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Der "Kaiser" löst den "König" ab

1995/96 - Sensation in Rostock

Der "Kaiser" löst den "König" ab

"Kaiser" Franz Beckenbauer (r.) nahm am 31. Spieltag Platz auf der Trainerbank des FC Bayern, "König" Otto Rehhagel wurde gefeuert.

"Kaiser" Franz Beckenbauer (r.) nahm am 31. Spieltag Platz auf der Trainerbank des FC Bayern, "König" Otto Rehhagel wurde gefeuert. imago

Der Saisonstart lief perfekt - für den FC Bayern. Der Herausforderer startete hochmotiviert in die neue Spielzeit, sieben Siege in Serie, wieder ein neuer Rekord für die Münchner. Dann grätschte Dortmund dazwischen. Im Westfalenstadion stoppten sie den FCB in Runde acht. Das 3:1 war die Kampfansage der Borussia. Das Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Klubs begann. Bloß keine Nerven zeigen - wenn das doch so einfach wäre. In diesem Punkt schlugen sich die Dortmunder besser.

BVB hat sechs Punkte Vorsprung

Zwar erlebte auch der BVB viele Höhen, Tiefen und sportliche Totalausfälle wie das 0:5 gegen Karlsruhe am 31. Spieltag, doch der FCB patzte öfter. Gegen die Eintracht mussten die Münchner in der Hinrunde ein 1:4 einstecken, mit dem gleichen Ergebnis beendeten sie das Rückspiel gegen den KSC. Die Herbstmeisterschaft hatte sich der BVB bereits gesichert, im Saisonendspurt enteilten sie dem FCB endgültig: Die Münchner verloren gegen Gladbach (1:3), Rostock (0:1), Bremen (2:3) und Schalke (1:2) und damit gehörig an Boden. Mit sechs Zählern Abstand feierte die Borussia den Titel, bei den Bayern brodelte es.

Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Borussia Dortmund Borussia Dortmund
68
2
Bayern München Bayern München
62
3
FC Schalke 04 FC Schalke 04
56

Mit großem Aufwand wollten sie den Titel zurückerobern. Den vermeintlich besten Trainer hatten sie an die Säbener Straße geholt: Otto Rehhagel. "König" Otto verließ Werder Bremen nach 14 Jahren, weil er sich neuen Herausforderungen stellen wollte. Die bekam er: Eifersüchteleien, Streitereien in der Mannschaft und selbstbewusste Spieler sorgten für Unruhe im Team. Da nützte es nichts, dass der Kader vor der Saison um die Spitzenspieler Jürgen Klinsmann, Thomas Strunz, Andreas Herzog und Ciriaco Sforza erweitert wurde.

Die Sensation in Rostock

Nach der Niederlage gegen den BVB begann es zu kriseln, Mehmet Scholl äußerte bereits im Herbst Abwanderungsgedanken. "Rehhagel oder ich", verkündete der Bayern-Spieler im kicker-Interview. "Fakt ist, wir spielen seit acht Wochen und haben immer noch keine Taktik." Rehhagel sah das anders: "Meine Taktik ist immer richtig." Lange konnte das nicht gutgehen, am 27. Spieltag war Schluss. Der "König" wurde gefeuert, der "Kaiser" übernahm das Training. Zur Meisterschale reichte es nicht mehr, doch Franz Beckenbauer führte die Münchner im Finale gegen Girondins Bordeaux zum ersten Gewinn des UEFA-Pokals.

Der Torschützenkönig

Für seinen Klub lief es gar nicht gut. Nur Platz zehn war für den VfB Stuttgart drin. Die Torjägerkanone des kicker konnte Fredi Bobic über das schlechte Abschneiden der Schwaben hinwegtrösten, allerdings war seine Ausbeute von 17 Treffern eher mager.

Was sonst noch geschah

Neben der Meisterschale gab es für den Dortmunder Matthias Sammer einen weiteren Titel. Er wurde zum "Fußballer des Jahres" gewählt. Sammer verband mit seinem damaligen Trainer Hitzfeld eine stete Streitkultur. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sagt über Sammer, er sei "positiv nervig" - wie positiv oder negativ er Hitzfeld auf die Nerven ging, ist nicht bekannt.

Rein positive Schlagzeilen gab es in Rostock zu vermelden: Der Aufsteiger fiel durch eine souveräne Leistung auf, selbst die großen Klubs bissen sich an den Nordlichtern die Zähne aus. Schalke kassierte eine 1:3-Pleite, elf Tage darauf unterlag Dortmund in Rostock (2:3). Die Bilanz der Hanseaten: 49 Punkte, 47:43 Tore und ein überragender sechster Rang.

Einführung der Drei-Punkte-Regel

49 Punkte? Richtig, in dieser Spielzeit wurde die Drei-Punkte-Regel in der Bundesliga eingeführt. Der HSV glänzte ebenfalls, zumindest nach einem beispiellosen Zwischenspurt. Der Architekt des Erfolgs war Felix Magath, der im Oktober 1995 vom Co- zum Cheftrainer aufgestiegen war und seine erste Bundesligamannschaft coachte. Als Magath das Ruder übernahm, rangierten die Hanseaten noch im Tabellenkeller. Am Ende stand das Team auf dem fünften Platz und löste ein Ticket für den UEFA-Pokal.

Der VfB Stuttgart hingegen erlebte einen steilen Absturz. Viel Lob für attraktiven Fußball und einen ausgezeichneten dritten Platz hatten sich die Schwaben herausgespielt - vor der Winterpause. Die Rückrunde verlief holprig, schließlich konnten sie gerade noch auf Rang zehn Halt machen.

Erster Abstieg für Kaiserslautern und Frankfurt

Für zwei Gründungsmitglieder der Bundesliga ging die Talfahrt noch weiter: Frankfurt und Kaiserslautern landeten auf den Abstiegsplätzen. Nach 32 Jahren im Oberhaus war Schluss für die beiden Klubs. Die "Roten Teufel" verabschiedeten sich aber nicht mit leeren Händen: Mit einem 1:0-Erfolg gegen Karlsruhe gewannen sie den DFB-Pokal.

Das "Bosman-Urteil"

Der Europäische Gerichtshof mischte in dieser Saison ebenfalls mit - und prägte die Bundesliga nachhaltig. Das "Bosman-Urteil" löste das bis dahin geltende Transfer-Entschädigungssystem ab. Bei einem Wechsel eines Spielers innerhalb der EU durfte nach Vertragsende keine Ablösesumme mehr verlangt werden. Betroffen von dem Urteil war auch die Ausländerregelung, die in einigen Ländern galt. Für Spieler aus der EU gab es keine Beschränkungen mehr.