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Mit Biss und ohne Biss: Uruguay strebt auf - Die Celeste und die große Sehnsucht vor dem Jubiläum

Die Celeste und die große Sehnsucht vor dem Jubiläum

Mit Biss und ohne Biss: Uruguay strebt auf

"El Pistolero" und "El Matador": Die beiden Stürmer-Stars Luis Suarez und Edinson Cavani sollen Uruguay bei der WM weit tragen.

"El Pistolero" und "El Matador": Die beiden Stürmer-Stars Luis Suarez und Edinson Cavani sollen Uruguay bei der WM weit tragen. Getty Images

Der Stolz der Celeste blüht mit Cea auf

2379 Tore sind bei Weltmeisterschaften bislang gefallen. Fünf Treffer entfallen dabei auf einen gewissen José Pedro Cea. Jener Cea hat seinem Land Uruguay den heute noch prägenden Fußballstolz in die Brust gejagt. Denn der uruguayische Held führte seine Farben im WM-Halbfinale gegen Jugoslawien mit einem Dreierpack zum 6:1, ehe er im WM-Finale 1930 in Montevideo, angepeitscht von 80.000 fanatischen Anhängern, nach 1:2-Rückstand gegen Argentinien den Siegeszug einleitete. Uruguay sollte 4:2 gewinnen und sich zum ersten Weltmeister der Fußball-Geschichte krönen - das alles nach den erfolgreichen und mit Titeln abgeschlossenen olympischen Spielen 1924 und 1928.

Weltmeisterschaft - Vorrunde, 1. Spieltag
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3
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Kurzum: Die Hauptstadt des Fußballs, sie lag damals in Uruguay. Die mit "La Celeste", die Himmelblaue, betitelten Südamerikaner, in den folgenden Jahrzehnten oftmals von den Nachbarländern Brasilien, Argentinien oder europäischen Größen in den Schatten gestellt, war damals auch dank Cea (insgesamt 13 Tore in 27 Länderspielen) eine Fußballmacht.

Schiaffino, oder einfach: "El Maracanazo"

Breit ist die Brust auch heute noch im kleinen Land, das nur knapp über drei Millionen Einwohner und damit weniger als Berlin fasst, idyllisch am Atlantischen Ozean liegt - und eben bekannt für Fußballexporte ist. Dafür gesorgt hat auch der WM-Titel 1950 , als ausgerechnet im Nachbarland Brasilien nach einem knappen 2:1 am 3. Spieltag der Finalrunde eben gegen die rivalisierte Seleçao die Trophäe in die Luft gestreckt werden konnte. Der Held in jenen Tagen: Juan Alberto Schiaffino . Der ehemalige Milan-Stürmer und Angreifer der Roma gilt für viele trotz eines José Leandro Andrade (WM-Sieger 1930) oder Enzo Francescoli (dreimaliger Sieger bei der Copa America) als bester uruguayischer Spieler aller Zeiten.

Juan Alberto Schiaffino im WM-Finale 1950

Unvergessen: Uruguays Nationalheld Juan Alberto Schiaffino trifft im WM-Finale 1950 knallhart gegen Brasiliens Torwart Barbosa. Getty Images

Nachdem Schiaffino in der Vorrundenbegegnung gegen Bolivien bereits vier Tore beim 8:0-Sieg erzielt hatte, kam am 16. Juli 1950 sein großer Tag: Mit schier unglaublicher Geschwindigkeit schoss "Pepe" im Finale gegen Brasilien eines der berühmtesten Tore der Fußballgeschichte. Die nächste Euphoriewelle schwappte durchs Land - und Schiaffino, Sohn eines italienischen Vaters und einer paraguayischen Mutter, wird seitdem von seinen Fans in Anspielung auf den Ort dieses Fußballwunders, dem Maracana-Stadion in Rio de Janeiro, einfach nur "El Maracanazo" genannt.

Nebenan in Brasilien gilt der in Italien mit dem Beinamen "Gott des Fußballs" bedachte Uruguayer, der 1954 übrigens für die damalige Weltrekordsumme und heutzutage spottbillig anmutende Ablöse von 72.000 englischen Pfund zu Serie-A-Traditionsklub Milan wechselte, derweil bis heute als einer der Hauptschuldigen für die bittere Pleite.

Zwei vierte Plätze

Mit "Pleiten" musste Uruguay in der Zwischenzeit allerdings auch selbst klarkommen. Denn die automatisch durch die zwei WM-Titel geschürten Erwartungen konnten seither nicht immer erfüllt werden: Zu mehr als drei vierten Plätzen (1954 in der Schweiz, 1970 in Mexiko, 2010 in Südafrika) reichte es nicht, vielmehr verfehlte die Celeste die Teilnahmen 1958, 1978, 1982, 1994, 1998 und 2006 bei der WM in Deutschland.

Verehrt wird die Nationalmannschaft aber weiterhin im eigenen Land - was einfach am fußballerischen Naturell liegt: La Celeste um aktuelle Abwehrrecken wie Diego Godin, José Maria Gimenez (jeweils Atletico Madrid), Martin Caceres (Lazio Rom) oder Maxi Pereira (FC Porto) rennt, kämpft, ackert, wirft sich in schier jeden Zweikampf, lässt sich nichts gefallen. Dieses teils beinharte Verteidigen, was immer mal wieder an der Grenze zum tatsächlich Erlaubten wandelt, reißt die frenetischen Fans aktiv mit.

"El Matador" und "El Pistolero"

Und trotzdem ist Uruguay auch zu Schönheit fähig. Dafür sorgt neben vielversprechenden Mittelfeldspielern wie Diego Laxalt (CFC Genua), Matias Vecino (Inter Mailand) oder auch Talent Rodrigo Bentancur (Juventus Turin) natürlich in erster Linie das fantastische Sturmduo - bestehend aus "El Matador" Edinson Cavani (Paris Saint-Germain) und "El Pistolero" Luis Suarez (FC Barcelona).

Giorgio Chiellini (links) und Luis Suarez

Der "Biss": Giorgio Chiellini (links) zeigt nach der Attacke von Luis Suarez seine Schulter. Getty Images

Letzterer fiel vor vier Jahren einmal mehr negativ auf: Bei der WM 2014 während des Gruppenspiels gegen Italien ( 1:0 ) biss der Barça-Star seinen Gegenspieler Giogio Chiellini in die Schulter - was sogar zu einem FIFA-Eintrag ins Regelbuch führte. Denn im von den Regelhütern des International Football Association Board (IFAB) beschlossenen Werks ist in Regel 12 inzwischen als Erweiterung zu finden, dass ab sofort Bisse mit allen anderen Vergehen gleichzusetzen sind, die mit direktem Freistoß und Platzverweis geahndet werden.

Ich werde rennen, attackieren, mich auch streiten - aber moderater, eben so wie ich es bei Barcelona tue.

Luis Suarez

Jener Biss reihte sich obendrein ein in einige Aufschreie, für die Suarez in seiner sportlich erfolgreichen Karriere so gesorgt hat: Als 16-jähriger Jugendspieler bei Nacional Montevideo attackierte Suarez einst im November 2003 einen Schiedsrichter mit einem Kopfstoß, der eine stark blutende Verletzung verursachte. 2010 spielte Suarez im Viertelfinale gegen Ghana kurz vor Schluss auf der Torlinie absichtlich Hand, Asamoah Gyan verschoss nach der Roten Karte den fälligen Strafstoß (120.+2) - und Uruguay kam nach einem 4:2 i.E. ) weiter. 2010 (gegen Otman Bakkal) und 2013 (gegen Branislav Ivanovic) fiel er zudem auf mit weiteren Beißattacken, die für Strafen und Empörung sorgten.

Zusammen mit seinem kongenialen Sturmpartner Cavani (42 Tore in 101 Länderspielen) hat sich Suarez, der bei 51 Treffern in 98 Einsätzen für seine Heimat steht, aber inzwischen rehabilitiert. Aussagen wie "Ich werde rennen, attackieren, mich auch streiten - aber moderater, eben so wie ich es bei Barcelona tue" untermauern seine offenbar geläuterte Art. Genauso wie: "Ich bin mir selbst und Uruguay Wiedergutmachung schuldig, um ein gutes Bild abzugeben." Seine damalige "Biss-Strafe" von der FIFA - viermonatiger Ausschluss von allen fußballbezogenen Aktivitäten einschließlich eines weltweiten Stadionverbots sowie zusätzlich eine Sperre für neun offizielle Länderspiele nebst Geldstrafe in Höhe von 100.000 Schweizer Franken - ist längst abgesessen. Und so startet Suarez mit seinen Nationalmannschaftskollegen einen neuen Anlauf, WM-Geschichte wiederholen zu lassen.

Unser Traum ist es, Weltmeister zu werden.

Uruguays Kapitän Diego Godin

Oder in Worten von Kapitän Godin: "Uruguay ist ein sehr harter Gegner für jede Mannschaft. Wir sind defensiv solide und kraftvoll im Angriff. Unser Traum ist es, Weltmeister zu werden." Auch Ex-Nationalspieler Diego Forlan sieht "ein Team, das sich vor keinem Gegner zu verstecken braucht. Die meisten wollen uns am liebsten aus dem Weg gehen. Für uns fühlt sich das gut an."

Ist der Trainer der Schlüssel?

Oscar Washington Tabarez

Fußballerisch für das Land Uruguay verantwortlich: Oscar Washington Tabarez. Getty Images

Wie sehr Uruguay große Kontrahenten ärgern kann, hat sich immer wieder gezeigt - zuletzt in der WM-Qualifikation Südamerikas, als man sich hinter den souveränen Brasilianern überraschend Platz zwei sicherte - noch vor den wesentlich höher gehandelten Argentiniern um Superstar Lionel Messi, vor Kolumbien und vor Südamerika-Meister Chile, der die WM am Ende sogar verpasste.

Meister des Erfolgs ist dabei Oscar Washington Tabarez, der 2006 das Amt des Nationaltrainers übernommen hatte und Uruguay seither wieder auf Kurs brachte. Bei Länderspielen steht Tabarez zwar kaum mehr an der Seitenlinie - er leidet an einer Erkrankung des peripheren Nervensystems, geht auf Krücken oder muss sogar einen Rollstuhl benutzen. Doch "El Maestro" genießt Kultstatus, unter den Spielern nimmt der 71-Jährige eine Art Vaterrolle ein - vielleicht auch deshalb, weil sich der erfahrene Coach selbst nicht allzu wichtig nimmt. "Ich bin kein großer Trainer, nur die Spieler zählen", so nur ein Zitat des Altmeisters.

Ein anderes, das das Außenseiterdasein der Celeste in Südamerika unterstreicht: "Zum Glück rücken immer wieder neue Spieler nach, was fast einem Wunder gleicht. Denn für jedes Talent, das wir entdecken, zieht Brasilien zwölf oder 14 aus dem Hut. Das Gleiche gilt für Argentinien. Wir müssen unseren eigenen Weg gehen." Und vielleicht führt dieser Weg 2018 in Russland, wo es zunächst in Gruppe A gegen Ägypten, Saudi-Arabien und Gastgeber Russland geht, mal wieder weiter als der der beiden rivalisierten und höher eingeschätzten Nachbarn.

mag

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