Europameisterschaft

Handball-EM: Deutsche Chancen aufs Halbfinale schwinden

DHB-Auswahl verliert auch ihr zweites Hauptrundenspiel

Norwegen zu abgezockt: Deutsche Chancen aufs Halbfinale schwinden

Hürde nicht genommen: Philipp Weber und die DHB-Auswahl unterlagen Norwegen.

Hürde nicht genommen: Philipp Weber und die DHB-Auswahl unterlagen Norwegen. imago images

Unterschiedlicher hätten die "Generalproben" für das zweite Hauptrundenspiel nicht laufen können: Während das DHB-Team am Donnerstag die schwächste Turnierleistung hingelegt hatte und gegen Titelverteidiger Spanien den Kürzeren zog, stellte Norwegen seinerseits gegen Polen einen neuen EM-Torrekord auf. Sander Sagosen vom THW Kiel und der im Turnierverlauf überragende Linksaußen Sebastian Barthold hatten alleine je zehnmal getroffen.

Zumindest verschlimmerte sich die Corona-Situation rund um die deutschen Handballer am Freitag nicht noch weiter, zum ersten Mal seit ein paar Tagen waren alle Testergebnisse negativ ausgefallen. Julius Kühn, erster Corona-Fall im deutschen Team bei der EM, bekam noch keine Freigabe, weswegen die DHB-Auswahl mit dem 16er-Kader aus dem Spanien-Spiel agierte.

DHB-Team nutzt Norwegens Waffen

Bundestrainer Alfred Gislason vertraute erneut auf Philipp Weber und Julian Köster als Denker und Lenker, hinten organisierte Abwehrspezialist Simon Ernst. Und die DHB-Auswahl kam erstaunlich gut ins Spiel: Kapitän Johannes Golla stellte mit seinem zweiten Tor vom Kreis auf 3:1. Dazu nutzte der Europameister von 2016 die Waffen der Norweger - Rechtsaußen Lukas Zerbe stellte im Tempogegenstoß auf 4:2 und 5:3 (11.).

Ein essenzieller Faktor war Keeper Johannes Bitter, der nach 15 Minuten bei einer herausragend guten Fangquote von 50 Prozent lag. Zur Pause hatte der 39-Jährige schon neun Paraden angehäuft. Doch der Angriff war das große Problem, Norwegen übernahm in einer Phase, in der Deutschland acht Minuten ohne eigenen Treffer blieb, beim 7:6 erstmals die Führung (19.).

Zweiter norwegischer Anzug sitzt

Mit dem zweiten Anzug im Rückraum - also ohne die Kieler Sagosen und Harald Reinkind - agierten die Norweger im Angriff deutlich stärker. Beim Stand von 9:12 drohte der DHB-Auswahl die Partie zu entgleiten. Doch angeführt vom sicheren Rückhalt Bitter ging die deutsche Mannschaft mit "nur" zwei Toren Rückstand in die Pause (12:14).

Nach dem Seitenwechsel kam Norwegen deutlich besser rein, baute den Vorsprung direkt auf vier Treffer aus (16:12). Erik Thorsteinsen Toft, mit sieben Toren bester Werfer und später zum "Man of the Match" gewählt, durfte wie schon im ersten Abschnitt zu oft frei aus der zweiten Reihe abschließen. 

In Abwehr und Angriff fehlten der DHB-Auswahl Lösungen, um den Vizeweltmeister von 2017 und 2019 nachhaltig in Verlegenheit zu bringen. Gislason musste reagieren und stellte auf die vor dem Turnier einstudierte 3:2:1-Abwehr mit Köster an der Spitze um, brachte dazu Daniel Rebmann zwischen den Pfosten.

Individuelle Klasse setzt sich durch

Es zog sich allerdings wie ein roter Faden durchs Spiel, dass die deutsche Mannschaft beinhart für jedes einzelne Tor kämpfen musste, während Norwegen wieder und wieder zu einfachen Treffern aus dem Rückraum kam. In den Momenten, in denen Gislasons Schützlinge nochmal hätten ranschnuppern können, fehlte zudem die nötige Cleverness. Einige unglückliche Entscheidungen der slowenischen Schiedsrichter Bojan Lah und David Sok taten ihr Übriges.

In der Schlussviertelstunde wurde die individuelle Klasse der Norweger immer deutlicher. In Bestbesetzung war das Team von Coach Berge für die mit elf Corona-Fällen geschwächte DHB-Auswahl zu stark und abgezockt. Nach 60 Minuten hieß es 28:23 für Norwegen. Die Halbfinal-Chancen der deutschen Mannschaft sind angesichts von 2:4 Punkten deutlich gesunken. Nur die zwei besten Teams der beiden Sechsergruppen erreichen die Vorschlussrunde.

Die Tabellensituation der "deutschen" Hauptrundengruppe

Für die deutsche Mannschaft geht es am Sonntag (18 Uhr, LIVE! bei kicker) mit dem nächsten schweren Spiel gegen Schweden weiter. Der amtierende Vizeweltmeister machte mit Polen am Freitag kurzen Prozess. Auf die Norweger, nun bei 4:2 Punkten, wartet zweieinhalb Stunden später das Duell mit den im Turnier noch immer verlustpunktfreien Spaniern, die gegen Russland in der Schlusssekunde aber Pfostenglück brauchten.

Deutschland - Norwegen 23:28 (12:14)

Deutschland: Bitter (HSV Hamburg), Rebmann (Frisch Auf Göppingen) - Golla (SG Flensburg-Handewitt) 4, Köster (VfL Gummersbach) 3, Weber (SC Magdeburg) 3, Reichmann (MT Melsungen) 2, Wiede (Füchse Berlin) 2, Wiencek (THW Kiel) 2, Zerbe (TBV Lemgo Lippe) 2, Zieker (TVB Stuttgart) 2, D. Schmidt (Bergischer HC) 1, Steinert (HC Erlangen) 1, Stutzke (Bergischer HC) 1
Norwegen: Bergerud, Säveras - Thorsteinsen Toft 7, Barthold 4/1, Sagosen 4, Björnsen 3, Reinkind 3, Solstad 2, Överjordet 2, O'Sullivan 1, Tönnesen 1, Överby 1
Schiedsrichter: Bojan Lah (Slowenien)/David Sok (Slowenien)
Zuschauer: 2021
Strafminuten: 4 / 6
Disqualifikation: - / -

msc

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