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José Mourinho contra Antonio Conte: Chronik einer Eskalation - Der unglaubliche "Krieg der Worte" zwischen dem Manchester-United- und dem Chelsea-Trainer

Der unglaubliche "Verbal-Krieg" zweier Premier-League-Trainer

Mourinho contra Conte: Chronik einer Eskalation

Links ein "kleiner Mann", rechts ein "Clown": Diesen Doppelschal würde weder Mourinho (l.) noch Conte (r.) jemals tragen.

Links ein "kleiner Mann", rechts ein "Clown": Diesen Doppelschal würde weder Mourinho (l.) noch Conte (r.) jemals tragen. picture alliance

Es ist ja schon verrückt: José Mourinho liefert sich mit Antonio Conte einen verbalen Schlagabtausch, der in Fußballeuropa seinesgleichen sucht, und schafft es dabei, den Namen "Antonio Conte" kaum zu erwähnen. Er ist halt Profi, er hat in seiner Laufbahn schon viele Trainer beleidigt . Doch die Leidenschaft, mit der er, der Trainer von Manchester United, und Conte, der Trainer des FC Chelsea, sich seit Tagen ineinander verbissen haben, ist selbst für "The Special One"-Verhältnisse ziemlich speziell. Aber der Reihe nach! Bevor Clown-, Spielmanipulations- und Demenz-Vorwürfe ausgetauscht wurden, bauten Mourinho und Conte ihre Feindschaft behutsam auf. Die Chronik einer Eskalation:

23. Oktober 2016: Ein Satz, der heute Lachtränen fließen lässt

Mourinho kehrt erstmals als ManUnited-Trainer an Chelseas Stamford Bridge zurück und kassiert beim 0:4 seine höchste Niederlage als Premier-League-Trainer. Beim finalen Handshake gibt er Conte noch ein paar Worte mit auf den Weg: "So feiert man nicht ein Tor zum 4:0, das kannst du machen, wenn das 1:0 fällt", soll Mourinho auf Italienisch gesagt haben. Hat er? Conte dementiert nicht ("Ich weiß, wie ich mich auf dem Feld zu verhalten habe, hege für jeden größten Respekt"), Mourinho sagt: "Ihr kennt mich. Ich rede mit Conte, nicht mit euch. Was zwischen mir und Antonio ist, bleibt unter uns." Ein Schlusssatz, der aus heutiger Sicht Lachtränen fließen lässt.

Premier League - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Manchester City Manchester City
62
2
Manchester United Manchester United
47
3
FC Chelsea FC Chelsea
46
Trainersteckbrief Mourinho
Mourinho

Mourinho José

Trainersteckbrief Conte
Conte

Conte Antonio

29. Juli 2017: Mourinhos haariger Konter

Chelsea ist souverän Meister geworden, United Sechster. Und Conte, der immer betont, über andere Trainer oder Spieler nicht reden zu wollen, sagt: "Wir wissen um die Schwierigkeit der nächsten Saison, und ganz bestimmt wollen wir eine Mourinho-Saison vermeiden . Vor zwei Jahren ist dieses Team (mit Mourinho, d.Red.) Zehnter geworden." Mourinhos Reaktion zwei Tage später - eine seltsame Metapher: "Ich könnte darauf auf verschiedene Weise antworten. Aber ich werde nicht mein Haar darüber verlieren, über Antonio Conte zu sprechen." Conte unterzog sich nach seiner Profikarriere einer Haartransplantation.

Wie heißt das? Senile Demenz. Wenn du alles komplett vergisst. Dann musst du dir Sorgen machen, denn es bedeutet, dass du alt wirst und dich untersuchen lassen solltest.

Antonio Conte

18. Oktober 2017: Conte fällt auf Mourinhos Stilmittel herein

Nachdem Conte über Chelseas personelle "Notlage" geklagt hat, sieht Mourinho die Chance für ein bewährtes Stilmittel. Er spricht nicht über Conte, sondern davon, dass "andere Manager weinen und weinen und weinen" - und es klappt: Ein Medienvertreter konfrontiert Conte mit der diffusen Stichelei, der Italiener lässt sich zu einer Antwort hinreißen. "Sollte er mich gemeint haben, dann sollte er lieber anfangen, auf sich und sein Team zu schauen. Ich finde, dass sich Mourinho sehr oft darauf konzentriert, was bei Chelsea passiert, auch letzte Saison schon." Mourinho nutzt seinen kleinen Trick bald erneut.

4. Januar 2018: Mourinhos Clown-Falle

"Bloß weil ich mich nicht wie ein Clown an der Seitenlinie aufführe, bedeutet das nicht, dass ich meine Leidenschaft verloren habe. Man muss sich nicht wie ein Verrückter aufführen, um ein guter Trainer zu sein", wehrt sich Mourinho gegen Gerüchte, er bereite bereits seinen Abschied im Sommer vor. Von Conte spricht er nicht, doch - ob er es wollte oder nicht - jeder hat bei Mourinhos Bild gleich den italienischen Irrwisch im Kopf. Und die Falle schnappt ein zweites Mal zu.

5. Januar 2018, Vormittag: Conte spricht über Demenz

Conte zeigt erneut, dass er mit sich spielen lässt, ein englischer Journalist leistet seinen Beitrag dazu: Er behauptet bei Chelseas Pressekonferenz sinngemäß, Mourinho habe Conte mit einem Clown verglichen, und wieder vergisst Conte, dass er ja eigentlich nicht über Kollegen sprechen will. "Er hat wohl über sich in der Vergangenheit gesprochen, oder?", kontert Conte; jeder kennt schließlich die Szenen, wie Mourinho auf den Knien die Stamford Bridge entlangrutscht oder mit triumphierendem Fingerzeig durchs Camp Nou rennt. "Manchmal vergessen Leute, was sie mal gesagt oder gemacht haben. Wie heißt das? Senile Demenz. Wenn du alles komplett vergisst. Dann musst du dir Sorgen machen, denn es bedeutet, dass du alt wirst und dich untersuchen lassen solltest." Chelsea betont später, Conte habe eigentlich "Amnesie" gemeint, doch das machte es auch nicht viel besser. Der Streit eskaliert.

José Mourinho und Antonio Conte

Und die Falle schnappt zu: Antonio Conte (r.) fiel schon öfter auf José Mourinhos Tricks herein. picture alliance

5. Januar 2018, Nachmittag: Mourinhos kinoreife PK mit großem Finale

Er sei niemand, der seine Pressekonferenz zu einem Kinofilm mache, sagt Conte noch; Mourinho zeigt wenige Stunden später, dass er da anders tickt. Erst gibt er sich als Conte-Kumpel und fordert die Presse theatralisch dazu auf, sich beim Chelsea-Trainer zu entschuldigen: Sie habe dessen "unkontrollierte Reaktion" verursacht, und "ich kann diese verstehen", sagt Mourinho. "Ich will diese Geschichte so beenden: Ja, ich habe früher Fehler an der Seitenlinie gemacht, und ja, ich werde in Zukunft weniger, aber immer noch ein paar machen. Aber was mir nie passiert ist und was mir nie passieren wird, ist, dass ich wegen Spielmanipulation gesperrt werde." Boom!

6. Januar 2018: Diesmal kommt Conte bewaffnet

Conte, von Mourinho namentlich wieder nicht genannt, hatte im August 2012 eine viermonatige Sperre angetreten, weil er als Siena-Trainer 2010/11 Bestechungsversuche gegen sein Serie-B-Team dem Verband nicht gemeldet haben soll, 2016 wurde er von den Vorwürfen komplett freigesprochen. Allein deshalb musste er auf Mourinhos zusammenhanglosen Frontalangriff reagieren. Conte also über Mourinho, und zwar in jedem Interview, das er nach Chelseas FA-Cup-Spiel gibt: "Er war in der Vergangenheit ein kleiner Mann, er ist in der Gegenwart ein kleiner Mann und er wird mit Sicherheit in der Zukunft ein kleiner Mann sein." Conte kommt diesmal bewaffnet zum "Krieg der Worte", von dem in den englischen Medien längst die Rede ist.

You are fake!

Antonio Conte über José Mourinho

Denn ohne gefragt worden zu sein, erzählt Conte auch noch, wie Mourinho einst nach Claudio Ranieris Entlassung in Leicester Anfang 2017 mit mitfühlendem "CR"-Kürzel auf dem T-Shirt zur Pressekonferenz erschienen war - obwohl er sich 2008 noch über dessen Englisch lustig gemacht hatte. "You are fake!", schimpft Conte. "Du bist ein Schwindler!"

Nun ist die Frage nicht, ob Mourinho darauf reagiert, sondern wann und wie. Das Schöne: Am 25. Februar trifft Manchester United auf Chelsea, mal sehen, ob Mourinho und Conte sich dann wenigstens körperlich unversehrt gegenüberstehen. "Wir können uns gerne in einem Raum treffen, nur er und ich, von Angesicht zu Angesicht", sagt Conte. "Ich bin bereit. Ich weiß nicht, ob er es auch ist." Man wird es sicher bald erfahren.

Jörn Petersen