Bundesliga

Fritsch: "Mosaiksteine wieder zusammenbringen"

Lilien nach Meier-Entlassung und Berndroth-Berufung

Fritsch: "Mosaiksteine wieder zusammenbringen"

Nahm Stellung zur aktuellen Darmstädter Situation: SV98-Präsident Rüdiger Fritsch.

Nahm Stellung zur aktuellen Darmstädter Situation: SV98-Präsident Rüdiger Fritsch. imago

Auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz nahm der Präsident des SV Darmstadt 98 im prall gefüllten Raum in den Stadionkatakomben fast 50 Minuten lang Stellung zur Beurlaubung von Cheftrainer Norbert Meier und Sportchef Holger Fach sowie der Berufung des eigenen Nachwuchskoordinators Ramon Berndroth zum Interimscoach.

Zunächst einmal entspreche die Freistellung von Trainer und Sportdirektor nicht der "selbst auferlegten Kultur" des Vereins, sagte Fritsch. Zwei Aspekte hätten für ihn und das restliche Präsidium nach vielen Gesprächen - auch einer langen Unterredung mit dem Trainerteam am Montagvormittag - dennoch den Ausschlag für eine solche Entscheidung gegeben.

Trainersteckbrief Berndroth
Berndroth

Berndroth Ramon

SV Darmstadt 98 - Vereinsdaten
SV Darmstadt 98

Gründungsdatum

22.05.1898

Vereinsfarben

Blau-Weiß

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Die Analyse der Mosaike

Einerseits die sportliche Situation mit sechs Pflichtspielniederlagen in Folge und dem Abrutschen auf den Abstiegsrelegationsplatz. "Fußball ist ein Ergebnissport und die Tabelle lügt nicht. Dieser Aspekt stand aber nicht im Vordergrund", sagte Fritsch. Dafür Punkt zwei, die Analyse der Mosaike einer funktionierenden Profi-Mannschaft. "Die einzelnen, kleinen Teile müssen bei uns noch mehr als bei anderen Klubs zusammenpassen", erklärte der 55-Jährige.

"Strukturelle Dinge" seien dem Trainerteam, das "äußerst engagiert und professionell" gearbeitet habe, nicht vorzuwerfen. An den Mosaiken hakte es also. Konkreter wollte Fritsch zunächst nicht werden: "Das geht in den Ein-Meter-Bereich und bleibt intern", sagte er und öffnete damit den Raum für Spekulationen. Wer nun in Richtung Mannschaftsführung, Kaderzusammenstellung und Spielweise denkt, liegt dabei wohl nicht ganz falsch. Angesprochen auf die im Gegensatz zur erfolgreichen vergangenen Saison fehlende klare Hierarchie innerhalb der Mannschaft, räumte Fritsch dann auch ein: "Da haben Sie einen Mosaikstein herausgearbeitet."

Fritsch: "Wir haben die Kaderqualität erweitert"

Ramon Berndroth

Ist nun gefragt - und soll die Lilien aufrichten: Darmstadts Interimstrainer Ramon Berndroth. imago

Gleichzeitig wollte er aber auch das wieder nicht zwingend dem Trainerteam anlasten. Es habe schließlich ein großer personeller Umbruch stattgefunden. "Wir haben die Kaderqualität erweitert. Im Misserfolg hat Norbert Meier versucht, etwas zu ändern und anderen eine Chance zu geben. Im letzten Jahr hat sich die Mannschaft auch deshalb oft von alleine aufgestellt, weil die Kaderqualität in der Breite nicht so vorhanden war."

In der Breite ist das Aufgebot also besser als das Team, das unter Dirk Schuster den Klassenerhalt schaffte? Mag sein, es kommt eben vor allem auf die Spitze an - sprich eine schlagkräftige Stammformation um die 15 Mann. Da sieht es im Vergleich zu 2015/16 eher nach dem Gegenteil aus. Ramon Berndroth muss nun jedenfalls mit dem bestehenden Kader auskommen, wird interimsmäßig wohl in den drei verbleibenden Spielen bis zur Winterpause an der Seitenlinie stehen.

Auf Berndroth wird vertraut

"Wir hatten nicht so viele Möglichkeiten. Er hatte diese Rolle in der Vergangenheit schon ein paar Mal übernommen. Wir trauen ihm das zu. Es ist ja auch eine Teamlösung mit ihm als Leiter", sagte Fritsch mit Verweis Berndroths Mitstreiter Kai Peter Schmitz (Athletiktrainer und Spielanalyst, schon unter Meier) und dem langjährigen Torwarttrainer Dimo Wache sowie Teammanager Michael Stegmayer. Eine mögliche Weiterbeschäftigung Berndroths über die Jahreswende hinaus schloss Fritsch aus: „Das ist definitiv nicht der Plan. Selbst wenn er aus den drei Spielen 15 Punkte holen würde."

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Während sich Berndroth und Co. damit beschäftigen, so viele Zähler wie möglich von den neun zu erreichenden einzufahren, müssen sich Fritsch und die Klubführung um die Suche nach neuen sportlich Verantwortlichen kümmern. Parallel gilt es zudem, die Verträge von Meier und Fach abzuwickeln. Dass Fach sein Schicksal an die Personalie des Cheftrainers knüpfte, sei für die Klubführung nicht überraschend gekommen. Deshalb wurde der Sportliche Leiter zunächst ebenso wie Meier beurlaubt.

Da aber ja nicht einfach ein Mitarbeiter sagen könne, er komme und arbeite nicht mehr, nur, weil ein anderer Mitarbeiter entlassen wurde, müsse die Personalie Fach "juristisch noch ausdiskutiert werden", informierte Rechtsanwalt Fritsch.

"Fanny hatte das Zeug, eine Darmstädter Ikone zu werden"

Dass auch Co-Trainer Frank Heinemann nach langem Überlegen seine Tätigkeit beenden wollte, war für Fritsch hingegen "sehr emotional und ein trauriges Ergebnis. Fanny hatte das Zeug, eine Darmstädter Ikone zu werden, mit seiner positiv orientierten Bochumer Art". Heinemanns Entscheidung, sich nicht vom einen auf den anderen Tag vom Unterstützer und Co-Trainer Meiers zum neuen Chef verwandeln zu wollen, empfand Fritsch letztlich aber als nachvollziehbar und sinnvoll. Zudem ist auch Efthimios Kompodietas, der als Assistent und "klarer Vertrauter von Meier für Spezialaufgaben" (Fritsch) unter anderem für Life-Kinetik-Training zuständig war, nicht länger bei den Lilien tätig.

Frank Heinemann (links) und Norbert Meier

Nicht mehr bei Darmstadt beschäftigt: Co-Trainer Frank Heinemann (links) und Norbert Meier. imago

Insgesamt reißt der vollzogene personelle Umbruch - für Meier wurde im Sommer ja zudem eine Ablöse im sechsstelligen Bereich an Arminia Bielefeld gezahlt - ein erhebliches Loch in die Vereinskasse. Fritsch: "Das ist nicht unerheblich, aber dafür gibt es auch Rückstellungen. Die müssen wir nun anpacken. Das löst keinen Jubelsturm bei den Finanzverantwortlichen aus, bringt uns aber nicht um. In jedem Fall begrenzt es weiter unsere Möglichkeiten."

Die spannende Frage: Wer wird Trainer?

Womit wir bei der Trainersuche wären. Eine weitere Ablösezahlung für einen Trainer sei daher "grundsätzlich keine Option", sagte Fritsch. Viel konkreter wollte er auch in diesem Thema zunächst nicht werden, bemühte dafür des Öfteren das Wort "ergebnisoffen". Ein paar Dinge ließ er sich aber dann doch wieder entlocken. "Wir haben gute Erfahrungen mit dem englischen Modell des Teammanagers gemacht", erinnerte er etwa an Erfolgstrainer Dirk Schuster, der nebenher auch noch die Aufgaben eines Sportchefs übernommen hatte.

SV Darmstadt 98

Nach sechs Pflichtspielniederlagen in Folge unter Zugzwang: der SV Darmstadt 98. imago

"Zudem sind wir immer gut damit gefahren, Dinge aus uns selbst heraus zu entwickeln. Leute außerhalb Darmstadts zu holen ist schwierig, besonders, wenn es zwei sind", machte er nebulöse Andeutungen. Einzig: Aus dem eigenen Stall drängt sich weder ein Trainer mit langfristiger Perspektive noch ein geeigneter Sportchef auf. Dann meinte Fritsch noch, dass sich ein geeigneter Kandidat auf die "einfachen Verhältnisse in Darmstadt" natürlich einlassen müsse. Arbeitertugenden seien daher eher gefragt als ein Fußballprofessor. Aber im komplexen Fußballgeschäft solle man sich lieber nicht von vorneherein beschränken, so Fritsch. Man darf gespannt sein, wie sie es lösen beim Verein, der laut Slogan "aus Tradition anders" sein will.

Erst einmal sollen "die berühmten neuen Impulse die Mosaiksteine wieder zusammenbringen", hofft Fritsch. "In Darmstadt funktioniert es nur als geschlossene Einheit. Das werden wir auch der Mannschaft mitteilen." Mal schauen, ob die vielen Phrasen und Metaphern des Präsidenten auch wirklich bei den Profis ankommen. Der erfolgreich ausgelebte Urinstinkt eines jeden Fußballers, den Ball ins gegnerische Tor zu schießen, würde in Darmstadts Lage jedenfalls am besten helfen.

Carsten Schröter