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"Silencio total" statt Party: Ist Messi der Unvollendete?

Zum Rücktritt der Superstars aus der Nationalmannschaft

"Silencio total" statt Party: Ist Messi der Unvollendete?

Geht ungekrönt von Bord: Lionel Messi bleibt mit Argentinien ohne wichtigen Titel.

Geht ungekrönt von Bord: Lionel Messi bleibt mit Argentinien ohne wichtigen Titel. Getty Images

Der Kapitän und Weltfußballer trat zurück aus der Nationalmannschaft. Mit 29, erst in der Finalwoche hatte er Geburtstag gehabt, die Feier sollte nach dem Finale steigen. Stattdessen: Grabesstille.

"Papa, gehst du wieder zum Tor?", so werde er von seinem kleinen Sohn Thiago gefragt, wenn er sich auf den Weg mache zur Arbeit. Messi sagte das im Dezember, als er zum sechsten Mal in Folge zum besten Spieler der Primera Division in Spanien ausgezeichnet worden war. Trotz des großen Konkurrenten Cristiano Ronaldo. Mit Barça gelingt ihm ja alles.

Spielersteckbrief Messi
Messi

Messi Lionel

Argentinien - Die letzten Spiele
Costa Rica Costa Rica (H)
3
:
1
El Salvador El Salvador (H)
3
:
0
FC Barcelona - Die letzten Spiele
Real Madrid Real Madrid (A)
3
:
2
Paris St. Germain Paris SG (H)
1
:
4
Argentinien - Vereinsdaten
Argentinien

Gründungsdatum

01.01.1893

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FC Barcelona - Vereinsdaten
FC Barcelona

Gründungsdatum

29.11.1899

Vereinsfarben

Blau-Rot

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Und mit Argentinien? Olympiasieger 2008 wurde er und U-20-Weltmeister 2005 in den Niederlanden, als damals neuer Stern am Himmel. Selbst Kollege Sergio Aguero hatte ihn damals im Vorfeld des Turniers nicht gekannt. Hat Aguero selbst zugegeben.

Copa America Centenario

Doch dann ging die Weltkarriere los.

113 Länderspiele machte Messi, bei der Copa America Centenario, der zum 100. Geburtstag der ersten Copa America 1916 in Argentinien, die damals Uruguay gewann, jagte er mit seinem 55. Treffer in himmelblau-weiß noch schnell Gabriel "Batigol" Batistuta den Torrekord in der "Albiceleste" ab.

Einmal mehr fehlt das große Team

Messi spielte eine gute Copa America, keine überragende, da sind sich die Betrachter einig. Musste er auch nicht gegen Gegner wie Panama oder die USA. Und dennoch lobten ihn die Kolumnisten: Mit dem Bart sei auch die Statur des Kapitäns gewachsen. So wie bei Barcelona, wo er sich in den letzten Jahren ja weiterentwickelte und von einem Torjäger der Luxusklasse zu einem spielmachenden Angreifer reifte, der den Abschluss aber nicht verlernt hat. Doch die Albiceleste ist nicht Barça, im Finale von Sonntagnacht fehlte dem großen Meister zum großen Coup einmal mehr das große Team. Wenngleich er mit seinem Fehlschuss gleich zu Beginn des Shoot-out selbst entscheidend zur erneuten Enttäuschung beitrug.

In Berlin, 2006, gegen Deutschland saß er auf der Bank, die Beine ausgestreckt. José Pekerman hatte ihn damals im Viertelfinale nicht eingesetzt gegen Deutschland, was viele Fußballfans am Rio de la Plata dem Trainer, am Samstag mit Kolumbien Dritter der Copa geworden, ihr Leben lang nicht verzeihen. Ihre Argumentation: Mit Messi im Team hätte man vermutlich nicht nur Deutschland bezwungen ...

2010 in Südafrika verloren sich dann Argentinien und der da bereits etablierte Topstar dann bar jeder Taktik im Chaos des Nationaltrainers Diego Maradona. Genau der hatte vor zwei Wochen, eher ungewollt, eine Debatte angestoßen: Messi fehle es an Persönlichkeit, "Persönlichkeit, um ein Leader zu sein", hatte der Weltmeister von 1986 bei einem Marketing-Termin zu Pelé geunkt, dabei aber die Mikrofone in der Nähe übersehen. Cesar Luis Menotti widersprach dem umgehend und stützte den Weltfußballer, setzte Maradonas Aussage in einen soziokulturellen Aspekt: hier der Straßenkämpfer Maradona, dort der in Barcelona sozialisierte Exil-Argentinier.

Messi, der Unvollendete?

Der hat Maradona an Titeln und Toren längst um Längen überholt, nur der eine fehlt auch nach der Niederlage gegen Chile: der mit Argentinien. Messi der Weltbeste, will ihm nicht mehr hinterherjagen. Ist er damit der Unvollendete? Der Ausnahmekönner, der den modernen Fußball prägte wie kaum ein anderer?

In den USA, wo prinzipiell alles möglich scheint, wurde Maradona bei der WM 1994 des Dopings überführt. Die FIFA habe ihm "die Beine abgeschnitten", jammerte der Sünder, der nie ein Büßer war, damals. In den USA, wo prinzipiell alles möglich ist, vergab Messi 2016 einen Elfmeter. Mehr war es nicht. Er trat daraufhin zurück. Das muss ihm gestattet sein. Alles andere wäre Erbsenzählerei. Dann doch lieber: "Silencio total."

Jörg Wolfrum

Wunderkind, Sololäufer, Titelsammler: Lionel Messi