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NFL - 100 Jahre Green Bay Packers: Wenn der Emmentaler Kopf steht...

Green Bay steht vor einem runden Football-Jubiläum

100 Jahre Packers: Wenn der Emmentaler Kopf steht...

Fester Bestandteil einer einzigartigen Football-Geschichte aus Green Bay: die Fans der Packers mit ihren Hüten.

Fester Bestandteil einer einzigartigen Football-Geschichte aus Green Bay: die Fans der Packers mit ihren Hüten. imago

Die kleine Stadt Green Bay liegt - wie sollte es auch geographisch anders sein - am Green Bay, einem großen Anhängsel des Lake Michigan, 300 Kilometer nördlich von Chicago. Laut der jüngsten Volkszählung leben dort im beschaulichen wie ländlich geprägten Bereich um die 105.000 Menschen. Nicht viel also. Allein 271 Städte in den Vereinigten Staaten sind größer. Trotzdem hat dieses Städtchen etwas, was es besonders und einzigartig macht: ein ganz bestimmtes, weltweit berühmtes wie berüchtigtes Football-Team, die Green Bay Packers.

Jene Packers sind inzwischen 99 Jahre alt, stehen vor dem Beginn ihrer 100. Football-Saison - und wollen einmal mehr hoch hinaus. Der Verein aus dem US-Bundesstaat Wisconsin möchte seine einmalige Geschichte mit seinen bestens bekannten und Fans mit dreieckigen Emmentaler-Hüten ("Cheeseheads"), mit seiner heiligen Heimstätte Lambeau Field und mit der eingebauten Frost-Resistenz fortschreiben. Höchste Zeit also, dieses romantische Football-Kapitel vor der neuen Saison aufleben zu lassen.

Eine einfache Rechnung bringt alles in Gang

Dieser Tag verändert die Geschichte der "kleinen" Stadt Green Bay im US-Bundesstaat Wisconsin nachhaltig schlagartig: Am 11. August 1919 entschließen sich die beiden in Green Bay geborenen (Sport-)Freunde Earl "Curly" Lambeau und George Whitney Calhoun dazu, ein Football-Team zu gründen. Das Besondere dabei: Lambeau, nach dem heute das altehrwürdige Stadion Lambeau Field benannt ist, arbeitet zu diesem Zeitpunkt als kaufmännischer Angestellter für die "Indian Packing Company", einer Verpackungsfirma. Von dort leiht sich der junge Lambeau eines Tages 500 US-Dollar, um ein Football-Team mit der notwendigen Ausrüstung ausstatten zu können. Die Bitte des Unternehmens: den Namen mit ins Team einfließen zu lassen.

Die logische Konsequenz daraus: Green Bay + Indian Packing Company = Green Bay Packers.

Hut, Zigarre, Planung

Eine große Zukunft traut die Football-Welt dieser semi-professionellen Mannschaft aus dem kalten Norden nicht zu. Die Folge: Lange Zeit will niemand, wirklich niemand, gerne dort spielen - weder beim Klub selbst noch dort als Gegner in diesem frostigen Ort, der auch als "Frozen Tundra" bezeichnet wird. "Wenn du nicht spurst, geben wir dich nach Green Bay ab", lautet dem Volksmund nach eine wirksame Drohung an motivationslose Spieler zu dieser Zeit. Zusehen wollen den Bemühungen der Heimmannschaft auch nur wenige Menschen - und so erwägt der damalige Verband wegen der niedrigen Zuschauerzahlen sogar, die Packers nur Auswärtsspiele bestreiten zu lassen.

Statue von Packers-Gründer Curly Lambeau.

Heiligtum: die Statue von Packers-Gründer Curly Lambeau. Getty Images

Mitgründer Calhoun und vor allem Lambeau glauben allerdings felsenfest an ihr Baby, das am 27. August 1921 Mitglied der National Pro Football League (vorher American Professional Football Association) wird. Ersterer besucht jedes (!) Heimspiel für stolze 40 Jahre, vom ersten Wettkampf gegen Menominee North End A.C. im Jahre 1919, einem 53:0, bis hinweg über die Dürrephase zwischen 1945 und 1959 (jedes Jahr ohne Play-off-Teilnahme). Er sitzt da, trägt stolz seinen Hut, raucht eine Zigarette nach der anderen - und häuft ein famoses statistisches Wissen an.

Lambeau indes wird Spielertrainer, nimmt sein Studium nicht mehr auf und agiert aktiv auf verschiedenen Feldpositionen, was in der damaligen Zeit so üblich ist. Doch nicht nur das: Der Gründervater muss nach der finanziellen Notlage der "Indian Packing Corporation" die Übernahme-Firma "Acme Packing Company" überreden, weiterhin dieses Team zu unterstützen. Das gelingt!

Der Erfolg kehrt ein

Finanzielle Probleme bestimmen zwar wie bereits erwähnt die ersten Jahre, können jedoch unter anderem durch den großen Einsatz von Lambeau und vier weiteren Geschäftsmännern, die insgesamt als "The Hungry Five" bekannt werden, geregelt werden. Die Gruppe schafft es durch Aktienverkäufe, die Geldmittel zu erhöhen und das Team in eine gemeinnützige Organisation umzuwandeln.

Letztendlich geht es stetig bergauf - vor allem der Ruf der Packers wächst und wächst dabei. Erfolge, von denen Green Bay reichlich vorzuweisen hat, tun ihr Übriges: "The Pack" krönt sich über die Jahrzehnte neunmal zum NFL-Meister (1929, 1930, 1931, 1936, 1939, 1944, 1961, 1962, 1965) und gewinnt bis zum heutigen Tage vier Super Bowls (I, II, XXXI, XLV; 1, 2, 31, 45) - zwei davon dank des legendären Trainers Vince Lombardi, nach dem noch heute die begehrte Super-Bowl-Trophäe benannt ist.

Vince Lombardi

Mastermind hinter dem Erfolg der Green Bay Packers: Trainerlegende Vince Lombardi. imago

Oder anders formuliert: 13-mal gewinnt das Team den Titel der NFL, 1967 und 1968 zudem die ersten beiden Super Bowls gegen den Champion der American Football League (AFL), nach der Fusion beider Ligen im Jahre 1970 ("The Merger") als Champion der National Football Conference (NFC) noch zwei weitere gegen das vermeintlich beste Team aus der American Football Conference (AFC), 1996/97 (35:21 gegen New England) und 2010/11 (31:25 gegen Pittsburgh, aktuell mit sechs Triumphen Rekordchampion in der Super-Bowl-Ära).

Rechnet man die Titel zusammen, sind die Green Bay Packers bis heute das erfolgreichste Team der American-Football-Geschichte. Kein anderes Franchise hat mehr Final-Errungenschaften im hauseigenen Museum vorzuweisen.

Kein Milliardär als Eigner? Kein Problem!

Franchise oder besser Franchise-Unternehmen ist dabei das besondere Stichwort. Denn: Die Green Bay Packers genießen ein Alleinstellungsmerkmal. Kein anderer US-Profiklub, ob im Baseball, Basketball, Eishockey oder Football, wird als Unternehmen nach Art eines Vereins geführt. Bis heute gehören "The Pack" keinem milliardenschweren Besitzer oder einer Investoren-Gruppe. Der Verein ist stattdessen das Eigentum von über 360.000 Aktionären, die über 5.000.000 Anteilsscheine halten. Keiner darf dabei mehr als 200.000 Scheine besitzen. Es gibt kein Stimmrecht, keine Gewinnausschüttung. Beim letzten Verkauf 2011 wurden 269.640 Aktien ausgegeben, der Klub nahm so stolze 67.407.750 US-Dollar ein. Und: Aktionäre müssen über eine Adresse in den Vereinigten Staaten, auf Guam, Puerto Rico oder den Amerikanischen Jungferninseln verfügen.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama lobt diesen Verein einst nach dem Super-Bowl-Sieg 2011 in den höchsten Tönen. Das Staatsoberhaupt bezeichnet Green Bay als Ort, der "die alten, kleinstädtischen Werte widerspiegelt: Gemeinschaftsgeist und harte Arbeit, die schon immer definiert haben, was es heißt, Amerikaner zu sein".

Runter vom "Totenbett"

"Ich glaube, wir sind die größte Geschichte im Sport. Wir sind einzigartig. Dieses Team lag andauernd auf dem Totenbett. Keiner hat eine Geschichte wie wir", sagt Cliff Christl, Historiker der Packers. Vor allem hat keiner einen Vince Lombardi gehabt. Dieser übernimmt die Packers 1959 als Chefcoach, er macht sie groß, bis zu seinem Abschied 1967 gewinnt "The Pack" fünf Titel der NFL - und eben jene ersten beiden Super Bowls.

Lombardi, 1970 im Alter von 57 Jahren verstorben, ist aber nicht nur wegen seiner Erfolge eine Legende. Er ist zu seiner Zeit unerbittlich den Spielern gegenüber, er ist ein Mann mit Prinzipien: Er verlangt "Nothing but Acceptance" - also bedingungslosen Respekt gegenüber allen Menschen. Er macht sich stark für Schwarze und Homosexuelle. Und im Jahr von Lombardis Tod wird schließlich die Super-Bowl-Trophäe nach ihm benannt.

Der Revolverheld soll den Titel-Durst stillen

Aaron Rodgers

Meister am Abzug: Green Bays Star-Quarterback Aaron Rodgers. Getty Images

Wichtigster Packer der Gegenwart ist indes Star-Quarterback Aaron Rodgers. Der 34-Jährige ist Aushängeschild und legitimer Nachfolger legendärer Athleten wie Bart Starr oder Brett Favre. "ARod", der für viele Experten aufgrund seiner famosen Fähigkeiten und trotz erst einen Super-Bowl-Triumphes als bester Spielmacher der Neuzeit gilt, ist der entscheidende Faktor beim Versuch, die 100. Saison erfolgreich mit dem Titel zu beenden. Der Sieg im Super Bowl LIII (53) am 3. Februar 2019 in Atlanta ist das übergeordnete Ziel, keine Frage.

Der "Gunslinger" (Revolverheld), der sich auch einen Namen als "Hail-Mary-Experte" gemacht hat, muss dafür aber fit bleiben. Denn was passiert, wenn Rodgers fehlt, hat sich vergangene Saison nach einem Schlüsselbeinbruch gezeigt. Als er wieder zurück aufs Feld kommt, ist es im Grunde zu spät - und so verpasst das stolze Green Bay nach einer enttäuschenden 7:9-Bilanz erstmals seit 2008 die Play-offs.

Doch Green Bay wäre nicht Green Bay, wenn keine Idee aus der Not geboren werden würde. Also räumen die Bosse auf: Defensive Coordinator Dom Capers (68), dessen Defense insbesondere in kritischen Momenten wie Third und Fourth Downs sowie in der Red Zone zuletzt große Probleme offenbart, muss genauso gehen wie Geschäftsführer Ted Thompson. Dafür kommen Ex-Browns-Trainer Mike Pettine als neuer Defensive Coordinator, Ex-Dolphins-Trainer Joe Philbin als neuer Offensive Coordinator und Brian Gutekunst als neuer Manager. Bleiben darf Head Coach Mike McCarthy, nach dem im Zuge des letzten Super-Bowl-Gewinns eine Straße in Richtung Trainingsgelände benannt ist.

"Go Pack Go"

Eines ist sicher: Das im tiefen 20. Jahrhundert noch mehr als unsichere Packers-Gerüst steht längst auf stabilem Untergrund. Geblieben ist nur, dass Gegner immer noch ungern in der 105.000-Einwohner-Stadt Green Bay antreten.

Warum? Weil es oft frostig ist. Weil die Packers vor heimischer Kulisse meist gewinnen. Weil das Lambeau Field mit seinen 81.411 Plätzen seit über 300 Heimspielen stets ausverkauft ist (riesige Dauerkarten-Warteliste). Weil das Team zu den erfolgreichsten der National Football League gehört. Weil Aaron Rodgers dort spielt und seit 2008 Starter und unumstrittener Star ist. Weil eine ganze Stadt in Bewegung ist, wenn Heimspiele steigen. Weil sich die Fans, die Käseköpfe, die "Cheeseheads", die Käsestädter stolz mit Emmentaler-Hüten bekleiden und eindrucksvoll ihren Schlachtruf "Go Pack Go" schmettern...

Ich wollte schon immer der Beste sein und hasse es, zu verlieren - mehr sogar, als dass ich es liebe, zu gewinnen.

Aaron Rodgers

Rodgers selbst, der sein Team 2016 nahezu im Alleingang nach einer 4:6-Bilanz noch in die Play-offs führt ("Run the Table") und bis ins hohe Alter von 40 Jahren spielen will, glaubt in jedem Fall immer an den großen Wurf, wie er einmal in einem "ESPN"-Interview offenbart: "Ich wollte schon immer der Beste sein und ich hasse es, zu verlieren - mehr sogar, als dass ich es liebe, zu gewinnen."

Seine erste Möglichkeit, 2018 ein Spiel zu gewinnen, führt den Superstar direkt in einen zeitlosen Kracher: Denn im ersten Sunday Night Game der neuen Saison (10. September, 2.20 Uhr MESZ) bekommen es die Green Bay Packers mit den Chicago Bears, den ewigen Erzrivalen zu tun. Nach bislang 196 (!) Duellen steht es 96:94:6 für "The Pack".

Markus Grillenberger

Brady, Rodgers, Wentz, Ryan - Quarterbacks 2018