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Erst Albtraum, dann Monster-Comeback: Jaguars kicken Chargers raus

Erstmals kam ein Team nach 0:5-Turnovers noch weiter

Erst Albtraum, dann Monster-Comeback: Jaguars kicken Chargers raus

Jubel über das Monster-Comeback: Jaguars-Kickers Riley Patterson (#10) nach dem entscheidenden Field Goal gegen die Los Angeles Chargers.

Jubel über das Monster-Comeback: Jaguars-Kickers Riley Patterson (#10) nach dem entscheidenden Field Goal gegen die Los Angeles Chargers. IMAGO/Icon Sportswire

Was für ein zweites Wildcard-Game: Nach einer desaströsten ersten Hälfte und einem zwischenzeitlichen 0:27-Rückstand machten sich die Jacksonville Jaguars zu einem Monster-Comeback gegen die Los Angeles Chargers auf und schrieben mit dem 31:30-Sieg am Ende Geschichte.

Erstmals seit 2017 standen die Jaguars wieder in einem Play-off-Spiel. Und gegen die Chargers begann die Partie mit einem Albtraum - besonders für Quarterback Trevor Lawrence: Der Jaguars-Playmaker leistete sich in den ersten beiden Drives seines allerersten Play-off-Spiels zwei Interceptions - dies unterlief noch keinem Spielmacher zuvor. Gleich im ersten Viertel ließ er Interception Nummer drei folgen - noch nie in der Geschichte der NFL-Play-offs unterliefen einem Quarterback drei Interceptions in den ersten 15 Minuten! Damit aber nicht genug.  Denn auch im zweiten Viertel war der 23-Jährige noch eine weitere Interception. Drei Turnovers für Los Angeles gingen auf das Konto von Samuel Asante Jr., der Cornerback der Chargers war drauf und dran, zum Matchwinner zu werden. Lawrence, der Erstrunden-Pick von 2021, erlebte dagegen zunächst ein grauenvolles Play-off-Debüt: Vier Completions für gerade einmal 30 Yards standen rund fünf Minuten vor dem Ende von Hälfte eins vier Interceptions gegenüber - eine Bilanz des Grauens.

Und zum Entsetzen der Zuschauer leisteten sich die Jaguars in Hälfte eins sogar noch einen fünften Turnover: Bei einem Punt landete das Ei am Helm von Chris Claybrooks, Los Angeles eroberte erneut den Ball. Fünf Turnovers für die Chargers und kein einziger für Jacksonville zu diesem Zeitpunkt. 26-mal gab es eine solche Situation bisher in den Play-offs - und 26-mal verließ das Team mit fünf Ballverlusten am Ende das Spielfeld als Verlierer.

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Das Ende von Hälfte eins endete für die Jaguars dann aber immerhin mit einem positiven Erlebnis: Denn Lawrence fand seinen Tight End Evan Engram mit einem Pass über neun Yards in der Endzone - der Touchdown bedeutete zugleich das Halbzeitergebnis von 7:27 aus Sicht Jacksonvilles.

Doch eigentlich deutete nichts darauf hin, dass dieser Touchdown mehr als ein kleiner Lichtblick sein würde. Doch im Nachhinein war er der Auftakt für eines der stärksten Comebacks, das die NFL je gesehen hat. Denn die Partie drehte sich in Hälfte zwei komplett: Lawrence fand ebenso in die Spur und seine ersten beiden Drives endeten jeweils mit einem Touchdown: Zunächst bediente er Wide Receiver Marvin Jones für sechs Yards, anschließend fand er dessen Kollegen Zay Jones über 39 Yards in der Endzone. Von den Chargers war dagegen nur noch wenig zu sehen. Einzig Kicker Cameron Dicker ließ zwischenzeitlich noch ein Field Goal aus 50 Yards folgen, so dass es mit 20:30 in das letzte Viertel ging.

Pederson und Lawrence nutzen Bosas Unbeherrschtheit aus

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Und dort gaben die Chargers endgültig den schon sicher geglaubten Sieg aus der Hand: Zunächst ließ Dicker ein Field goals aus 53 Yards liegen, dann warf Lawrence einen weiteren Touchdown-Pass. Dieses Mal war es Christian Kirk, der das Ei in der Endzone fing. Zuviel für Joey Bosa, den Pass Rusher der Chargers, der einen Free Start monierte  und sich zu seiner zweiten Unsportlichkeit in der Partie hinreißen ließ. Jaguars-Headcoach Doug Pederson wählte eine Two-Point-Conversion  aus, die statt von der 2- nur noch von der 1-Yard-Linie ausgespielt werden musste. Lawrence übernahm selbst und per Quarterback-Sneak stellte er auf 28:30. Bei noch fünf Minuten auf der Uhr hatten die Jaguars plötzlich die Chance, die Partie per Field Goal für sich zu entscheiden.

Zunächst musste aber die Defense die Offense der Chargers stoppen. Von Letzterer war in Hälfte zwei nichts mehr zu sehen. Kein einziges Mal standen die Mannen um Quarterback Justin Herbert in der Red Zone - und auch im entscheidenden Drive sollte es nicht reichen. Defense End Roy Robertson-Harris riss Herbert im ersten Versuch zu Boden, die anschließenden zwei kurzen Pässe des Chargers-Quarterback reichten nicht für ein First Down. Durch einen Punt musste Los Angeles das Ei wieder abgeben und Jacksonville hatte die Chance, das Monster-Comeback zu vollenden: Lawrence führte sein Team bis an die 18-Yard-Linie - den Rest erledigte Kicker Riley Patterson, der mit dem Ablaufen der Uhr das Ei über 36 Yards zwischen die Stangen zum 31:30 für die Jaguars schoss.

Dritthöchste Aufholjagd in der Geschichte der NFL-Playoffs

"Ein verrückteres Drehbuch kann man wohl nicht schreiben", sagte Lawrence nach der Partie. "Ich bin ehrlich gesagt etwas sprachlos, wenn ich sehe, was Glaube bewirken kann und was man erreichen kann, wenn ein Team aneinander glaubt." Immerhin legten die Jaguars die dritthöchste Aufholjagd in der Geschichte der NFL-Play-offs hin. Nur die Buffalo Bills 1993, die einen 32-Punkte-Rückstand gegen Houston noch umbogen, sowie die Indianapolis Colts, die 2014 nach 28 Punkten Rückstand noch gegen Kansas City gewannen, feierten Comebacks nach noch größeren Rückstanden.

Jacksonville und Lawrence schwebten damit am Ende auf Wolke sieben. Der Jaguars-Spielmacher konnte am Ende eine spektakuläre Bilanz vorweisen: 28 seiner 47 Pässe brachte er für 288 Yards an die Mitspieler - und er warf vier Touchdown-Pässe sowie vier Interceptions. Und die Chargers? Die Kalifornier agierten in Hälfte zwei viel zu passiv, wollten den Vorsprung nur noch verwalten. Eine Taktik, die sich letztendlich rächte. Und für die auch Headcoach Brandon Staley verantwortlich war, der viel zu konservativ agierte, in Hälfte zwei zwei Timeouts frühzeitig vergeudete und Mitte des vierten Viertels sich beim vierten Versuch und drei Yards für ein Field Goal entschied, statt den letzten Versuch auszuspielen. Zudem vernachlässigte Los Angeles das Laufspiel, um damit die Zeit zu kontrollieren. Nur 23 Laufversuche über einen Durchschnitt von 2,9 Yards sind sicherlich diskussionswürdig, Herbert dagegen hatte 49 Passversuche. "Es tut mir für jeden in der Umkleidekabine weh. ... wir haben das Spiel einfach nicht zu Ende gespielt", sagte Staley, über dessen Zukunft nun wieder Diskussionen losgehen werden.

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