Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt von "Methoden wie in einem Gangsterfilm" nach dem Motto: "Wir wollen doch nicht, dass ein Unfall passiert …" Und tatsächlich scheint sich am Sonntagabend ein solches Szenario im englischen Lager abgespielt zu haben, als sich die FIFA um die "One Love"-Binde kümmerte, die sieben europäische Teams bei der WM 2022 als Zeichen für Diversität tragen wollten.
Der englische Verband, der sie in Person von Harry Kane gegen den Iran als erstes präsentieren sollte, sei "von der FIFA massiv bedroht" worden, berichtete DFB-Mediendirektor Steffen Simon am Dienstag im "Deutschlandfunk". "Der Turnierdirektor ist bei der englischen Mannschaft gewesen und hat dort von einem mehrfachen Regelbruch gesprochen, der sich vollziehen würde, würde man die Binde tragen, und er hat mit massiven sportlichen Sanktionen gedroht."
"Theoretisch hätte es auch ein Punktabzug sein können"
Und, siehe Gangstermethoden: "Er hat diese nie konkretisiert", so Simon. "Das gehört in dieses Spiel der FIFA, dass sie die Verbände immer im Vagen lassen, sodass man nicht weiß, was genau sich an sportlichen Sanktionen vollziehen würde." Der DFB und die anderen Verbände seien deshalb in eine "Entscheidung zwischen Pest und Cholera" getrieben worden. Sie vereinbarten solidarisch, das Risiko dieser Sanktionen nicht einzugehen und auf das Tragen der Binde zu verzichten.
"Wir sind nicht eingeknickt vor der FIFA", widerspricht Simon der landläufigen Interpretation des DFB-Vorgehens, auch wenn er "die Enttäuschung und Empörung" nachvollziehen könne. "Wir sind in einer extremen Erpressung gewesen, wo wir das Gefühl hatten, wir müssen so entscheiden, obwohl wir uns nicht so entscheiden wollen."
WM 2022
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Denn: "Am Ende trägt man es dann auf dem Rücken der Spieler aus", die ohnehin schon "mit diesem Turnier gestraft" seien. "Und wir haben immer gesagt: Wir sehen dies als Aufgabe der Verbände. Wir nehmen jede wirtschaftliche, sportpolitische Sanktion auf uns. In dem Moment, wo es anfängt, die Spieler in dieser Intrige zu zerreiben, ist für die Verbände eine rote Linie überschritten."
Man solle doch bitte auch die Situation von Neuer & Co. verstehen, bittet Simon. "Man sagt dem Spieler: Nimm diese zwei Gelben Karten, lass' dich vom Platz stellen, lass' den nächsten vom Platz stellen." Dieses Szenario wollten die betroffenen Verbände vermeiden, zumal auch weitere Konsequenzen möglich gewesen wären: "Theoretisch hätte es auch ein Punktabzug sein können", so Simon.
"Der DFB ist in einer Fundamental-Opposition innerhalb der FIFA"
Was folgt nach dem Aus der "One Love"-Binde - die im Vorfeld ohnehin von Kritikern als inkonsequent erachtet wurde, nachdem Neuer 2021 bei der EM noch eine in Regenbogenfarben getragen hatte? "Wir müssen uns jetzt andere Formen ausdenken. Wir haben das Symbol verloren, das schmerzt sehr. Aber wir haben unsere Haltung nicht aufgegeben. Wir sind keine Hochstapler, die erzählen, dass sie irgendwelche Werte hätten und diese dann im ersten Moment verraten."
Dass der DFB zu wenig auf Konfrontationskurs zur FIFA gehe, stimmt laut Simon nicht. "Der DFB hat ein öffentliches Zeichen gesetzt, indem er Gianni Infantino die Gefolgschaft bei seiner nächsten Präsidentenwahl verweigert hat. Das haben weltweit nur drei Nationalverbände getan. Der DFB ist in einer Fundamental-Opposition innerhalb der FIFA."
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