Bundesliga

Stuttgart - Mainz: Höllenlärm für den Jungen mit dem Dauerlächeln

Mein Spiel des Jahres: Stuttgart - Mainz 2:1

Höllenlärm im Stadion für den Jungen mit dem Dauerlächeln

Schüchtern und mit einem scheuen Grinsen im Gesicht: Silas zeigt sich in der Kurve.

Schüchtern und mit einem scheuen Grinsen im Gesicht: Silas zeigt sich in der Kurve. imago images/Sportfoto Rudel

Silas hier, Silas da, Silas überall. Rund acht Monate müssen die Stuttgarter auf die Rückkehr ihres Lieblings warten. Schon Wochen vor der Partie gegen den FSV Mainz sind alle elektrisiert wie Zitteraale. Nicht nur die Stuttgarter Fußballer, auch und besonders die Stuttgarter Anhänger: Als der 23-Jährige an diesem 26. November in der 85. Minute den Rasen der Mercedes-Benz-Arena betritt, bekomme sogar ich, der von sich behaupten kann, mit Fankult und Fanliebe wenig bis nichts am Hut zu haben, ein kleines bisschen Gänsehaut.

Eine Einwechslung in mehreren Akten

Bereits bei der obligatorischen Platzbesichtigung vor der Partie, in dicken Winterklamotten und eigentlich über die Entfernung schwer zu erkennen, wird der Kongolese von ein paar Dutzend Frühankommern aus der Cannstatter Kurve erkannt und mit Sprechchören gefeiert. Während des Spiels schallen immer wieder Silas-Sprechchöre von der mit rund 25000 Zuschauern gefüllten Tribüne, die sich langsam aber stetig zu einer Tsunami-Welle bestehend aus Rufen, Schreien und Klatschen auftürmen.

Bundesliga 2020/21 - 13. Spieltag

Punktuell als der Angreifer zum Warmlaufen trabt, aus allen Richtungen lauter werdend, als er zum Trainer zitiert wird, die dicke Trainingsjacke auszieht, die Stutzen hochzieht, von Pellegrino Matarazzo noch eine Umarmung und ein paar aufmunternde Worte sowie einen Klaps mitbekommt und der Schiedsrichter-Assistent die Auswechseltafel mit der 30 für Roberto Massimo und der 14 von Silas in die Luft streckt. Dann bricht die Welle der Begeisterung 251 Tage nach dessen Kreuzbandverletzung krachend über allen, allem und besonders dem Publikumsliebling zusammen.

Falsche Identität und falsches Alter: Die Fans lieben ihren Silas trotzdem

Höllenlärm im Stadion für den Jungen mit dem Dauerlächeln im Gesicht, der den VfB, seine Anhänger, die ganze Fußballwelt bei der Frage nach seiner wahren Identität lange getäuscht hatte. Unter Silas Wamangituka war der Kongolese vom FC Paris verpflichtet worden. Unter Silas Katompa Mvumpa stellt er sich im Juni 2021 der Öffentlichkeit vor. Dazu rund ein Jahr älter als vorher angegeben.

Wegen Identitätstäuschung tritt die Ausländerbehörde auf den Plan, die bis heute noch kein abschließendes Urteil gefällt hat. Vom DFB wird der Angreifer für drei Monate gesperrt, die er während seiner Verletzungspause  absitzt. Für die Fans ist das alles zweitrangig. Sie lieben ihren Silas, wie er mittlerweile nur noch genannt werden will. Sie sehen nur den Sportler, ein Opfer des Menschenhandels im Profifußball und einen Hoffnungsträger für die sich mühsam und wenig erfolgreich durch die Saison quälende Stuttgarter Offensive.

Eine ganze Stadt lächelt

Gegen Mainz gewinnen die Schwaben auch ohne nachweisliche Mithilfe des leichtfüßigen Stürmers, der sich auch nach dem Spiel nicht vor Liebesbekundungen verstecken kann. Selbst wenn er es versucht. Hinter den Teamkollegen, die nach dem 2:1 in die Kurve winken, die wiederum lautstark Silas zu sehen fordert und erst aufhört, als sich der 23-Jährige schüchtern und mit einem scheuen Grinsen im Gesicht hervorwagt, kurz winkt und in die Kabine zu verschwindet. Silas lächelt, eine ganze Stadt und sogar ich lächle.

George Moissidis

Bilder zur Partie VfB Stuttgart - 1. FSV Mainz 05