Am Ende musste die Entscheidung vom Punkt fallen. 120 Minuten lang war Spanien angerannt, blieb bei all seinen Bemühungen aber eine Menge schuldig. Marokko verteidigte mit großem Herz, bestach mit mannschaftlicher Geschlossenheit und hatte am Ende einen Torhüter, der nicht einmal aus elf Metern zu überwinden war.
Sarabia, Carlos Soler und Busquets: Sie alle fanden ihren Meister in Marokkos Schlussmann Bono und gaben damit dem Aus der Spanier ein Gesicht. Der Mitfavorit ist gescheitert und ausgeschieden, Marokko mit Enthusiasmus und ansteckender Begeisterung ins Viertelfinale gestürmt. Ein Ausgang, der auch mit der Lethargie zu tun hatte, die Spanien schon zu Beginn des Spiels an den Tag legte.
Asensio trifft nur das Außennetz
Es dauerte beinahe eine halbe Stunde, ehe die Spanier ihren ersten nennenswerten Schuss abgaben. Nach einem Flugball von Jordi Alba kam Asensio aus ungünstigem Winkel zum Abschluss und setzte die Kugel ans Außennetz (27.). Zwei Minuten zuvor hatte Gavi zwar die Latte getroffen, Vorlagengeber Ferran Torres aber im Abseits gestanden.
Die Roja dominierte die Partie und hatte in der regulären Spielzeit nicht weniger als 75 Prozent Ballbesitz, allerdings mussten die Spanier vor allem in der ersten Hälfte immer wieder auf der Hut vor Gegenstößen sein. Marokko trug seine überfallartigen Angriffe vornehmlich über die Flügel vor und forderte den Favorit hin und wieder auch in der Defensive.
Auch Marokkos Anhang ist ein Faktor
Ein weiterer Faktor neben der Leidenschaft und der Hingabe, die die Nordafrikaner in die Waagschale warfen: Marokkos temperamentvolle Fans, die ihre Mannschaft unermüdlich antrieben und bei nahezu jeder gelungenen Szene frenetisch feierten.
Hoch das Bein: Noussair Mazraoui verarbeitet den Ball, Ferran Torres schaut zu. imago images
Je länger die Partie aber dauerte, desto seltener wurden die Offensivaktionen des Außenseiters. In der zweiten Hälfte war den Marokkanern allmählich anzumerken, dass die permanente Abwehrarbeit durchaus Kraft gekostet hatte. Dennoch hielten sie beherzt dagegen, scheuten weder einen Laufweg noch einen Zweikampf und tauchten auch in der Schlussphase ein ums andere Mal im gegnerischen Strafraum auf - weil sie ihre sporadischen Angriffe aber nicht präzise genug zu Ende brachten und Olmo auf der anderen Seite an Bono scheiterte (90.+5), ging es nach 90 torlosen Minuten in die Verlängerung.
Am Ende der Verlängerung: Sarabia scheitert am Pfosten
Auch jetzt änderte sich nichts am grundsätzlichen Bild, das sich den 44.667 Zuschauern im ausverkauften Education City Stadium zeigte: Spanien suchte Lücken, ließ dabei aber jedwede Kreativität, Präzision und Geradlinigkeit vermissen. Dennoch hätten die Iberer die Partie in der Nachspielzeit für sich entscheiden können, doch Sarabia scheiterte nach einer Halbfeldflanke mit einer Direktabnahme am Pfosten (120.+3). Zuvor hatte Cheddira auf der anderen Seite die beste Möglichkeit für Marokko vergeben: Spaniens Torwart Unai Simon behielt im Eins-gegen-eins die Oberhand (104.). So ging es ins Elfmeterschießen - und Bono wurde zum Held.