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Henderson stellt sich: "Geld war für mich nie eine Motivation"

Nach umstrittenem Wechsel nach Saudi-Arabien

Henderson stellt sich: "Geld war für mich nie eine Motivation"

"Es ist schön, wenn man gewollt wird": Jordan Henderson im Trikot von Al-Ettifaq.

"Es ist schön, wenn man gewollt wird": Jordan Henderson im Trikot von Al-Ettifaq. Getty Images

Mit seinem Transfer nach Saudi-Arabien hat Jordan Henderson in den vergangenen Wochen viel Kritik auf sich gezogen, die er bislang unbeantwortet gelassen hatte. Nun erklärt er im Interview mit "The Athletic", warum er als Kapitän des FC Liverpool zu Al-Ettifaq wechselte - und als Kämpfer für die LGBTQ+-Community in ein Land, in dem deren Mitglieder teilweise von der Todesstrafe bedroht sind.

Nach einem Gespräch mit Jürgen Klopp habe er gewusst, "dass ich nicht mehr so oft spielen würde", sagt Henderson. "Ich befinde mich in der letzten Phase meiner Karriere und möchte Spaß am Fußballspielen haben. Ich möchte spielen. Ich will nicht nur auf der Bank sitzen und dann zehn Minuten spielen. Und ich wusste, dass sich das auf meine Chancen, für England zu spielen, auswirken würde."

Doch wie kam er dann auf die international bislang bedeutungslose Saudi Professional League? "Ich würde gerne hier sitzen und behaupten, dass jeder Verein unter der Sonne mich haben wollte. Aber die Wahrheit ist, dass es so nicht war", so Henderson, der zwölf Jahre lang für Liverpool spielte. "Es musste etwas sein, bei dem ich das Gefühl hatte, dass ich etwas beitragen und etwas Neues ausprobieren könnte, eine neue Herausforderung."

Alles, worüber ich mit Stevie geredet habe, war Fußball und das Projekt.

Jordan Henderson

Und all das habe er bei Al-Ettifaq mit Trainer Steven Gerrard, "einer völlig anderen Liga und einer völlig anderen Kultur" gefunden, sagt der 33-Jährige. Ihn reize das Projekt, zu dem er mit seiner Erfahrung "in verschiedenen Bereichen" beitragen könne. "Es ist schön, wenn man gewollt wird. Ich weiß, dass Stevie mich wirklich wollte. Ich weiß, dass der Klub mich wirklich haben wollte."

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Das hohe Gehalt habe dagegen nur eine untergeordnete Rolle gespielt. "Man kann mir glauben oder nicht, aber in meinem Leben und in meiner Karriere war Geld noch nie eine Motivation. Niemals", behauptet Henderson. "Verstehen Sie mich nicht falsch, wenn man wechselt, muss auch das Geschäftliche stimmen. Man muss finanziell abgesichert sein, man muss sich gewollt fühlen, man muss sich wertgeschätzt fühlen. Und Geld ist ein Teil davon. Aber das war nicht der einzige Grund."

700.000 Pfund pro Woche? "Ich wünschte, es wäre so"

Mit Gerrard, der ihn offenbar bereits frühzeitig vom Wechsel überzeugte, habe er nie über Geld gesprochen. "Alles, worüber ich mit Stevie geredet habe, war Fußball und das Projekt. Und er hat sogar gesagt, dass er sich nicht in Geldangelegenheiten einmischen will. Es ging nur darum, was wir gemeinsam tun können, um etwas Besonderes zu erreichen, einen Verein aufzubauen und die Liga zu stärken." Und die 700.000 Pfund (816.000 Euro), die er angeblich pro Woche verdient? "Ich wünschte, es wäre so", lacht Henderson. "Nein, die Zahlen sind einfach nicht wahr."

Ich bin der festen Überzeugung, dass es etwas Positives ist, wenn ich in Saudi-Arabien spiele.

Jordan Henderson

Dennoch blieb nicht nur bei Thomas Hitzlsperger der Eindruck hängen, dass hier ein Spieler seine Werte für viel Geld verkauft. "Ich kann die Frustration verstehen. Ich kann die Wut verstehen", entgegnet Henderson. "Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass es mir leidtut, dass sie sich so fühlen. Es war nie meine Absicht, jemanden zu verletzen." Doch wenn er nicht gewechselt wäre, hätte er das Gefühl gehabt, dass man nur weiter "den Kopf in den Sand stecken und andere Kulturen und Länder aus der Ferne kritisieren" könne, "aber dann wird nichts passieren. Es wird sich nichts ändern." Er könne zwar nicht versprechen, dass es ihm gelingen werde, Verbesserungen anzustoßen, aber seine Werte und Überzeugungen gelten weiter. "Ich bin der festen Überzeugung, dass es etwas Positives ist, wenn ich in Saudi-Arabien spiele."

Er habe vom Klub weder Ansagen nach dem Motto "Du kannst dies tun, du kannst das nicht tun" erhalten, noch erhalte er Zahlungen für Social-Media-Beiträge, die Saudi-Arabien in ein positives Licht rücken. Doch würde er auch die Regenbogen-Kapitänsbinde tragen, die Al-Ettifaq bei einem Vorstellungsvideo offenkundig unkenntlich gemacht hatte? "Ich würde das nicht ausschließen", sagt Henderson. "Aber gleichzeitig würde ich die Religion und Kultur in Saudi-Arabien nicht missachten. Wenn wir alle sagen, dass jeder so sein kann, wie er will, und dass alle dazugehören, dann müssen wir das respektieren. Wir müssen jeden respektieren. Und wenn ich damit die Religion nicht respektiere, dann werde ich das auch nicht tun."

jpe

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