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Prinzip "lange Leine" führt zur Sensation

Witz und Wein: Wie Ranieri Leicester glücklich macht

Großvater des Erfolgs: Claudio Ranieri, seit 13. Juli Trainer bei Leicester City.

Großvater des Erfolgs: Claudio Ranieri, seit 13. Juli Trainer bei Leicester City. picture alliance

Es sollte wohl ein Kompliment sein, was Christian Fuchs da vor einigen Tagen dem "Observer" sagte. "Für einen Italiener", beschrieb Leicesters Linksverteidiger Claudio Ranieri, "ist er sehr lustig." Dass sich ein Spieler seinen Trainer in aller Öffentlichkeit so zu necken traut, liegt erst in zweiter Linie daran, dass Fuchs Österreicher ist. In erster liegt es an Ranieri selbst.

Dieser gemütliche 64-Jährige lädt seine Profis zum Pizzabacken ein , kommt zu ihren Geburtstagspartys, gibt nichts auf ihre Essgewohnheiten - und dafür lieben sie ihn. Wie einen Großvater, der seinen Enkeln heimlich Süßigkeiten zusteckt und bei dem sie fernsehen dürfen, so lange sie wollen. Ranieri ist der grauhaarige Beleg dafür, dass das Prinzip "lange Leine" funktionieren, ja sogar der Schlüssel sein kann. Vor jeder Pressekonferenz begrüßt er alle anwesenden Journalisten per Handschlag.

Ranieris Handschrift ist erkennbar, schwungvoll, aber leserlich

Natürlich versteht Ranieri auch eine Menge vom Fußball. Die Art, wie Leicester verteidigt - die Innenverteidiger halten ihre Position, egal, was auf den Flügeln passiert -, wie Leicester kontert, wie Leicester Gegner jagt: Ranieris Handschrift ist erkennbar, schwungvoll, aber leserlich. Nur deswegen war Leicester, der Fast-Absteiger von 2015, so beständig gut.

Nur 23 Spieler setzte Ranieri in dieser Saison ein. Verletzungen waren dieser Mannschaft fremd, niemand, auch nicht Mittelfeld-Dauerläufer N'golo Kanté, wirkte in der finalen Saisonphase müde. Dabei ist es Ranieri egal, ob seine Spieler mal zum Burger oder zum Rotwein greifen; solange sie für ihn rennen, dürfen sie essen und trinken, was sie wollen.

Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich gekommen war. Ich denke, es gibt nicht allzu viele Trainer, die da aufgetaucht wären.

Fuchs über Ranieris Besuch bei seiner Geburtstagsparty

Fuchs' inzwischen schon legendäre Geschichte, dass Ranieri zweimal zu seinem 30. Geburtstag kam, weil er sich die Einladung nicht sorgfältig durchgelesen hatte und deshalb einen Tag zu früh verwundert und alleine im Restaurant stand, endet nicht umsonst mit den Worten: "Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich gekommen war. Ich denke, es gibt nicht allzu viele Trainer, die da aufgetaucht wären. Und er lächelte, genoss die Party und kümmerte sich nicht darum, dass ich ein oder zwei Gläser Rotwein trank."

Ranieris Sprache ist einfach, aber wirkungsvoll - so wie Leicesters Fußball

Diese Wärme, dieser Spaß gehört fest zu Leicesters Erfolgsgeschichte, die jetzt vorläufig zu Ende erzählt ist, Fortsetzung offen. Und sie gehört fest zu Ranieri, der im vergangenen Sommer auf Spieler traf, die seine Gutmütigkeit nicht ausnutzten, sondern als Antrieb begriffen. Auch wenn sie nicht jede Eigenheit sofort verstanden. "Jeden Tag", erzählt Fuchs, "fragt mich Claudio: 'Oh, du auch hier?' Ich weiß nicht, warum er das sagt, aber das ist seine Art von Humor."

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Zumindest auf Englisch, mit dem sich der Römer Ranieri auch in seinem fünften Premier-League-Jahr (von 2000 bis 2004 trainierte er Chelsea) noch ziemlich schwer tut. Er sagt Dinge wie "Dilly Ding Dilly Dong!" oder nennt Torjäger Jamie Vardy "fantastisches Pferd". Seine Sprache ist einfach, aber wirkungsvoll, genau wie Leicesters Fußball. Lange redete Ranieri nur vom Klassenerhalt, vor zwei Wochen noch nur von der Champions-League-Qualifikation; und auch das nur, weil er halt irgendwas auf die Fragen antworten musste.

Er musste nach Leicester kommen, um erstmals Meister zu werden

Viermal nur Vize, als griechischer Nationaltrainer 2014 krachend gescheitert - als Ranieri vor der Saison in den Eeast Midlands ankam, seiner 16. Trainerstation, galt er als ewiger Verlierer. Er trainierte schon Chelsea und den AS Rom, Juventus und Valencia, doch er musste zu Abstiegskandidat Leicester gehen, um erstmals Meister zu werden. Auch das gehört zu diesem Märchen.

Und jetzt? "Ich hoffe, sie geben mir noch einen langen Vertrag, so über sechs oder sieben Jahre", sagte Ranieri im April im kicker-Interview . "Und dann beende ich meine Karriere hier."

Jörn Petersen

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