Handball

Diese Verfolger verdienen ihren Namen noch nicht

Die Handball-Kolumne von Füchse-Boss Bob Hanning

Diese Verfolger verdienen ihren Namen noch nicht

Enttäuschung vielerorts: Juri Knorr, Bob Hanning und Michael Allendorf (v.li.).

Enttäuschung vielerorts: Juri Knorr, Bob Hanning und Michael Allendorf (v.li.). imago images (3)

Die Bundesliga-Saison 2021/22 geht ganz allmählich in ihre heiße Phase. Eine Frage, die sich die Verfolger der Liga stellen müssen: Wie gut gelingt eigentlich der Angriff auf den THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt? Es war klar, dass das die zu schlagenden Teams sind, die aber aus unterschiedlichen Gründen im Moment genügend eigene Probleme haben.

Kiel wird sich in den nächsten Jahren im Umbruch befinden. Bei der SG hat das Interview von Gottfridsson mich doch sehr überrascht. Dass ein so erfahrener Spieler seinem Verein Respektlosigkeit vorwirft, weil sich dieser nicht zu einer Vertragsauflösung äußert, halte ich für fragwürdig. Gerade wenn man bedenkt, dass Flensburg den Spieler in einer schwierigen Situation unterstützt und den Vertrag damals trotzdem verlängert hat. Spieler unterschreiben langfristige Verträge und sind gleichzeitig unzufrieden, weil sie wegwollen. Zu so einer Unterschrift gehören aber immer zwei Parteien.

Nichtsdestotrotz gilt es für die Verfolger, vermeintliche Schwächen der beiden Schwergewichte zu nutzen. Das schafft außer Spitzenreiter Magdeburg aktuell aber keiner. Das liegt sicherlich auch an fehlender Qualität und fehlendem Mut anderer Klubs. Dem SCM muss man das Kompliment machen, dass sie ohne jeden Zweifel die beste Kaderplanung der letzten Jahre hatten. Sie greifen den THW und die SG an, während andere ein Stück weit ehrfurchtsvoll zuschauen.

Dazu zähle ich auch meine Füchse. In den letzten beiden Spielen des vergangenen Kalenderjahres geben wir zu Hause gegen Abstiegskandidat Balingen-Weilstetten unnötig einen Punkt ab und verlieren anschließend auch noch vor eigenem Publikum gegen Melsungen. In Europa scheiden wir unnötig aus. Jetzt geben wir gegen die TSV Hannover-Burgdorf auch noch Platz zwei ab. Das spricht nicht für uns.

Die Rhein-Neckar Löwen spielen in dieser Saison ohne Zähne. Bei diesen Leistungen sollte man schon fast glauben, dass die Rasse vom Aussterben bedroht ist. Die MT Melsungen entwickelt sich von der MT Deutschland zu einem Verein, der bald keine deutschen Spieler mehr unter Vertrag hat. Aktuell leben Kiel und Flensburg auch von der Schwäche der potenziellen Herausforderer.

Erlangen fehlt der Mut für klare Ziele

Am Wochenende steht uns das Final Four ins Haus. Dabei trifft in Hamburg der HC Erlangen auf Magdeburg. Erlangen ist auch ein Verein, der gute Spieler holt, aber am Ende mehr mit sich selbst als mit den Gegnern kämpft - und deswegen im Mittelfeld festhängt. Erlangen hat wie andere Vereine nicht den Mut, mal klare Ziele zu definieren und dann auch geschlossen ohne Eitelkeiten daran zu arbeiten.

Der Titelverteidiger TBV Lemgo Lippe ist mir noch der sympathischste Verein, auch wenn ich bis heute stocksauer bin, dass sie unser Pokalspiel damals trotz unserer Corona-Fälle nicht verlegen wollten. Frei nach dem Motto: "Wenn sich jeder selbst hilft, ist auch jedem geholfen." Trainer Florian Kehrmann macht dort aber einen ehrlichen und richtig guten Job.

Hinze kann einiges bewegen - Nur Melsungens Etat spitzenmäßig?

Werfen wir aber noch einen kleinen Blick in die Zukunft: Mit den Füchsen müssen wir in der nächsten Saison die Top 3 angreifen und wollen das auch so formulieren. Magdeburg wird im nächsten Jahr das Team sein, das es zu schlagen gilt. Die Löwen holen mit Sebastian Hinze einen der interessantesten Trainer der Liga, dem ich wegen seiner menschlichen wie auch fachlichen Qualitäten viel zutraue. Ob er den Umbruch schaffen kann, wird spannend zu sehen sein.

Melsungens Etat gehört zur Bundesliga-Spitze. Ob sie da auch sportlich hinkommen, bleibt abzuwarten. Kiel wird nochmal eine herausragende Saison spielen, da bin ich mir ganz sicher. In Flensburg wird sich zeigen, ob eventuell ohne das Thema Champions League noch weitere Turbulenzen entstehen.

Spannende Entwicklungen an so vielen Standorten der Bundesliga. Jetzt geht es aber erstmal um den DHB-Pokal-Titel und anschließend ins finale Rennen um die Champions-League- und Europapokalplätze. Dabei wünsche ich allen Fans viel Spaß.

Bob Hanning (54) hat die Füchse Berlin von der 2. Liga bis in die Champions League geführt, den DHB in acht Jahren als Vizepräsident auf links gedreht und jüngst einen Spiegel-Bestseller (Hanning. Macht. Handball.) geschrieben. In seiner Kolumne analysiert er für den kicker die Geschehnisse rund um Nationalmannschaft und Bundesliga.

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