U 21

Kritikwürdige U-21-Offensive - Kuntz wählt den Schutzmantel

Coach verweist auf A-Team-Trio und verteidigt Amiri und Dahoud

Kritikwürdige Offensive - Kuntz wählt den Schutzmantel

Im Herbst gilt es: Für Stefan Kuntz und die U 21 stehen dann die entscheidenden Spiele in der EM-Qualifikation an.

Im Herbst gilt es: Für Stefan Kuntz und die U 21 stehen dann die entscheidenden Spiele in der EM-Qualifikation an. picture alliance

Nachdem er den Gewinn an defensiver Stabilität und dieser speziellen Erfahrung auf dem Balkan vorangestellt hatte , rang sich Kuntz doch zu ein paar kritischen Worten durch. "In so einem Spiel gegen so einen tief stehenden Gegner mit Fünfer- oder Sechserkette braucht man beim letzten Pass, beim Schuss und bei der ersten Ballannahme eine unheimliche hohe Konzentration", sagte der 55-Jährige. Was er nicht explizit sagte: Sie fehlte fast immer.

Das fußballerisch talentierte Angriffsquintett um die U-21-Europameister Nadiem Amiri (Hoffenheim), Mahmoud Dahoud (Dortmund) sowie Levin Öztunali (Mainz) schaffte es mit den Kollegen dahinter weder am Boden noch durch vom Trainerteam geforderte Chipbälle den dichten Abwehrriegel des Gegners gewinnbringend zu überspielen. Es fehlte vor allem an temporeichen Ballstafetten. So setzten sich die sieben Torchancen der DFB-Elf aus vier Distanzschüssen außerhalb des Strafraums, zwei Kopfbällen und einer artistischen Direktabnahme von Maximilian Eggestein (Bremen) zusammen. Ein herausgespielter Hochkaräter vor dem kosovarischen Gehäuse war nicht dabei. Der Keeper der Gastgeber, Visar Bekaj, hielt zwar die vier Distanzversuche und einen Kopfball ordentlich, musste aber in der ganzen Partie keine Glanzparade aufbieten oder über sich hinauswachsen, um seinen Kasten sauber zu halten.

Trainersteckbrief Kuntz
Kuntz

Kuntz Stefan

Spielersteckbrief Amiri
Amiri

Amiri Nadiem

Spielersteckbrief Dahoud
Dahoud

Dahoud Mahmoud

"Gerade Automatismen in der Offensive brauchen am längsten. Wir haben nochmal versucht, fast dieselbe Elf zusammenspielen zu lassen. Aber wir treffen uns nicht oft im Jahr, da kann man nicht verlangen, dass alles klappt.

Stefan Kuntz

"Gerade Automatismen in der Offensive brauchen am längsten. Wir haben nochmal versucht, fast dieselbe Elf zusammenspielen zu lassen. Aber wir treffen uns nicht oft im Jahr, da kann man nicht verlangen, dass alles klappt", schwang sich Kuntz zum Schutzpatron seiner Schützlinge auf. Die Spieler selbst erklärten zur ihrer dünnen Angriffsleistung, dass es eben schwierig sei, wenn ein Gegner sich so massiv mit neun Feldspielern um den eigenen Strafraum verschanze. Das klingt nachvollziehbar. Aber einfacher Erfolg ist nunmal kein typisches Merkmal des Profifußballs. Also darf, nein muss man von einer deutschen U-21-Auswahl an Erst- und Zweitligaprofis, die dem Europameisterteam von 2017 nachfolgen will, bessere Lösungen gegen ein leidenschaftliches, aber destruktives Ensemble des Fußballzwergs Kosovo erwarten, dessen Verband erst seit Mai 2016 Mitglied bei UEFA und FIFA ist. Auch dann, wenn mit Öztunali und Stürmer Cedric Teuchert (noch kein Ligaeinsatz seit seinem Winterwechsel zu Schalke) zwei von fünf Offensivstartern und die meisten Angriffsalternativen auf der Bank in ihren Klubs derzeit wenig Spielpraxis erhalten.

EM-Qualifikation

In diesem Zusammenhang sagte Kuntz: "Wir brauchen jetzt nicht auch noch das Fass aufzumachen, dass Timo Werner, Leroy Sané und Julian Brandt noch in der U 21 spielen könnten und gerade oben bei der A-Mannschaft wirbeln." Auch sein Lachen dabei konnte nicht verhindern, dass er mit seinem Satz den Deckel dieses Fasses zumindest ein wenig anlupfte. Wichtig war aber seine anschließende Schlussfolgerung: "Dann müssen wir eben die anderen Jungs entwickeln, damit sie besser werden. Es wäre gut, wenn sie bis September viele Spiele machen." Dann steht mit der ersten Partie gegen Verfolger Irland die drittletzte EM-Qualifikationspartie an.

Werden Amiri und Dahoud ihrer Führungsrolle gerecht?

Es wird dann unter anderem spannend zu sehen sein, ob Amiri und Dahoud ihren neuen Führungsrollen besser gerecht werden. Sie leisteten beim EM-Triumph ihren Beitrag, bringen fußballerisch alle Voraussetzungen mit und spielen auch in ihren Klubs keine unwichtigen Rollen. Amiri lieferte beim 3:0 gegen Israel per Ecke eine Vorlage, ließ sich aber zu einer Tätlichkeit provozieren, die zu seinem Glück nur mit Gelb geahndet wurde. Im Kosovo war er anfangs sehr engagiert, seinen Aktionen fehlte jedoch der Ertrag. Auch Dahoud verzeichnete gegen Israel einen Assist, aber vor allem im Kosovo geriet sein Spiel zu wenig zielstrebig. Statt in einem von ihm eingeleiteten Angriff für den zweiten Ball präsent zu bleiben, ging er vorwurfsvoll einen Gegenspieler an, der im zuvor leicht in die Parade gefahren war. Und in einer der aussichtsreichsten Schussgelegenheiten des Spiels versprang ausgerechnet dem Super-Techniker der Ball, die Chance war dahin.

Kuntz wollte aber keine Erwartungen formulieren, sondern nahm das Duo in Schutz: "Beide haben in ihren Vereinen noch keine festen Positionen gefunden. Im Sommer 2017 war Nadiem ein Shootingstar in Hoffenheim und Mo ist als Shootingstar nach Dortmund gewechselt. Jetzt kommt der nächste Entwicklungsschritt. Nadiem ist nicht mehr nur das Talent aus dem eigenen Klub, man hat jetzt auch an Ansprüche an ihn." Auch Dahoud müsse sich beim BVB noch etablieren.

Im Herbst sind keine weiteren Schwächen erlaubt

Abschließend sah Kuntz die nach dem 1:3 in Norwegen im Oktober 2017 vergebenen EM-Quali-Punkte vier und fünf nicht als dramatisch an. "Die Tabellenführung bleibt, das war das primäre Ziel. Wir hätten uns ein bisschen mehr Sicherheit holen können für September. Letztlich war aber klar, dass die Spiele gegen Irland und das Rückspiel gegen Norwegen entscheiden werden. Daran hat sich nichts geändert." Der Herbst, das weiß auch Kuntz, erlaubt keine weiteren Schwächen mehr. Dann sollten vor allem auch die Offensivspieler sich mit einer besseren Leistung bei ihrem Trainer für dessen Schutzmantel revanchieren.

Carsten Schröter