Bundesliga

Niedermeier: "Ich bin kein Typ, der nachkartet"

Innenverteidiger des VfB Stuttgart im kicker-Interview

Niedermeier: "Ich bin kein Typ, der nachkartet"

Bejubelte gegen Hoffenheim seinen ersten Doppelpack in der Bundesliga: Georg Niedermeier (r.).

Bejubelte gegen Hoffenheim seinen ersten Doppelpack in der Bundesliga: Georg Niedermeier (r.). picture alliance

kicker: Herr Niedermeier, vor Kurzem träumte man beim VfB und im Umfeld noch von Europa, dann ging es nach drei sieglosen Spielen wieder um den Klassenerhalt - in welche Richtung blickt die Mannschaft nach dem 5:1 gegen Hoffenheim ?
Georg Niedermeier: Von Spieltag zu Spieltag wechseln die Meinungen, was wir denken sollen. Deswegen denken wir nur an das nächste Spiel, dessen Bedeutung und an die Aufgaben, die sich uns stellen.

kicker: Wohin führt Ihr persönlicher Weg? Werden Sie Ihren auslaufenden Vertrag verlängern?
Niedermeier: Warten wir mal ab, was die Gespräche ergeben. Fakt ist, dass ich mich beim VfB wohlfühle. Das merkt jeder, der mich spielen sieht.

kicker: Welche Rolle spielt dabei die Vergangenheit, in der Ihnen nicht immer das nötige Vertrauen und die nötige Rückendeckung entgegengebracht wurde?
Niedermeier: Auch darüber werden wir sprechen. Ich habe beim VfB schon vieles erlebt, in positiver und negativer Hinsicht. Aber im Moment zählt das Hier und Jetzt.

Diesmal habe ich ihn vor dem Spiel daran erinnert, er solle sich voll und ganz auf seine Ecken konzentrieren und nicht mit dem Kopf schon beim nächsten Sprint sein.

Niedermeier über Filip Kostic

kicker: Verspüren Sie gegenüber Ihrem Ex-Trainer Alexander Zorniger Genugtuung, dass es für Sie wieder so gut läuft? Schließlich hat er Sie öffentlich demontiert?
Niedermeier: Genugtuung ist das falsche Wort. Die Punkte, die wir jetzt einfahren, sprechen für sich. Für mich geht es um nichts anderes, als mit dem VfB so schnell wie möglich unten rauszukommen. Auch wenn es eine schwere Zeit war: Wichtig ist jetzt, nach vorne zu blicken. Ich bin kein Typ, der nachkartet.

kicker: Gegen Hoffenheim erzielten Sie den ersten Doppelpack Ihrer Profikarriere - ein perfekter Tag?
Niedermeier: Das kann man so sagen. Allerdings steht für mich immer der Mannschaftserfolg ganz oben. Von daher ist es doppelt schön.

kicker: Sie staubten zum 1:0 ab, legten eine ungeheure Willenskraft in diese Aktion. Ist es hilfreich, wenn man gut grätschen kann?
Niedermeier: Hilfreich ist es, reaktionsschnell zu sein und richtig zu spekulieren, ob der Torwart den Ball festhalten kann oder nicht - und man braucht lange Beine. Die habe ich (lacht). Sie haben mir geholfen, den Ball zu erreichen.

Georg Niedermeier, VfB Stuttgart

Überwindet TSG-Keeper Oliver Baumann hier zum ersten Mal: Georg Niedermeier. picture alliance

kicker: Und bei Ihrem zweiten Treffer halfen die langen Beine, um höher zu springen als andere und die Kostic-Ecke ins Tor zu wuchten?
Niedermeier: Filips Ecken sind immer gefährlich. Ich habe ihm vor dem Spiel schon gesagt, er soll sich konzentrieren, weil Eckbälle eine Waffe von uns sind.

kicker: Gegen Hannover führten 17:1 Ecken zu keinem Treffer, diesmal waren sie die Basis zum 1:0 und 3:0. Was war anders?
Niedermeier: Man darf nicht vergessen, dass Filip immer die linke Seite rauf- und runtermarschiert. Diesmal habe ich ihn vor dem Spiel daran erinnert, er solle sich voll und ganz auf seine Ecken konzentrieren und nicht mit dem Kopf schon beim nächsten Sprint an der Linie entlang sein. Das hat er sensationell gemacht.

kicker: Es gab Zweifel, ob sich der VfB gegen Hoffenheims Abwehrriesen wie Süle oder Schär in der Luft durchsetzen könnte.
Niedermeier: Das sehe ich anders. Ich habe schon vor dem Spiel auf dem Rasen gedacht, dass wir uns auch in der Luft Chancen herausspielen könnten.

Wir wollten unbedingt eine Reaktion zeigen. Gladbach war blamabel für uns.

kicker: Können Sie die Leistungsexplosion ihrer Mannschaft nach dem desolaten 0:4 in Gladbach erklären?
Niedermeier: Wir wollten unbedingt eine Reaktion zeigen. Gladbach war blamabel für uns. Da sind wir auseinandergefallen. Das darf nicht passieren - aber wir haben unsere Lehren daraus gezogen.

kicker: Was hat Jürgen Kramny mit der Mannschaft in den knapp drei Tagen dazwischen gemacht, um sie auf den richtigen Weg zu bringen?
Niedermeier: Der Trainer musste gar nicht so viel machen. Wir haben öffentlich ganz schön auf die Mütze bekommen und sind Sportsmänner genug, zeigen zu wollen, dass wir es besser können.

kicker: Hat der Spruch "Wir wollen den VfB in den Abstiegsstrudel ziehen" von TSG-Trainer Julian Nagelsmann zusätzlich motiviert?
Niedermeier (lacht): Sagen wir mal so: Wir können alle ganz gut lesen.

kicker: Können Sie sich an den letzten Doppelpack von Ihnen vor Hoffenheim erinnern?
Niedermeier: Ich weiß nur, dass das der erste in der Bundesliga war. Früher habe ich schon immer wieder getroffen, aber ob ein Doppelpack dabei war, kann ich nicht sagen.

Einen kleinen Torriecher habe ich mir bewahrt.

kicker: Gibt es ein Geheimnis für Ihren Torriecher?
Niedermeier: Ich habe in der E- und D-Jugend im Sturm gespielt. Danach ging es Stück für Stück weiter nach hinten. Ich war immer einer der zweikampfstärkeren Spieler und wurde mehr hinten gebraucht. Irgendwann war ich dann Innenverteidiger. Aber einen kleinen Torriecher habe ich mir bewahrt.

kicker: Obwohl Kinder immer im Sturm spielen und Tore erzielen wollen.
Niedermeier: Das war bei mir auch so. Aber mittlerweile habe ich meinen Spaß auch an den Zweikämpfen.

kicker: Sorgt das 5:1 für Rückenwind für Ingolstadt?
Niedermeier: Man sollte Ergebnisse nie zu hoch hängen. Wer das Spiel unter der Woche gesehen hat, hätte nicht gedacht, dass wir gegen Hoffenheim zu so einer Leistung im Stande sein könnten. Es geht immer bei 0:0 los. Ingolstadt wird uns wieder alles abverlangen.

Interview: George Moissidis