Int. Fußball

Gedion Zelalem: Die Geschichte vom vergessenen "Supertalent"

Einstiger DFB-Nachwuchsspieler im kicker-Interview

Gedion Zelalem: Die Geschichte vom vergessenen "Supertalent"

Vom DFB-Talent über London in die USA: Gedion Zelalem.

Vom DFB-Talent über London in die USA: Gedion Zelalem. imago

"Ik kann das versuchen", sagt Zelalem am Anfang etwas zögerlich. Abgemacht war das Interview auf Englisch, doch er probiert es auf Deutsch, seiner fast verlernten Muttersprache. "Das ist ein gutes Training für mich." Ein paar Wackler sind dabei, doch im Laufe des Gesprächs wird er souveräner - und erzählt von Kobe Bryant.

Herr Zelalem, mit 22 Jahren in der MLS. Das wäre doch ein vielversprechender Karrierebeginn, oder nicht?

Ja, schon. (lacht) Ich hatte sechs, mal gute und mal nicht so gute Jahre bei Arsenal. Die sind jetzt vorbei, und ich hoffe auf eine gute Zeit in der MLS.

So gesehen sind Sie seit fünf Jahren Profi, angefangen als 17-Jähriger im FA Cup beim FC Arsenal. Wie war das Profi-Debüt?

Ich habe immer mit der ersten Mannschaft trainiert. Arsene Wenger hat wohl gefallen, was er sah. Gegen Coventry City (FA Cup, 4. Runde 2014, d. Red.) hat er mich das erste Mal bei den Profis spielen lassen, das war ein Traum für mich vor 60.000 Zuschauern in diesem Stadion. Auf einmal stand ich auf dem Platz mit Per Mertesacker und Mesut Özil, denen ich vorher immer zugeguckt habe. Ach und: Wir haben gewonnen, das war auch nicht so schlecht.

Sie sind in Berlin geboren und aufgewachsen, dann als Neunjähriger mit Ihren äthiopischen Eltern in die USA ausgewandet und in der Nähe von Washington DC zur High School gegangen. Wie ist Arsenal dort auf Sie aufmerksam geworden?

Ich habe für einen Klub in Maryland gespielt, dort hatte unser Trainer Kontakt mit einem Arsenal-Scout; ein Amerikaner, der früher mal für Arsenal gespielt hat. Der hat mich im Training und in Spielen zunächst beobachtet. Bei einem U-14-Turnier in Dallas war dann auch die U 18 von Arsenal anwesend und ich habe wohl ganz gut gespielt. Die Trainer luden mich ein, für eine Woche nach London zu kommen, ich durfte nochmal vorspielen und habe anschließend einen Vertrag unterschrieben. Weil ich noch nicht 16 war, musste ich nochmal zurück in die USA und bin dort noch ein Jahr zur High School gegangen.

In Nordlondon folgte der steile Aufstieg: Nach einem halben Jahr von der U 18 in die U 23, wenig später das angesprochene Debüt unter Wenger und dann sogar mit 17 - angepriesen als das nächste große "Supertalent" und der "nächste Cesc Fabregas" - in der Champions League. Was macht das mit einem Teenager?

Gedion Zelalem

Das Profi-Debüt: Gedion Zelalem ersetzt im FA Cup gegen Coventry City Alex Oxlade-Chamberlain. imago

Es war schon ziemlich abgefahren, aber ich war auch sehr selbstbewusst. Ich hatte sehr hart dafür gearbeitet, wollte immer nur zu den Profis - und das habe ich ja auch geschafft.

Warum hat es für ein Premier-League-Spiel nie gereicht?

Arsene Wenger wollte immer, dass ich stärker werde, damit ich in der Premier League körperlich mithalten kann. Meine Eltern sind Äthiopier, da sind wir nicht so starke Männer. (lacht) Mittlerweile hat sich das etwas geändert bei mir. Ich hatte mich im Mai 2017 allerdings auch schwer verletzt (Kreuzbandriss, d. Red.), war insgesamt 18 Monate raus. Als ich endlich wieder fit war, hatte Arsenal wohl schon mit mir abgeschlossen und mich nicht mehr eingesetzt, nicht mal in der U 23.

Sie haben trotzdem lange mit Mesut Özil oder mit Lukas Podolski trainiert. Was haben Sie von den Weltmeistern gelernt? Und auch von Trainer-Ikone Wenger?

Von Mesut kann man eine Menge lernen; wie er sich bewegt, sein Passspiel. Wie er spielt, ist einfach richtig geil. Lukas Podolski habe ich bei der WM 2006 als Neunjähriger angehimmelt, genau wie Per Mertesacker. Er hat mir als Kapitän sehr geholfen, dafür kann ich mich nur bedanken. Arsene Wenger hat mir als Erster das Vertrauen geschenkt, allerdings auch nicht viel mit mir geredet, er redet allgemein nicht sehr viel.

Sie sind zentraler Mittelfeldspieler, Jugendtrainer Matt Pilkington sagte einst: "Er dribbelt wie Iniesta und passt wie Xavi." Waren das vielleicht schon zu viele Vorschusslorbeeren?

Ich weiß nicht, aber ich bin endlich nicht mehr verletzt. Vielleicht kann ich mein Potenzial abrufen und dem Lob noch gerecht werden.

Jetzt also die Rückkehr in die Heimat: Ist der Wechsel in die MLS zu Sporting Kansas City ein Rückschritt oder ein Neustart?

Ganz klar ein Neustart. Die Liga hat in den letzten fünf Jahren enorm aufgeholt, man kann sich auch hier für die Nationalmannschaft empfehlen oder für einen Wechsel nach Europa. Wer weiß, was noch so kommt.

Gedion Zelalem

Gedion Zelalem bei der Vorstellung in Kansas City. Instagram/@gedi34

Bislang standen Sie noch nicht im Kader, haben bei Ihrer Vorstellung gesagt, sich als Achter oder Zehner zu sehen, dem Team vor allem mit Toren helfen zu wollen. Wie schnell wird das passieren?

Am Samstag habe ich in der zweiten Mannschaft mein Comeback gegeben. Weil Arsenal wusste, dass ich wechseln werde, durfte ich dort nicht mehr spielen und hatte deswegen einen ziemlichen Fitnessrückstand. Ich brauche vielleicht noch zwei, drei Spiele in der zweiten Mannschaft, aber dann bin ich sehr zuversichtlich, dass ich Stammspieler werde.

Sie haben bei Instagram eine Foto von sich im SKC-Trikot gepostet mit dem Hashtag "Black Mamba" - eine Anspielung auf Basketball-Ikone Kobe Bryant?

Richtig! Ich bin ein großer Fan von Kobe Bryant und habe seine Sieger-Mentalität immer bewundert. Es kann ja nur gut sein, wenn ich mir das von ihm abschaue.

Kansas City zählt nach der starken letzten Saison (Erster in der Western Conference, dann Play-off-Aus im Conference-Finale) zu den Mitfavoriten auf den Meister-Titel. Was spricht für SKC?

Wir haben eine sehr talentierte Mannschaft und einen großen Kader, der ein oder zwei Ausfälle immer kompensieren kann. Das ist besonders wichtig in der MLS bei den vielen Spielen und den langen Reisen. Ich glaube schon, dass wir Meister werden können.

Kansas City hat keinen Zlatan Ibrahimovic oder Bastian Schweinsteiger, dem die ganze Aufmerksamkeit gilt. Ein Vor- oder Nachteil?

Wir haben vielleicht keinen Superstar, aber ich glaube, dass es für die Mannschaft schon gut ist, keinen "arroganten" Spieler dabei zu haben. Bei uns hören alle auf den Trainer und stellen alles dem Teamerfolg unter. Wir alle haben ein Ziel, und keiner denkt nur an sich.

Die MLS befindet sich in den vergangenen Jahren im Aufschwung, vor allem Talente aus Südamerika verändern das Bild der "Rentnerliga". Sehen Sie langfristig die Chance, zu den Top-5-Ligen der Welt zu gehören?

In England haben die MLS früher auch viele als Rentnerliga abgestempelt, das ist inzwischen nicht mehr der Fall. Wenn man sieht, dass Newcastle United gerade Miguel Almiron für 24 Millionen Euro (von Atlanta United, d. Red.) verpflichtet hat. Zack Steffen (Torhüter, Columbus Crew, d. Red.) wechselt im Sommer zu Manchester City, Tyler Adams ist in Leipzig sofort Stammspieler. Das kann nur gut sein für die Liga. Wenn man hier gut spielt, kann man sich auch für die Bundesliga oder die Premier League empfehlen. Ob Top-5-Liga weiß ich nicht, aber das Potenzial ist da.

Nach mehreren Einsätzen für die deutsche U 15, U 16 und U 17 haben Sie 2015 die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen, anschließend für die U-20- und U-23-Nationalmannschaft gespielt. Wie kam es zu der Entscheidung gegen Deutschland?

Gedion Zelalem

Gedion Zelalem im DFB-Trikot gegen Spanien. imago

Das war sehr schwierig für mich, mein Vater hat 25 Jahre in Deutschland gelebt und hätte mich, glaube ich, lieber im DFB-Trikot gesehen. Ich hatte aber meine ganzen Freunde und meine Familie in Amerika, deshalb habe ich mich am Ende so entschieden. Zu manchen von meinen ehemaligen, deutschen Mitspielern habe ich noch Kontakt, Benjamin Henrichs oder Jordan Torunarigha zum Beispiel. Mit Jordan habe ich schon in Herthas U 9 zusammengespielt. Ein bisschen deutsch bin ich also immer noch. (lacht)

Gregg Berhalter sorgt gerade für einen Umbruch im US-Team, in dem Schalkes Weston McKennie und der Noch-Dortmunder Christian Pulisic zu den Säulen gehören. Sehen Sie jetzt auch für sich die Chance?

Das ist vielleicht noch ein bisschen früh, ich muss mich erst mal bei SKC durchbeißen und mich empfehlen. Vom Talent her gehöre ich, glaube ich, dazu, das wissen die (Verantwortlichen) auch. Natürlich ist die Nationalmannschaft mein großes Ziel, aber vorher bitte gesund bleiben.

Letzte Frage: Football oder Soccer?

Puh, schwierig. (lacht) In den USA Soccer und in England Football, bleiben wir einfach dabei.

Interview: Mario Krischel

Von "Ibra" bis "Pity": Die wertvollsten Spieler der MLS