Bundesliga

Seltsame Analyse: Köllner muss aufpassen

Nürnberg: Trainer hat eine arg positive Sichtweise

Seltsame Analyse: Köllner muss aufpassen

Überrascht mit seinen positiven Analysen: FCN-Trainer Michael Köllner.

Überrascht mit seinen positiven Analysen: FCN-Trainer Michael Köllner. imago

Oberflächlich betrachtet hat sich nichts geändert: Die letzten vier der Tabelle verloren allesamt, der Club unterlag einem individuell besser besetzten, allerdings keineswegs übermächtigen Gegner. Aufpassen muss allerdings Köllner selbst, der sich mit seinen Analysen und Statements mehr und mehr angreifbar macht. Dass der 49-Jährige schlechte Leistungen schönredet, ist nicht neu. Völlig okay auch, dass er sich vor seine Mannschaft stellt und dieser Mut zuspricht. Allerdings sollte dies bis zu einem gewissen Grad glaubwürdig sein.

Durchschaubare Alibi-Suche

Sowohl in der Presserunde nach dem Spiel als auch in seinem privaten Facebook-Post von Sonntagabend 21.53 Uhr echauffierte er sich über Schiedsrichter Guido Winkmann und einen seiner Meinung nach verweigerten Foulelfmeter an Mikael Ishak in der 48. Minute. Davon abgesehen, dass diese Szene keineswegs so klar war wie vom Trainer behauptet, tut er sich und der Mannschaft mit dieser durchschaubaren Alibi-Suche keinen Gefallen. Nicht zum ersten Mal nahm Köllner das Schiedsrichter-Gespann zu Unrecht ins Visier, schon beim 1:1 gegen Leverkusen erteilte er Bibiana Steinhaus Schelte.

Nächstes Beispiel der köllnerschen Sichtweise? Das zwischenzeitliche 1:1 fiel aus dem Nichts nach der ersten richtigen FCN-Chance. Der Trainer aber hatte davor schon "die ein oder andere" gesehen und sprach vom Tor als verdienter Belohnung. Überhaupt sei die Leistung der Mannschaft gut gewesen. Schon nach dem 0:1-Hinrundenfinale gegen Freiburg analysierte er "zwischen der 20. und 70. Minute" reichlich übertrieben die beste Saisonleistung, der Auftritt gegen die Hertha sei eine Steigerung gewesen. Falsch. Stattdessen hätte er besser erwähnt, dass beim Hauptstadtklub in der Vorbereitung wahrlich nicht alles rund lief und ihm in Franken ein abgezockter, aber keineswegs berauschender Auftritt zu drei Punkten reichte.

Diese Darbietung genügte nicht dem geforderten Niveau der Bundesliga

Das lag auch daran, dass sich der Gegner längst nicht mehr nach einer Spielidee des FCN richten muss. Wie lautet diese überhaupt? Ins Pressing kam sein Team gegen die Hertha mal wieder nicht, gelungene Spielzüge waren Mangelware, technisch und taktisch genügte diese Darbietung nicht dem geforderten Niveau der Bundesliga.

Es herrschte im Stadion eine fast schon gleichgültige Stille

Clever dagegen ist es von Köllner, die Fans auf seine Seite zu ziehen. Diese lobte er überschwänglich für ihren Support. Für große Teile der Ultras mag das zutreffen, deshalb gibt es bislang höchstens vereinzelt Köllner-Raus-Rufe. Viele Zuschauer wandten sich jedoch am Sonntag mit Grausen ab und erlebten das Spielende nicht mehr im Max-Morlock-Stadion. Dort herrschte nach dem Abpfiff weder Wut noch Trotz noch Aufmunterung, sondern: eine fast schon gleichgültige Stille.

Was also bleibt als Mutmacher? Köllner, der viel zu spät erst in der 82. Minute wechelte (er selbst behauptete in der 75. Minute), hat Recht, dass sich die Ausgangslage nicht wesentlich verändert habe. Die größte Stärke liegt in der Schwäche der Konkurrenz. Ein, zwei Erfolgserlebnisse und der FCN könnte im Schneckenrennen mit Hannover, Augsburg und Stuttgart tatsächlich Aufwind verspüren. Doch wie sollen diese gelingen? "Da bin ich guter Dinge" antwortete er am Sonntag auf die Frage, ob er seiner Mannschaft auch eine Siegesserie wie Düsseldorf zutraue, also vier am Stück. Auf dem Weg dahin wäre eine realistischere und ehrlichere Bestandsaufnahme schon mal hilfreich.

Frank Linkesch

Bilder zur Partie 1. FC Nürnberg - Hertha BSC