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WM 2022: Kimmichs Versetzung wäre ein zu hoher Preis - Gnabry auf die Bank

WM-Kolumne "Wenn ich Bundestrainer wäre"

Kimmichs Versetzung wäre ein zu hoher Preis - Gnabry auf die Bank

Joshua Kimmichs Qualitäten werden gegen die Spanier im Mittelfeld benötigt.

Joshua Kimmichs Qualitäten werden gegen die Spanier im Mittelfeld benötigt. IMAGO/Fotoarena

Die allergrößte Bedrohung ist immerhin entschärft. Die 0:1-Niederlage der Japaner gegen Costa Rica bedeutet, dass die deutsche Mannschaft bei einer Niederlage gegen Spanien nicht schon nach zwei Gruppenspielen den Heimflug buchen muss. Dennoch bleibt der Druck in dieser zweiten Partie. Weil nun wieder alles möglich ist, handelt es sich aber um einen positiven Druck. Es bietet sich nun eine große Chance. Entsprechend erleichtert und beschwingt sollte die DFB-Auswahl diese Partie angehen.

Selbstzweifel sind wie zuvor weiterhin und generell verboten in einem Weltturnier. Positives Denken ist gefordert, die totale Überzeugung. Wer entscheidende Spiele gewinnen will, muss zuallererst im Kopf stark und klar sein.

Statt Abtauchen ist Courage ist gefragt

Manuel Neuer kennt solche Konstellationen, auch Thomas Müller. Ilkay Gündogan, Antonio Rüdiger, Leon Goretzka, Serge Gnabry und Joshua Kimmich haben solche Proben schon in der Champions League bestanden, genauso Kai Havertz. Das psychische Fundament für diese Prüfung ist somit vorhanden. Nun kommt es auf die Umsetzung auf dem Platz an. Die Zusammenarbeit in der Hintermannschaft, das Verschieben, das Absichern, das vorauseilende Besetzen der Räume muss klappen, das Pressing, das zuletzt zur Zufallsaktion verkam, weil die Momente gar nicht oder halbherzig genutzt wurden. Konzentration in jeder Sekunde ist verlangt, im vereinten Verteidigen sowie in Eins-gegen-eins-Duellen, anders, als es sich Niklas Süle und Nico Schlotterbeck gönnten beim 1:2 gegen Japan. Courage ist gefragt und kein Abtauchen, wie es sich Kai Havertz oder Serge Gnabry genehmigten.

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Trotz der veränderten, der verbesserten Ausgangslage Havertz bleibt die angedachte Aufstellung. Havertz heißt der Mann für die Angriffsspitze, weil er den Ball behaupten und Tore erzielen kann, auch aus nächster Nähe. Jamal Musiala steht in der Dreierreihe dahinter fest, er soll seine Startposition auf der linken Seite nach Gespür verlassen und sich nach innen orientieren, um mit seinen Einzelaktionen torgefährlich zu werden. Wer sind die optimalen Partner? Thomas Müller in der Mitte und Serge Gnabry rechts? Müller wird mit seiner Erfahrung gebraucht, für die Organisation der Störaktionen gegen spielstarke Spanier, ob die nun aus der Tiefe angelaufen oder in vorderster Linie gepresst werden. Zudem spricht für Müllers Berufung in die Startelf dessen Blick für die Abwehrlücken, die er mit seiner Fähigkeit zum finalen Pass nutzen kann, genauso mit seinen Schleichläufen in diese Schnittstellen.

Soll Müller wieder in der Mitte oder halbrechts wie gegen Japan aktiv werden - oder von der ihm bekannten rechten Seite aus, wo er schon 79-mal in der Nationalelf eine Partie begann, 34 Tore erzielte und 32 Assists gab? Also Gnabry raus? Dessen Zug zum Tor und Schussstärke wären hilfreich, wenn Treffer gebraucht werden. Bleiben Müller mittig und Gnabry rechts im Team, entsteht im Mittelfeld dahinter Gedränge, weil wieder die Rechnung 3 minus 1 zu lösen ist: Wer sind die 2? Ilkay Gündogan war der beste Mann gegen Japan, sein spielerischer Input mit kurzen Pässen kann Abwehrreihen durchfräsen. Ihn rausnehmen? Geht nicht.

WM-Kolumne von kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

WM-Kolumne von kicker-Chefreporter Karlheinz Wild kicker

Gegen die spielstarken Techniker aus Spanien, die sehr viel lieber mit dem Ball als gegen ihn spielen, muss konsequent und körperlich robust Gegenwehr geleistet werden, wie es jüngst erst Eintracht Frankfurt in der Europa League und der FC Bayern München in der zweiten Halbzeit des Champions-League-Hinspiels gegen den FC Barcelona demonstriert haben. Die jungen Ballzauberer Gavi (18) und Pedri (20) müssen in ihrer Spielfreude permanent gestört, angelaufen und attackiert werden. So sind sie zu beeindrucken. Leon Goretzka, der im Mittelfeld gerne dazwischen fegt, viel laufend und aggressiv grätschend, drängt sich mit diesen Eigenschaften auf.

Der Job als rechter Außenverteidiger soll an Kehrer vergeben werden

Also Joshua Kimmich nach rechts in die Viererkette? Um Platz in der Zentrale zu schaffen und zugleich die Problemzone hinten zu beheben? Kimmich, seit einiger Zeit mit mehr Ordnungsbewusstsein für die Defensive im Einsatz, würde dann mit seinen Pässen und Chips in die Tiefe sehr fehlen. Seine Versetzung wäre ein hoher Preis. Eine verdammt schwierige Entscheidung. Also erst die anderen Planstellen vergeben. Niklas Süle, gegen Japan rechts außen fehlerhaft, kehrt zurück ins Abwehrzentrum neben Antonio Rüdiger. Der Dortmunder ist gelernter Innenverteidiger, cool und widerstandsfähig im Zweikampf. David Raum darf noch einmal vorsprechen, um aus der Tiefe seine Läufe zu starten und den von Musiala gelassenen Freiraum zu nutzen für seine Hereingaben.

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Wen also nach rechts hinten stellen? Grundsätzlich ist eine drei Mann breite Restverteidigung notwendig. Kimmich würde aber seinen Trieb nach vorne nur schwer zügeln können, er wäre als rein defensive Absicherung vergeudetes Kapital. Zudem offenbart er als rechter defensiver Außenposten in direkten Duellen Tempodefizite, so dass es besser ist, diesen Job an Thilo Kehrer zu vergeben: Er muss vor allem als originärer Verteidiger seinen Auftrag erledigen. Kimmich kann dann mit Goretzka die in München bewährte Doppelsechs bauen, destruktiv gegen die Spanier, konstruktiv für die Deutschen. Und Gündogan geht auf die Position 10.

Somit ergibt sich diese Startelf: Neuer - Kehrer, Süle, Rüdiger, Raum - Goretzka, Kimmich - Müller, Gündogan, Musiala - Havertz.

Es ist eine Auswahl mit Erfahrung, Willens- und Spielstärke, mit der Wucht zum Widerstand, mit Torgefährlichkeit. Sie muss es nur noch zeigen, damit gegen Spanien der Neustart in dieses Turnier gelingt.

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