Bundesliga

Alexander Nouris Bilanz bei Werder Bremen: Seine Verdienste, seine Fehler - Von seiner Amtszeit dürfte rückblickend auch relativ viel Positives im Gedächtnis hängen bleiben - Kein glückliches Händchen bei Personalentscheidungen

Trennung von Co-Trainer Florian Bruns als Bumerang

Nouris Bilanz: Seine Verdienste, seine Fehler

Von Alexander Nouris Wirken bei Werder Bremen wird rückblickend auch relativ viel Positives im Gedächtnis hängen bleiben.

Von Alexander Nouris Wirken bei Werder Bremen wird rückblickend auch relativ viel Positives im Gedächtnis hängen bleiben. picture alliance

Dass Nouri von Vorgänger Viktor Skripnik im September 2016 eine gewaltige Baustelle übernommen hatte, hat Abwehrchef Lamine Sané erst vor kurzem noch einmal zu Recht betont. Das damalige Trainer-Greenhorn verlieh einer taktisch völlig aus dem Ruder gelaufenen Truppe bemerkenswert schnell eine funktionierende Struktur. Die Spieler, das war auf Anhieb zu erkennen, hatten plötzlich wieder einen Plan, den sie mit Überzeugung umzusetzen versuchten. Genau das war dem Team, trotz ausbleibender Erfolge, auch in dieser Saison bis vor wenigen Wochen nicht abzusprechen.

Zu Knackpunkten wurden letztlich das Derby in Hamburg (0:0) und das folgende 0:2 gegen Gladbach. In diesen Partien zeigte sich, dass Nouri keine Antworten mehr fand auf neue Herausforderungen. Schon beim seinerzeit noch deutlich stärker verunsicherten HSV hätte sich angesichts nur einer gegnerischen Spitze die Umstellung auf ein 4-2-3-1-System aufgedrängt. Stattdessen hielt Nouri an drei Innenverteidigern fest, verschenkte so Offensivpotenzial und verpasste es, ein Signal eigener Stärke zu setzen. Dabei wurde der Druck, endlich den ersten Dreier einzufahren, immer größer. Gegen Gladbach probierte Nouri dann, der Situation mit hohem Pressing gerecht zu werden – überforderte und verunsicherte seine Profis damit aber vollends.

Das Selbstvertrauen der Mannschaft war dahin. Nouris Versuche, die Wende doch noch zu schaffen, wirkten zunehmend verzweifelt. Mal ein 4-4-2 nach der Pause gegen Gladbach, dann ein 4-2-3-1 in Köln, dann doch wieder das zuvor übliche 3-5-2 gegen Augsburg (trotz nur einer echten FCA-Spitze!) und beim Pausenstand von 0:2 erneut die Änderung auf eine 4-4-2-Formation. Was blieb, war wachsende Verunsicherung aller Beteiligten sowie die Erkenntnis von Manager Frank Baumann, "dass wir mit Ball seit Wochen zu wenige Lösungen finden".

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Zudem hatte Nouri mit der Behandlung einzelner Personalien in dieser Saison kein glückliches Händchen mehr. Dass ausgerechnet Florian Kainz, seit Wochen formstärkster Offensivspieler, gegen Freiburg und in Köln ausgewechselt wurde, ließ sich objektiv nicht nachvollziehen. Gegen Augsburg saß der Österreicher dann zu Beginn sogar wieder draußen - komplett unverständlich. Wie Nouri teamintern sein Vertrauen verteilte, korrespondierte generell zu wenig mit den aktuellen Leistungen. Das Festhalten an Robert Bauer als Innenverteidiger, gerade zuletzt gegen Augsburg auf Kosten von Milos Veljkovic, ist ein weiteres Paradebeispiel.

Kein glückliches Händchen bei Personalentscheidungen

Dabei hatte Nouri vergangene Saison sehr wohl auch Profis weiterentwickelt. Mittelstürmer Ousman Manneh, den er überraschend aus der U 23 hochzog, leistete trotz fußballerischer Defizite dank seiner Athletik und Einsatzfreude wertvolle Dienste. Izet Hajrovic, unter Skripnik abgeschrieben, spielte bis zu seiner Verletzung unter Nouri auf einmal wieder eine Rolle. Ganz besonders verdient machte sich der Fußballlehrer zudem um Maximilian Eggestein: Erst stieß er mit der zwischenzeitlichen Rückversetzung zur U 23 den Reifeprozess des Eigengewächses entscheidend an, dann fand er in der Sechser-Rolle die ideale Position für den Youngster, der prompt zum U-21-Nationalspieler aufstieg.

Nach Trennung von Co-Trainer Florian Bruns: Standards eklatante Schwachstelle

Derweil hatte Nouri kurz vor Saisonstart Innenverteidiger Luca Caldirola nach passabler Vorbereitung völlig überraschend und ohne Not demontiert. Der Italiener, taktisch gut ausgebildet, kopfballstark und generell ein solider Zweikämpfer, war plötzlich Teil jener Zweiklassengesellschaft, in der auch für Stürmer Aron Johannsson keinerlei Aufstiegschance mehr bestand. In einem ohnehin relativ kleinen Kader einzelne Spieler derart kategorisch auszugrenzen und zwangsläufig zu frustrieren, kann sich Werder weder sportlich noch wirtschaftlich wirklich leisten.

Von den öffentlich heftig kritisierten Personalentscheidungen des vergangenen Sommers wurde für Nouri speziell eine zum Bumerang: Die Trennung von Co-Trainer Florian Bruns. Der war intern für die Standardsituationen zuständig - in der laufenden Saison eine eklatante Schwachstelle. Im Gegensatz zur Torwartposition, auf der Jiri Pavlenka als Nachfolger von Felix Wiedwald alle Skeptiker Lügen straft. Und wie nachvollziehbar die Verabschiedung von Claudio Pizarro bleibt, demonstrierte der Ausfall des jetzigen Kölners ausgerechnet beim Wiedersehen mit Werder noch einmal eindrucksvoll. Nouri, das darf man festhalten, hinterlässt seinem Nachfolger ein besser bestelltes Feld als er selbst es damals vorgefunden hat. An einer konstanten Weiterentwicklung, sowohl seiner Mannschaft als auch seiner selbst, ist er aber vorläufig gescheitert.

Thiemo Müller

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