kicker

Wie José Mourinho zum Favoriten für die erste Premier-League-Trainerentlassung wurde

Wie Mourinho Favorit für die erste Trainerentlassung wurde

"Ein wunderschönes Baby, voller Gesundheit, Gott sei Dank!"

Das merkwürdige dritte Jahr - wird es José Mourinho wieder zum Verhängnis?

Das merkwürdige dritte Jahr - wird es José Mourinho wieder zum Verhängnis? picture alliance

Es ist die alte José-Mourinho-Legende: Gilt es von Problemen abzulenken, von Niederlagen, taktischen Fehlern, falschen Aufstellungen, zettelt er ein wohlüberlegtes mediales Gefecht an, bei dem wahlweise andere Trainer anvisiert werden, Schiedsrichter oder eben Unicef . Hauptsache, die Mannschaft ist geschützt; er selbst, "The Special One", hält die Folgen schon aus.

Doch falls das wirklich mal seine Masche war, dann hat er sie verlernt. Dass Mourinho knapp zwei Wochen vor der neuen Premier-League-Saison einmal mehr über alles und jeden schimpft und jammert , lenkt von keinem Problem ab - es ist das Problem. Er schützt seine Mannschaft nicht - er verspottet sie. Den Buchmachern zufolge wird die erste Trainerentlassung 2018/19 bei Manchester United stattfinden.

Spielersteckbrief Martial
Martial

Martial Anthony

Trainersteckbrief Mourinho
Mourinho

Mourinho José

Nach dem Liverpool-Test stieß Mourinho so vielen Leuten vor den Kopf wie nie

Nach der 1:4-Testspielniederlage gegen Liverpool , die ihm "rein gar nichts gegeben" habe, stieß Mourinho binnen weniger Minuten so vielen Menschen aus dem United-Kosmos vor den Kopf, wie es selbst ihm zuvor noch nicht gelungen war. Er übertraf sich gewissermaßen selbst.

Für das Spiel, zu dem über 100.000 Fans gekommen waren, hätte er kein Geld ausgegeben, sagte er - ein Affront gegen den eigenen Anhang in Übersee und die ganze Marketing-Abteilung, von deren jahrelangem Erfolg letztlich auch Mourinhos Millionengehalt finanziert wird. Vize-Klubvorstand Ed Woodward setzte er öffentlich unter Druck, indem er ausplauderte, diesem schon vor Wochen eine Liste von fünf Wunschspielern ausgehändigt zu haben, von denen er wohl nur noch mit Glück einen bekäme.

Wir spielen hier nicht, um die Mannschaft, unsere Dynamik oder unsere Abläufe zu verbessern, sondern um zu überleben!

José Mourinho

Während Jürgen Klopp oder Pep Guardiola bei ihren Sommerreisen betonten, wie viel Spaß die Arbeit mit den Jungspunden mache, erklärte Mourinho: "Soll Alexis Sanchez etwa glücklich über die (jungen) Spieler um ihn herum sein? Wir spielen hier nicht, um die Mannschaft, unsere Dynamik oder unsere Abläufe zu verbessern, sondern um zu überleben!"

"Josés Stimmung verdirbt die ganze US-Tour", heißt es im Umfeld angeblich

Die Verfassung seines Vizekapitäns Antonio Valencia verspottete er mit dem Hinweis, es sei wohl "zu viel Urlaub für ihn" gewesen. Und der abgereiste Anthony Martial, stolzer Jungvater mit 22 Jahren, "hat jetzt sein Baby, und jetzt, wo es da ist - ein wunderschönes Baby, voller Gesundheit, Gott sei Dank -, sollte er wieder hier sein, ist es aber nicht".

Was treibt Mourinho an? Schon während seiner Amtszeit in Madrid und seiner beiden beim FC Chelsea hatte er jeweils in seinem dritten Jahr sportlich und verbal die Kontrolle verloren, könnte man sagen. Er hatte merkwürdige Nebenschauplätze eröffnet, die er dann nicht mehr schließen konnte. Irgendwas nutzte sich immer ab. Diesen Sommer stehen die Bosse offenbar weiterhin hinter ihm, auch wenn es bei Weitem nicht die ersten Risse sind, die sich da auftun , und der englische Boulevard anonyme Stimmen aus dem United-Umfeld zitiert, wonach "Josés Stimmung die ganze US-Tour" verderbe und alle unter ihr zu leiden hätten.

Die Konkurrenz ist enthusiastisch, der Vizemeister schlecht gelaunt

Will Mourinho vorbauen, falls der Saisonstart nach dieser holprigen Vorbereitung schiefgehen, falls Manchester City in dieser Saison erneut auf 19 Punkte davonziehen sollte? Will er die Erwartungen dämpfen, die da lauten, nach der Vizemeisterschaft diesmal bitteschön wieder um den Titel mitzuspielen? Oder hat er einfach nur schlechte Laune und gar kein Interesse mehr daran, sie zu verbergen oder zumindest zu etwas Positivem zu nutzen?

Während die Konkurrenz um ManCity (jetzt auch noch Mahrez!), Liverpool (Toptransfers!), Tottenham (neues Stadion!), ja sogar Arsenal (endlich Umbruch!) der neuen Saison freudig entgegenblickt, ist bei United von Enthusiasmus nichts zu spüren. Nach der besten Platzierung seit 2013 sollte er eigentlich wieder hier sein, ist es aber nicht.

Jörn Petersen