kicker: Gegen Mönchengladbach, den Gegner am Freitag, hat Bayern die beiden letzten Heimspiele nicht gewonnen. Ein schlechtes Omen?
Boateng: Wir wollen einfach gut aus den Startlöchern kommen. Der Gegner ist dabei egal.
kicker: Steigt die Spannung, weil sich jetzt die Startelf herauskristallisiert?
Boateng: Wir stehen noch am Anfang. So langsam sieht man jetzt aber, wo es hingeht. Wir müssen uns noch finden und an die Abläufe gewöhnen. Das dauert noch ein bisschen.
kicker: Gehen Sie nach Ihren starken Leistungen im Frühjahr und einer guten Vorbereitung davon aus zu
Boateng: Ich bin hochmotiviert, fit und will wie jeder bei uns spielen und weiß, dass ich die Qualität dazu habe.
kicker: Wenn Martinez hinten spielt, heißt es wohl: Dante oder Boateng.
Boateng: Diese Gedanken mache ich mir gar nicht. Wichtig ist es, die Chance zu haben, zu spielen und sie durch gute Leistung zu nutzen. Es ist sehr gut für jeden von uns, einen so starken Kader und fairen Konkurrenzkampf zu haben. Die hohe Qualität steigert auch die individuelle Leistung.
kicker: Haben die Erfolge geholfen, die Rotation leichter anzunehmen?
Boateng: Ja, aber der Trainer ist neu, er bringt neue Ideen ein. Letzte Saison hat alles gut funktioniert. Jeder muss seine beste Leistung anbieten, man kann sich bei Bayern nicht auf den Leistungen ausruhen, egal, ob du das Triple gewonnen hast.
kicker: Hat die Vorbereitungszeit gereicht, um all die Änderungen unter Guardiola zu verinnerlichen?
Boateng: Wir sind fit und angesichts der doch recht kurzen Vorbereitungszeit von sechs Wochen auch taktisch schon sehr weit. Wir machen Fortschritte von Spiel zu Spiel, und sind auf einem guten Weg.
kicker: Sind die Änderungen tatsächlich so krass?
Boateng: Es ist eine Umstellung. Vor allem an die Defensivspieler werden, gerade was das Verschieben anbelangt, neue Anforderungen gestellt. Jeder muss wissen, was zu tun ist, sonst klappt es nicht.
kicker: Sie haben im Endspurt der Triple-Saison mit starken Leistungen überzeugt. Ist Ihr Stellenwert im Team dadurch gestiegen?
Boateng: Für mich war es im Winter nicht so einfach, weil ich in der Champions League gesperrt war. Daniel (van Buyten, d. Red.) hat gut gespielt. Aber ich habe mich nie aufgegeben. Das werde ich auch nie tun, egal, in welcher Situation ich bin. Ich denke, dass ich mich gut zurückgekämpft habe.
kicker: Das verlorene Finale 2012 kreideten Ihnen intern einige an.
Boateng: Das kann ich nicht beeinflussen, wenn das so sein sollte. Ich habe daraus auch Motivation gezogen. Keiner spielt fehlerlos. Es war danach ein ganz großes Ziel von mir, nochmals ins Finale zu kommen und es besser zu machen. Ich glaube, es können nicht viele von sich behaupten, das dann auch geschaff t zu haben. Unserer Mannschaft – und damit auch mir – ist es gelungen.
Ich vergeude keine Kraft darauf, gegen Klischees anzukämpfen. Ich lasse Leistungen sprechen, um möglichst unangreifbar zu sein.
Jerome Boateng
kicker: Empfinden Sie es als ungerecht, dass sich bei Ihnen die Kritiker jeden Fehler zu merken scheinen, bei anderen Abwehrspielern solche hingegen leichter in Vergessenheit geraten?
Boateng: Ich schaue auf mich und vergleiche mich nicht mit anderen Spielern. Kritik muss sein, ich fordere sie und kann damit gut umgehen. Ich vergeude keine Kraft darauf, gegen Klischees anzukämpfen. Ich lasse Leistungen sprechen, um möglichst unangreifbar zu sein. Der Rest ist uninteressant.
kicker: Interessiert es Sie, dass der kicker Sie in der Rangliste der Innenverteidiger auf Platz eins setzte?
Boateng: So etwas freut mich natürlich. Das ist eine Auszeichnung für mich.
kicker: Ihr Vertrag läuft wie bei Toni Kroos und David Alaba bis 2015. Bei beiden hat der Verein angekündigt, bald verlängern zu wollen, bei Ihnen ist es ruhig. Warum?
Boateng: Gespräche sind geplant.
kicker: Können Sie sich eine langfristige Zukunft bei Bayern vorstellen?
Boateng: Klar kann ich das. Ich fühle mich sehr wohl in München, in so einer Mannschaft macht es Spaß zu spielen.
kicker: Nächste Woche folgt das Länderspiel gegen Paraguay. Sehen Sie sich künftig innen als Stammspieler?
Boateng: Das ist mein Anspruch an mich selbst. Aber dafür muss ich bei Bayern meine Einsatzzeiten haben und meine Leistungen zeigen.
kicker: Mit welchem Ziel gehen Sie in die WM?
Boateng: Mein Ziel ist es, bei der WM Stammspieler zu sein, und ich bin selbstbewusst genug zu sagen: Ich habe die Qualität dazu. Wenn ich ein Turnier spiele, dann will ich es auch gewinnen. Aber es gibt natürlich noch andere gute Mannschaften, die Verhältnisse dort sind extrem. Aber wir haben über Jahre eine gute Mannschaft aufgebaut und das Zeug dazu, Weltmeister zu werden.
kicker: Ihr Kollege Dante wird das anders sehen.
Boateng: Jeder hat seine Träume.
kicker: Auch von der Wiederholung des Triples?
Boateng: Ich will die Titel gerne verteidigen. Das wäre riesig, ist aber eine Mammutaufgabe.
kicker: Der europäische Supercup wäre fürs Geschichtsbuch, den Titel hat Bayern noch nie gewonnen.
Boateng: Klar, auch den Titel würden wir gerne mitnehmen.
kicker: Inwieweit hat Sie Ihr Jahr bei Manchester City weitergebracht?
Boateng: Das Ausland war eine gute Erfahrung, auch wenn es für mich nicht optimal lief, weil ich zweimal acht Wochen verletzt war. Der englische Fußball hat mir gut gefallen, die Fans sind einfach geil. Die applaudieren auch mal, wenn du als Gegner gut spielst.
Interview: Frank Linkesch