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Der Absturz des Gareth Bale: Vom Superstar zur Tragikomödie

Warum er nicht mehr spielen, Madrid aber auch nicht verlassen will

Der Absturz des Gareth Bale: Vom Superstar zur Tragikomödie

Gute Miene zum bösen Spiel: Real Madrid wurde Meister, wirklich etwas damit zu tun haben wollte Gareth Bale aber nicht.

Gute Miene zum bösen Spiel: Real Madrid wurde Meister, wirklich etwas damit zu tun haben wollte Gareth Bale aber nicht. Getty Images

So richtig war Gareth Bale nicht nach Feiern zumute nach Real Madrids 2:1-Sieg über den FC Villarreal. Dabei war es doch der 31. Geburtstag des Walisers - und außerdem, ganz beiläufig, wurden die Königlichen, bei denen er ja immer noch unter Vertrag steht, spanischer Meister. Spanisch kam vielen auch das Gebaren des Doppel-Jubilaren vor.

Bale, der seit 2013 bis zu den jetzt fälligen Nachzahlungen für Eden Hazard der Rekordtransfer des Rekordmeisters war, ist in jeglicher Hinsicht längst ein Fremdkörper in Madrid. Sein Verhalten bei den Feierlichkeiten - Engagement, Mimik und Gestik sprachen Bände - muss selbst den letzten Optimisten davon überzeugt haben, dass das Kapitel Real Madrid für Bale und das Kapitel Bale für Real Madrid auf skurrile Weise wohl kein Happy End haben wird.

2013/14: Die entscheidenden Tore schoss Bale

Begonnen hatte alles 2013/14, als die Königlichen unter Carlo Ancelotti die langersehnte "Decima", den zehnten Champions-League-Titel gewannen. Für grob 100 Millionen Euro Ablöse hatte Bale, der Senkrechtstarter aus Tottenham, in einem Sturmtrio neben Cristiano Ronaldo und Karim Benzema ordentlich dazu beigetragen. Der unvergessene Sprint gegen Marc Bartra im Pokalfinale, die 2:1-Führung in der Verlängerung des CL-Endspiels.

Bale war der Ronaldo des Präsidenten Florentino Perez. Sein eigener Königstransfer, hatte sich nicht er, sondern sein Nachfolger-Vorgänger Ramon Calderon die Verpflichtung von CR7 ans Revers heften dürfen. Der Waliser bewies sich als Gegenstück zum Portugiesen, wurde mindestens als Entlastung für Zugpferd Ronaldo und vor allem als dessen potenzieller Nachfolger gesehen. Abgesehen von der Premieren-Saison konnte er diesen Lorbeeren aber nie mehr wirklich gerecht werden.

Gareth Bale

Mit einem Lächeln und Herz bei der Sache: Bales Premieren-Saison 2013/14 war ein absoluter Erfolg. Getty Images

Der Abstieg begann schleichend schon 2014/15. Immer wieder warfen kleinere und größere Verletzungen Bale aus der Bahn, der unweigerlich in Ronaldos Schatten stand und Madrid in dessen seltener Abwesenheit nicht gleichwertig schultern konnte. Und doch trat Bale immer wieder als Spieler für Endspiele in Erscheinung, von denen Real in den letzten Jahren einige absolvierte - die Medaille Bale hatte schon früh zwei Seiten. In der Liga kam der Außenstürmer 2015/16 in nur 23 Spielen auf bemerkenswerte 19 Tore und elf Vorlagen, es waren aber eben nur 23 Spiele.

Zidane kam, der Stammplatz ging

Auch wenn er zu selten der Unterschiedsspieler war - in sieben Bale-Jahren in Madrid wurde Real nur zweimal Meister -, spielte der Waliser eigentlich immer, wenn er denn fit war. Ein Einschnitt im Januar 2016 sollte dies nachhaltig ändern: die Verpflichtung von Trainer Zinedine Zidane. Die einstige Spielerlegende verzichtete immer häufiger auf das klassische 4-3-3 und damit auch auf Bale, hinter Ronaldo und Benzema ließ Zidane Isco spielen - der Erfolg gab dem Franzosen recht.

Zidane bootete Bale nicht aus, der in der Mannschaft relativ isolierte Linksfuß drängte sich aber auch nie mehr wirklich in der Form auf, dass man ihn zum unumstrittenen Stammspieler hätte machen müssen. Zu einer gewissen Lustlosigkeit, die sich irgendwann bemerkbar machte, trugen neben Zidanes bevorzugter Personalwahl - der Franzose verzichtete auch im CL-Finale 2017 in Bales Heimatstadt Cardiff auf ihn - irgendwann auch wiederholte Pfiffe der Fans bei, die Verletzungen als steter Begleiter taten ihr Übriges.

Bale entschied das CL-Finale 2018

Das letzte große Hurra lieferte Bale - eingewechselt - als Matchwinner im Champions-League-Finale 2018, nach seinem sensationellen Fallrückzieher-Tor brach es noch einmal richtig aus dem Waliser heraus. Seitdem geizt der Hobby-Golfer mit Emotionen, dem 2018/19 auch Zidanes Nachfolger Julen Lopetegui und Santiago Solari nicht mehr zu alter Stärke verhelfen und die ihn nicht in die Rolle des Ronaldo-Nachfolgers pressen konnten - worauf Förderer Perez weiterhin gepocht hatte. Auch durch fehlende Hingabe im Vergleich mit dem inzwischen abgewanderten CR7 manövrierte sich der reservierte Bale, gemeinsam mit seinem redseligen Berater Jonathan Barnett, allmählich selbst aufs Abstellgleis.

Der letzte ganz große Moment: Bale entscheidet das CL-Finale 2018 spektakulär, Virgil van Dijk (r.) und Co. bleibt nur die Zuschauerrolle.

Der letzte ganz große Moment: Bale entscheidet das CL-Finale 2018 spektakulär, Virgil van Dijk (r.) und Co. bleibt nur die Zuschauerrolle. Getty Images

Im Sommer 2019 - Rückkehrer Zidane wollte Bale nicht mehr, dieser wollte endlich weg - hätte es schließlich zum Wechsel nach China kommen sollen, der jedoch platzte. Weitere Abnehmer drängten und drängen sich einem finanziell sehr kostspieligen Deal bis dato nicht auf. Der inzwischen 31-Jährige, bei Real sportlich weder sonderlich gefragt noch selbst wirklich motiviert, sitzt also sozusagen in Madrid fest - aber eben auf einem für ihn unglaublich attraktiven Vertrag (noch etwa 40 Millionen Euro bis 2022), den er laut eigener Aussage erfüllen möchte. Dazu muss er zum Training erscheinen, zu den Spielen erscheinen - und alles weitere scheint Bankdrücker Bale, der sich lieber die Maske über die Augen zieht oder die Hände zu einem Fernglas formt, inzwischen nicht mehr zu interessieren.

Ich liebe meine Familie und Golf. Ich bin glücklich, dass mein Leben schlicht ist.

Gareth Bale

"Es ist nichts Persönliches", flunkert Zidane, "Gareth liebt Madrid", schwindelt Berater Barnett zurück - aber auch: "Ich sehe keine Gründe, warum er seine Karriere nicht in Madrid beenden sollte." Und was meint Bale selbst? "Ich liebe meine Familie und Golf. Das ist, was mich glücklich macht. Ich habe ein schlichtes Leben und bin sehr glücklich, dass es schlicht ist."

Einst wurde er als Weltfußballer-Kandidat gehandelt, inzwischen hat er, wenn er nicht gerade das walisische Nationaltrikot trägt, mit dem Fußballbusiness auf höchstem europäischen Niveau augenscheinlich abgeschlossen. Bale entschied Pokal- und CL-Endspiele, gewann Meisterschaften, schoss über 100 Tore für Real Madrid. Beweisen muss er nichts mehr.

Nach Vertragsende ist er knapp 33

Wenn sein Vertrag, der in keinem Fall verlängert werden wird, in zwei Jahren endet, wird der Tempofußballer mit knapp 33 wohl immer noch Angebote aus Fernost, aus den USA oder gar aus der Premier League erhalten. Vielleicht lässt es ein ehemaliger Ausnahmekönner, der dem Fußball nicht mehr die höchste Bedeutung beimisst, dann aber auch ganz bleiben - Karriereende in Madrid.

Bis dahin dürften Bales reichhaltige Sammlungen vielleicht noch um den einen oder anderen Titel, aber wohl auch um die eine oder andere Tribünen-Provokation ergänzt werden.

Niklas Baumgart