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Fußball international, USA: Wie Deutschland ein Teil des FC Cincinnati wurde

Willkommen bei "Die Innenstadt"

Wie Deutschland ein Teil des FC Cincinnati wurde

The orange and blue - mit deutscher Kultur: Der FC Cincinnati.

The orange and blue - mit deutscher Kultur: Der FC Cincinnati. Getty Images/Ronny Salerno

"Die Leute drehen völlig durch im September. Oktoberfest, Schützenfest..."

Irgendwie ist es eine Mischung aus Witz und ernstgemeinter Verwunderung. Ronny Salerno ist Amerikaner mit italienischen und deutschen Wurzeln, geboren, aufgewachsen und wohnhaft in Cincinnati, Ohio. Er ist außerdem Mitbegründer und Vorsänger der Fangruppe "Die Innenstadt".

Ja genau, die Innenstadt.

Salerno war ursprünglich kein Fußballfan, "das hat mich nie interessiert". Freunde nahmen ihn 2010 mit zu einem Spiel im nahe gelegenen Columbus, "ich habe mich direkt in diesen Sport verliebt". Er schrieb einen Artikel, meinte darin, auch Cincinnati brauche dringend ein Fußballteam. Seiner Arbeit war es zwar nicht zu verdanken, aber der Wunsch wurde erfüllt.

2015 ging der FC Cincinnati in der zweiten Liga (USL) an den Start, ein Jahr später gründeten Salerno und ein paar Freunde "Die Innenstadt". "Fast 600 Mitglieder" hat diese Gruppe inzwischen und ist damit die größte Fanszene des jüngsten MLS-Teams - der deutsche Name geht auf die Geschichte der Stadt zurück.

Im frühen 20. Jahrhundert hatte Cincinnati mehr deutschstämmige Einwohner als amerikanische. "Ich bin gar nicht so sicher, warum die alle genau hier gelandet sind", lacht Salerno. "Zu der Zeit, in der die Immigration in die USA begann - so im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert -, war Cincinnati eine aufstrebende Stadt, sogar größer als Chicago. Deutsche haben sich hier wirklich wohlgefühlt, viele haben ihre Sprache gesprochen, jeder hat sofort reingepasst."

"Refugees Welcome"

Nicht nur Fußball - "Die Innenstadt" kümmert sich auch um wichtigere Dinge. Ronny Salerno

Damals floss noch ein Kanal durch die Innenstadt, und drüben, "auf der anderen Seite", ließen sich die Deutschen nieder. Das Viertel bekam den Namen "Over-the-rhine" verpasst, weil "du über den 'Rhein' musstest, um nach 'Deutschland' zu kommen". Logisch.

Es war eine Arbeitergegend, in den frühen 2000er Jahren sogar eine echte Problemzone und zweimal offiziell "America's most dangerous neighborhood".

Das alles hat sich in der jüngeren Vergangenheit geändert. Heute ist Over-the-rhine eine der angesehensten Gegenden der Stadt. Noch immer stehen dort deutsche Schulen, an denen Deutsch als Zweitsprache gelernt wird, und Gebäude mit deutschen Namen. Nur die Straßennamen, die ursprünglich auch mal Deutsch waren, wurden während des ersten Weltkriegs verändert - "da mochten wir die Deutschen nicht so." Und an fast jeder Ecke steht, frei nach deutscher Tradition, eine Brauerei.

Ausblick von der Kurve der Cincinnati-Fans

Ausblick von der Kurve der Cincinnati-Fans. Ronny Salerno

Am 30. Mai 2018 wurde es in einer dieser Brauereien, der "Rhinegeist" (na klar!), extrem stickig. "Die Luft war wirklich furchtbar", die Stimmung dafür überragend. In der Schankstube vom "Rhinegeist" verkündete MLS-Commissioner Don Garber an diesem Tag vor hunderten Fans offiziell, dass der FC Cincinnati das 26. MLS-Franchise werden und 2019 erstmals in der höchsten Spielklasse an den Start gehen würde. "An diesem Tag", sagt Salerno, "hat es sich sehr, sehr gut angefühlt, weil nicht nur unser Team, sondern auch die Stadt Cincinnati als starke Kraft im Land anerkannt wurde."

Viel ändert sich für "Die Innenstadt" dadurch nicht, außer, dass "das Team schlechter wurde" und nach 19 Spieltagen tatsächlich das schlechteste der Liga ist. Salerno und Co. treffen sich trotzdem fünf Stunden vor jedem Heimspiel im Mecklenburg Gardens (logisch!), dem ältesten und von Deutschen gegründeten Restaurant Cincinnatis; einem klassischen Biergarten. Dort wird "viel Bier" getrunken, gesungen und gefeiert. Salerno stellt aber klar, dass es nicht nur ein regelmäßiges "Vortrinken" ist: "Es gibt deutsches Essen, eine familiäre Stimmung herrscht, und auch Kinder kommen regelmäßig mit."

Treffpunkt Mecklenburg Gardens

Treffpunkt Mecklenburg Gardens. Ronny Salerno

Ohnehin bedeutet "Die Innenstadt" mehr, als nur Fußballfan zu sein. "Wenn wir kein Spiel haben, organisieren wir freiwillige Events in der Stadt. Zum Beispiel geht in Mecklenburg Gardens oder Rhinehaus ein gewisser Betrag von jedem verkauften Bier an eine Wohltätigkeitsorganisation, mit der wir kooperieren."

Wenn aber gespielt wird, dann geht's rund: Das Nippert Stadium, bis zur Eröffnung des neuen "West End Stadiums" 2021 die Ausweichspielstätte des FCC, ist ungefähr anderthalb Kilometer (Meilen gibt es ja in Deutschland nicht) von Mecklenburg Gardens entfernt. Rund eine Stunde vor Anpfiff "ziehen wir gemeinsam zum Stadion, zünden ein bisschen blau-orangene Rauchwolken und fangen an zu singen. Auf dem Weg sammeln wir die anderen Fangruppen noch ein und kommen als 'one massive force' gemeinsam am Stadion an."

Da läuft es dann meistens nicht so super. Am vergangenen Sonntag beendete Cincinnati eine Serie von sechs Niederlagen am Stück mit einem 3:2-Heimsieg gegen Houston - Letzter in der Eastern Conference ist das Team von Interimscoach Yoann Damet trotzdem noch. "Auch wenn unser Team schlecht ist, war es bislang eine ziemlich coole Erfahrung", stellt Salerno klar. "Es war klar, dass es so oder so einfach aufregend werden würde, 'no matter what'. Eine neue Liga, ein neues Logo und eine neue Geschichte. Es ist schon irgendwie unglaublich, wie wir in so kurzer Zeit von einer Stadt ohne Team zum MLS-Standort geworden sind."

Einblicke in die Kurve

Einblicke in die Kurve von "Die Innenstadt". Ronny Salerno

Der FCC hat den dritthöchsten Zuschauerschnitt der Liga (27.906), und Salerno ist jedes Mal mittendrin. Er gibt zu, ein bisschen was bei der "Gelben Wand" in Dortmund abgeschaut zu haben, "den Style mit den großen Flaggen haben wir vielleicht kopiert". Ein Dortmund-Fan ist sogar dabei, er war noch vor Gründung des Teams nach Cincinnati gezogen und ausschlaggebend für die Namensgebung der Fangruppe. "Er meinte, der Name würde gut passen." "Die Innenstadt", sagt Salerno (bei der Aussprache ist noch Luft nach oben), "repräsentiert die Wurzeln dieser Stadt und den inneren Kern." Es gebe sogar Anhänger in Deutschland, Salerno selbst hat Mitgliedsanträge ausgefüllt und nach "Dschörmenie" geschickt. "Gelegentlich kommen welche rüber und feiern mit."

Ach ja, apropos Feiern. "Ich weiß nicht, ob das wahr ist, aber viele hier behaupten, das Oktoberfest in Cincinnati sei das größte außerhalb Deutschlands." Vielleicht hat der asiatische Markt etwas gegen diese Behauptung, aber egal: "Die Leute in der Stadt drehen völlig durch im September, sie lieben das Oktoberfest." Genauso auch das Schützenfest im Juli, mit einem traditionell ermittelten "Schudsenkonig".

Die Innenstadt

Deutlich für jeden sichtbar: Das Banner von "Die Innenstadt". Ronny Salerno

Und beides ist eigentlich immer verbunden mit einem Heimspiel-Besuch des FCC. "Es ist immer noch eine brandneue Sache, sehr angesagt und dominiert die Schlagzeilen", selbst wenn das Team gar nicht gut ist (only bad news are good news!). Baseball sei zwar nach wie vor "King" in Cincinnati, aber gleich danach kommt König Fußball, auch weil das NFL-Team der Bengals "leider furchtbar" und "furchtbar geführt" ist. "Fußball repräsentiert den Interessenwandel bei vielen Leuten, die endlich Teil der populärsten Sportart der Welt sein wollen."

Und viele von den "Wandlern" kommen zur "Innenstadt", einer irgendwie geht so deutschen Fanszene mit deutschem Namen, die "weiter wächst".

Mario Krischel