Bundesliga

Dreiviertelvoll? Das kann nicht der Anspruch sein

Ein Kommentar zum Videobeweis in der Bundesliga

Dreiviertelvoll? Das kann nicht der Anspruch sein

Gestern Bundesliga-Referee, heute Video-Assistent: Dr. Jochen Drees kennt beide Rollen.

Gestern Bundesliga-Referee, heute Video-Assistent: Dr. Jochen Drees kennt beide Rollen. picture alliance

Ein Kommentar von kicker-Redakteur Benni Hofmann

"Möglicherweise“, sagte Ronny Zimmermann am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Frankfurt zum Video-Assistenten, "waren falsche Erwartungen vorhanden." Der DFB-Vizepräsident spricht von einer "Testphase unter dem Brennglas der Öffentlichkeit". Entsprechend aufgeregt liefen die Diskussionen um den Video-Assistenten, der für mehr Gerechtigkeit sorgen soll. Gefühlt tut er das nur bedingt. Er hat zwar 37 falsche Entscheidungen verhindert. Aber er hat eben auch elf falsche Entscheidungen getroffen. Elf an 17 Spieltagen. Entscheidungen, die am Ende über Abstieg und Klassenerhalt, Champions League und Europa League entscheiden. Sprich: über zweistellige Millionenbeträge.

Die Herangehensweise war fehlerhaft

Das ist zu viel. Viel zu viel. Und das hat nichts mit normalen Kinderkrankheiten einer Neuerung und auch nur bedingt mit einer falschen Erwartungshaltung zu tun, sondern mit einer fehlerhaften Herangehensweise. Stille Veränderungen am Prozedere, dann öffentliches Zurückrudern. Der Video-Assistent hat seinen schlechten Ruf nicht nur wegen so mancher Entscheidungen im Kölner Keller, sondern weil er über Teile der Hinrunde nicht gerade professionell umgesetzt wurde. Das gestehen die Verantwortlichen indirekt sogar selbst ein, wenn sie, wie Zimmermann, sagen, dass die letzten drei Spieltage besser gelaufen seien.

Es war absehbar, dass der Zuschauer in der Arena informiert sein möchte über das Geschehen auf dem Rasen.

kicker-Redakteur Benni Hofmann

Woran liegt es, dass – im Umkehrschluss gedacht – die Spieltage davor offenbar nicht so toll waren? Die Gründe sind vielschichtig. Neben – erwartbaren und absolut nachvollziehbaren – menschlichen Fehlern liegen sie auch an der Struktur. "Ein guter Schiedsrichter ist nicht automatisch ein guter Video-Assistent und umgekehrt", sagt Dr. Jochen Drees, früher selbst Bundesliga-Referee, nun Video-Assistent. Dabei gibt es aktuell Kollegen, die beide Funktionen ausfüllen. Sprich: die an einem Wochenende auf dem Rasen stehen und am nächsten im Kölner Keller sitzen. Drees meint, dass "dieser Switch gelingen kann". Doch täuscht er sich da nicht?

Schiedsrichter und Video-Assistent: Bedarf es einer Trennung der Rollen?

Benni Hofmann

kicker-Redakteur Benni Hofmann kicker

So manche Fehlentscheidung entsprang einer problematischen und so gar nicht vorgesehenen Kommunikation zwischen Assistent und Unparteiischem. Drees selbst sagte auf der Pressekonferenz ja, dass Schiedsrichter es gewohnt seien, Szenen in der Nachbearbeitung ihrer Einsätze sehr detailorientiert aufzuarbeiten. Darum geht es aber beim Video-Assistenten eben nicht, sondern nur um klare, schnell wahrnehmbare Fehlentscheidungen. Und angesichts elf falscher Eingriffe darf man die Frage schon stellen, ob man nicht eine Trennung der Rollen im Sinne einer Spezialisierung und weiteren Professionalisierung braucht?

Das ist das eine Kommunikationsproblem, das interne. Das andere liegt im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Der Fan im Stadion muss wissen, was warum passierte. Man arbeite an einer Lösung, versicherte Ansgar Schwenken, DFL-Direktor für Fußball und Fans. Schön. Doch dass der Zuschauer in der Arena informiert sein möchte über das Geschehen auf dem Rasen, darauf hätte man auch im Vorfeld dieser Testphase kommen können.

Das Glas sei, so Schwenken im Gesamtfazit, zu drei Vierteln voll und nicht zu einem Viertel leer. Das legen die Zahlen im Verhältnis von 37 zu 11 nahe. Testphase hin oder her: Das kann im hochprofessionalisierten Fußball, im Milliardenbetrieb Bundesliga, nun wirklich nicht der Anspruch sein.