Bundesliga

"Willkommen im Tempel des Spektakels"

Frankfurt: 41 Tore in neun Heimspielen

"Willkommen im Tempel des Spektakels"

Kollektiver Jubelschrei: Frankfurt ist nach Meiers Last-Minute-Treffer zum 4:4 außer Rand und Band.

Kollektiver Jubelschrei: Frankfurt ist nach Meiers Last-Minute-Treffer zum 4:4 außer Rand und Band. Getty Images

Vorstand Axel Hellmann stand Minuten nach dem Abpfiff mit leuchtenden Augen in den Katakomben des Stadions und verkündete stolz: "Willkommen im Tempel des Spektakels." Sportdirektor Bruno Hübner räumte ein, "erst mal schlucken" zu müssen, und Trainer Thomas Schaaf konstatierte: "Es lohnt sich, hierher in die Arena zu kommen und Fußball zu sehen. Wir haben sensationelle Spiele erlebt." Wer mag ihm da widersprechen?

In neun Heimspielen holte Frankfurt mit 14 Punkten zwar nur eine mittelmäßige Ausbeute, doch die Fans sahen in diesen Spielen 41 Tore! Schaut man auf die Trefferverteilung (21:20), wird schnell klar, weshalb die Hessen daheim nicht mehr Zähler einfuhren. Den Tor-Rekord gab es in der Partie gegen den VfB Stuttgart (4:5), es folgen die Duelle mit Berlin (4:4) und Werder Bremen (5:2). Wären die Eintrittskarten nicht schon teuer genug, könnte man glatt auf die Idee kommen, eine neue Vergnügungssteuer einzuführen.

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"Wir schlafen bei Standardsituationen"

Überschwängliche Freude kam bei vielen Beteiligten allerdings trotz der kuriosen Aufholjagd nicht auf. Angreifer Haris Seferovic meinte gar: "Das 4:4 fühlt sich wie eine Niederlage an. Wir waren klar besser, schlafen aber bei den Standardsituationen." Damit spielte der Schweizer Nationalspieler darauf an, dass Frankfurt die Gäste durch Unaufmerksamkeiten bei ruhenden Bällen (Russ, Chandler, Meier) gleich dreimal zum Toreschießen einlud - kein bundesligareifes Verhalten.

Doppeltorschütze Alex Meier, der mit seinen späten Treffern das Remis rettete, sammelte einmal mehr Sympathiepunkte, als er in seiner bescheidenen Art selbstkritisch einräumte: "Ich war richtig schlecht, mir ist nicht viel gelungen, ich war nicht im Spiel drin. Bei den Standards haben wir gepennt, auch ich. Dem vierten Tor ging mein Fehler voraus. Das müssen wir schleunigst abstellen. Wir verhalten uns doof und sind nicht gut genug am Mann dran. Aber die Hauptsache ist, dass wir einen Punkt mitnehmen."

Man erlebt es im Profifußball höchst selten, dass ein Spieler nach zwei Treffern solche Töne anschlägt. Doch Meier, am Ende wieder mal der Matchwinner und von den Fans als Fußballgott gefeiert, tickt anders.

Meier auf Rekordkurs

Obendrein scheint er im Herbst seiner Karriere mit 31 Jahren die Saison seines Lebens zu spielen. Bleibt Meier gesund, müsste es schon mit dem Teufel und dessen Zwillingsbruder zugehen, wenn er in dieser Spielzeit keinen persönlichen Tor-Rekord aufstellt. Seine bisherige Bestmarke in der Bundesliga stammt aus der Saison 2012/13. Seinerzeit war der 1,96-Meter-Hüne mit 16 Treffern maßgeblich am überraschenden Einzug in die Europa League beteiligt. Um diese Zahl zu übertreffen, fehlen dem "Phänomen" (Heribert Bruchhagen) fünf Tore. In Meiers aktueller Verfassung und angesichts seiner neuen Rolle als zweite Sturmspitze sollte das nur eine Frage der Zeit sein.

Bilder zur Partie Eintracht Frankfurt - Hertha BSC

Will die Eintracht wie schon vor zwei Jahren für eine kleine Sensation sorgen und in den internationalen Wettbewerb einziehen, muss sie sich defensiv allerdings erheblich steigern. Nicht nur die Schlafmützigkeit bei Standards stellte gegen Hertha BSC ein Problem dar.

Frankfurt verlor gegen den defensiv eingestellten Gegner teilweise viel zu einfach die Bälle und hatte Glück, dass Berlin in der Umschaltbewegung entweder nicht schnell genug war oder zu unpräzise nach vorne spielte. Ein stärkerer Gegner hätte die Ballverluste und Räume zu noch mehr Konterchancen genutzt.

Erneute Ausnahmesaison?

33 Gegentore sind ein Beleg dafür, dass die Hessen im Spiel gegen den Ball insgesamt noch zu viele Fehler machen. Gelingt es Schaaf, dass seine Mannschaft die Aussetzer minimiert und im Gegenpressing noch wirkungsvoller agiert, ist eine Ausnahmesaison wie vor zwei Jahren nicht ausgeschlossen. Andernfalls dürften die Hessen im gesicherten Mittelfeld landen.

Das wäre angesichts des großen personellen Umbruchs im Sommer bereits als nicht unerheblicher Erfolg zu werten. Schaaf jedenfalls hat längst Blut geleckt: "Es macht unheimlich viel Spaß, mit dieser Mannschaft zu arbeiten."

Julian Franzke