, antwortet er: Einer, der den Ball nicht abgibt. Der aufs Tor schießt, obwohl alle besser stehen. Eben einer, der im Mannschaftssport viel lieber Individualist ist. "Neymar, o fominha" - der Ballsüchtige, liest, sieht und hört man seit Sonntag, seit dem ernüchternden 1:1 gegen die Schweiz , immer mehr in Brasiliens Medien.

Im Auftaktspiel der Seleçao war die Offensivkraft von Paris St. Germain bei 10 der 19 Fouls der Eidgenossen das Opfer , verbrachte den Tag danach komplett mit den Physiotherapeuten, humpelte im Training nach nur wenigen Minuten vom Platz. Und bleibt bis zum Duell mit Costa Rica (14 Uhr, LIVE! bei kicker.de) am Freitag in St. Petersburg das Frage- und Ausrufezeichen .

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Doch statt lähmenden Entsetzens, wie nach seinem Wirbelbruch bei der Heim-WM 2014, der ihm das Halbfinale gegen Deutschland (1:7) kostete, macht sich am Zuckerhut eher Unmut breit. "Neymar entzieht sich der Philosophie Tites", klagt etwa das Online-Portal "UOL". Die Tageszeitung "Zero Hora" kommentiert gar: "Brasiliens Star schadet dem Team mit seinen übertriebenen Dribblings."

"Neymardependencia" eine Last?

Im September vergangenen Jahres, als Neymar gerade für schlappe 222 Millionen Euro nach Paris gewechselt war, stellte Barcelonas Präsident Josep Maria Bartomeu nüchtern klar: "Natürlich ist es besser, talentierte Spieler im Team zu haben. Für Barça ergibt sich aber nun die Möglichkeit, mit dem Dreigestirn Messi-Suarez-Neymar zu brechen und auf ein mannschaftsdienlicheres Spiel zu setzen."

Wie es auch Seleçao-Coach Tite nach langen Jahren der "Neymardependencia" fordert und umzusetzen versucht: Ohne Neymar gewannen die Ballkünstler vom Zuckerhut 2018 den schweren Test bei WM-Gastgeber Russland (3:0) und die Revanche gegen Deutschland (1:0), mit Toren von ihm gegen Kroatien (2:0) und Österreich (3:0).

28-mal ging Neymar ins direkte Duell

Gegen die Schweiz suchte Neymar 28-mal (!) die Eins-gegen-Eins-Situation, mehr als doppelt so oft wie der hinter ihm rangierende Willian. Die Konzentration der Verteidigung auf ihn schafft theoretisch Lücken, praktisch bleiben aber er, sein Körper und damit auch der Ball zu oft an den gegnerischen Beinen hängen. Diese Spielweise praktiziert Neymar auch in Paris - dort zeichnete man ihn trotz der langen Verletzungspause erst als "Spieler des Jahres" aus .

Vor der WM äußerte bereits Altstar Careca Unwillen. "Ich denke, er sollte kollektiver spielen, weil es das dann auch ihm leichter macht, eine bessere Leistung zu zeigen. Er wird gejagt und muss deshalb die Verantwortung abgeben", so der zweimalige WM-Teilnehmer. Neymar verteidigt sich: "Sie treten mich, ich spiele Fußball. Sie provozieren mich, aber das kann ich auch, auf meine Art und Weise, mit dem Ball", äußerte der 26-Jährige eher trotzig.

Ob ihn jetzt die Verletzung, anders als viele seiner Gegenspieler, stoppen kann, ist eher unwahrscheinlich. Am Mittwoch kehrte Neymar bereits wieder ins Mannschaftstraining zurück.

msc/sid