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Der Sommer der leeren Versprechungen: Wie der FC Barcelona zum Verlierer auf dem Transfermarkt wurde

Wie Barça zum Verlierer auf dem Transfermarkt wurde

FC Barcelona: Der Sommer der leeren Versprechungen

Warum er noch nicht verlängert hat, weiß niemand: Lionel Messi.

Warum er noch nicht verlängert hat, weiß niemand: Lionel Messi. picture alliance

Am Samstagmittag lud der FC Barcelona zu einem Vortrag, einer formschönen Powerpoint-Präsentation über die Sommerneuzugänge. Vielleicht mussten da im letzten Moment noch ein paar Folien gelöscht werden, vielleicht arbeiteten die Macher am gestrigen "Deadline Day" sogar bis tief in die Nacht noch fieberhaft an der passenden Schriftgröße, wie ein spanischer Journalist bei Twitter spottete. Am Ende jedenfalls mussten die beiden Direktoren Robert Fernandez und Albert Soler vor allem über Dinge sprechen, zu denen sie keine Folien vorbereitet hatten. Verkürzt gesagt: warum dieses Transferfenster zu einem derartigen Reinfall wurde für den stolzen Klub aus Katalonien.

Mit Ousmane Dembelé (Borussia Dortmund) kam ein Ersatz für Neymar, mit Gerard Deulofeu (FC Everton) eine Alternative für die linke Seite, mit Nelson Semedo (Benfica) ein Rechtsverteidiger, mit Paulinho (Guangzhou Evergrande) ein zentraler Mittelfeldspieler. Eine halbwegs passable Liste - wäre nur die Liste des Scheiterns nicht deutlich länger. Barças Führungsriege versprach den Fans in diesem Sommer das Blaue vom Himmel; was sie erntete, war Gewitter.

Spielersteckbrief Messi
Messi

Messi Lionel

Spielersteckbrief Coutinho
Coutinho

Coutinho Philippe

Spielersteckbrief di Maria
di Maria

di Maria Angel

Spielersteckbrief Dembelé
Dembelé

Dembelé Ousmane

Vier große Ankündigungen, alle leer

Am 5. Juli machte der Verein offiziell, dass Lionel Messi in den kommenden Wochen bis 2021 verlängern wird, dass "totale Einigkeit" bestehe. Stand heute, ist Messi 2018 ablösefrei.

Am 18. Juli erklärte Vizepräsident Jordi Mestre, er sei "200 Prozent sicher", dass Neymar bleibe. Am 3. August wechselte Neymar für 222 Millionen Euro zu Paris St. Germain.

Am 16. August behauptete Manager Pep Segura, man sei "nah dran, sowohl Coutinho als auch Dembelé zu verpflichten" . Tatsächlich wechselte Dembelé nach später Angebotsaufbesserung Barças erst am 28. August, Coutinho gar nicht .

Am 28. August verkündete Direktor Fernandez sein Vorhaben, dass bis zum Ende des Transferfensters am 1. September "noch ein, wenn möglich sogar zwei Spieler dazukommen" . Es kam keiner mehr.

Neymar trat nach, und mancher Barça-Fan nickte heimlich

Große Versprechungen, alle leer - und umgeben von weiteren Versäumnissen: Bei Nationalspieler Inigo Martinez (Innenverteidiger, Real Sociedad) war den Verantwortlichen die festgeschriebene Ablösesumme von rund 30 Millionen Euro am Ende doch zu hoch, bei Jean Seri (26, OGC Nizza) merkten sie offenbar erst im letzten Moment, dass die Ausstiegsklausel bereits abgelaufen war. Und Arda Turan, der im Winter laut "Marca" für 50 Millionen Euro nach China hätte wechseln können, ist immer noch da; diesmal wollte ihn niemand.

"Da sind Leute in der Führung, die dort nicht hingehören. Barcelona hat Besseres verdient, alle Welt weiß das", hatte Neymar vor wenigen Wochen von Paris aus nachgetreten. Und mancher Barça-Fan nickte heimlich, einer sogar für jeden sichtbar: Agusti Benedito, der 2015 bei den Wahlen unterlegen war, will den umstrittenen Präsidenten Josep Maria Bartomeu per Misstrauensvotum zu Fall bringen. Der Antrag ist hinterlegt. Benedito spricht von einer "sozialen, institutionellen und ökonomischen Krise", Bartomeu agiere "seit Wochen außer Kontrolle". Noch so ein Gewitter, und das heftigste droht erst noch.

"Kein Problem" bei Messi? Das gilt schon verdächtig lange

Denn warum Messi immer noch nicht verlängert hat, versteht niemand. In nicht einmal einem Jahr ist er vertragslos, im Winter, im nächsten Transferfenster, dürfen Vereine offiziell mit ihm verhandeln, ohne dass Barça davon erfahren muss. Wie konnte es so weit kommen? Warum gibt es diese Baustelle auch noch?

Man suche nur einen Termin für die Unterschrift, hieß es letztens, Sportdirektor Soler sprach am Samstag von einem rein "protokollarischen Akt": "Es gibt kein Problem." Nur gibt es dieses Problem bereits seit Anfang Juli nicht, seit der umjubelten Verlängerungsankündigung, seit Präsident Bartomeu von einer "guten Nachricht für die gesamte Fußball-Welt" sprach. Messi sollen bei den Verhandlungen Kaderverstärkungen versprochen worden sein, stattdessen ging Neymar.

Hätten wir für zwei Spieler 270 Millionen Euro ausgegeben, hätten wir wegen Unverantwortlichkeit zurücktreten müssen.

Albert Soler
Barcelonas Direktoren Robert Fernandez (l.) und Albert Soler

Rechtfertigungen am Tag danach: Barcelonas Direktoren Robert Fernandez (l.) und Albert Soler. imago

Nicht, dass sie es nicht bis zuletzt versucht hätten mit den Verstärkungen ( sogar um einen Wechsel von Mesut Özil wurde am Freitag noch verhandelt ). Aber: "Liverpool wollte gestern 200 Millionen Euro" für Coutinho, verriet Soler, PSG offenbar 70 Millionen Euro für Angel di Maria. "Hätten wir für zwei Spieler 270 Millionen Euro ausgegeben, hätten wir wegen Unverantwortlichkeit zurücktreten müssen."

Sportdirektoren, die Verhandlungssummen ausplaudern? Man kann das ehrlich nennen, aber auch verzweifelt - zumal Liverpool der Darstellung gleich vehement widersprach . Um den Klub zu schützen, lautet letztlich also indirekt Barças Kernaussage, hat man darauf verzichtet, seine Versprechen einzuhalten. "Wir wollen uns in diesem aufgeblasenen Markt nicht verfangen", sagt Soler. Sein Arbeitgeber beließ es bei knapp 200 Millionen Euro für Dembelé und Paulinho.

"Absolut falsch!" Lesen Sie hier Liverpools Reaktion auf Barças Darstellung in der Causa Coutinho

jpe

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