U 21

Wie steht es um die U 21? - Kuntz' vielsagender Rückblick

DFB-Junioren brauchen neun Punkte, um EM-Chancen zu wahren

Wie steht es um die U 21? - Kuntz' vielsagender Rückblick

Nachdenklich: DFB-Trainer Stefan Kuntz.

Nachdenklich: DFB-Trainer Stefan Kuntz. imago images

Es blieb am Dienstagabend im belgischen Leuven so gut wie keine Zeit, um den großen Rückschlag in der EM-Qualifikation gemeinsam aufzuarbeiten. Genau genommen konnte Kuntz nur einen rasch nach Abpfiff auf dem Rasen gebildeten Mannschaftskreis für ein paar Botschaften an seine U-21-Spieler nutzen, weil diese direkt nach dem Duschen zurück zu ihren Klubs chauffiert wurden. "Ich habe den Jungs gesagt, wichtig ist jetzt, dass ihr euch selbst reflektiert und diese Fragen beantwortet: Was war der Unterzahl geschuldet? Was war meinem körperlichen Zustand geschuldet? Und was habe ich selbst zu verbessern?", berichtete der DFB-Coach.

Nmecha - nur einer, der seinen festen Platz auf Klubebene noch sucht

Vieles, so müsste bei fast allen Spielern die Antwort auf die letzte der drei Fragen ausfallen. Unterm Strich bot nämlich nur Lukas Nmecha beim 1:4 eine konkurrenzfähige Leistung an. Der Offensivmann hatte bei seinem verwandelten Elfmeter zum 1:1 - übrigens der einzige (!) deutsche Schuss aufs Tor - zwar etwas Glück, verbuchte aber zumindest ein paar beachtliche Vorstöße und konnte in Sachen Zweikampfführung und Athletik mit den Belgiern mithalten. Bezeichnend für die neu befeuerte Debatte um den Qualitätsabfall in den DFB-Nachwuchsteams, dass Nmecha, der beste deutsche Akteur beim Spiel in Belgien, zwar in Hamburg geboren wurde, jedoch von klein auf in England, hauptsächlich bei Manchester City, das Fußball spielen lernte.

Aber auch Nmecha schaffte es nicht, sich in der Saison 2019/20 als Stammkraft im Verein zu etablieren - weder in der Hinrunde beim VfL Wolfsburg, noch in der Rückrunde in Englands 2. Liga in Middlesbrough. Nun wurde er zum bereits vierten Mal von ManCity verliehen und versucht sein Glück in der Jupiler Pro League beim von City-Legende Vincent Kompany gecoachten RSC Anderlecht. Einer von ganz vielen U-21-Akteuren, die ihren festen Platz auf Klubebene noch suchen.

Lukas Nmecha

Unterm Strich bot nur er eine konkurrenzfähige Leistung an: Lukas Nmecha. imago images

Mit unentdeckten deutschen Akteuren sollte man nicht rechnen

Kommt nichts Unvorhergesehenes dazwischen, ist Nmecha im Oktober wieder dabei, wenn die U 21 in der EM-Qualifikation erst in Moldawien und dann in Fürth gegen Bosnien-Herzegowina ihre Rückspiele bestreitet. Spannend wird sein, wie der Kader ansonsten aussieht. Diesmal hatte Kuntz sechs Neulinge dabei, dafür fehlten im Vergleich zum 20er Kader des Hinspiels gegen Belgien (2:3) im November 2019 acht Akteure aus den unterschiedlichsten Gründen: Markus Schubert (Schalke), Adrian Fein (Bayern München), Johannes Eggestein, Felix Agu (beide Bremen), Janni Serra (Kiel), Orestis Kiomourtzoglou (Almelo), Maxime Awoudja (Stuttgart) und Dzenis Burnic (Heidenheim). Hinzu kommt noch der zuvor recht häufig eingesetzte Niklas Dorsch (Gent). Interessant, wem aus diesem Kreis der Sprung zurück in die Kuntz-Auswahl gelingt und ob sich das dann positiv auf die derzeit so kritisierte Gesamtqualität auswirkt.

Mit unentdeckten deutschen Akteuren aus den Jahrgängen 1998 oder jünger, die auch noch die gewünschte regelmäßige Wettkampfpraxis auf hohem Niveau mitbringen, sollte man nicht rechnen. Der erst 17-jährige Florian Wirtz, der für Leverkusen bereits sieben Bundesliga-Einsätze absolviert (ein Tor) und seine erstmalige U-21-Nominierung wegen benötigter Erholung diesmal noch nicht wahrgenommen hat, firmiert mangels Alternativen schon unter dem ihm gegenüber sicher nicht fairen Etikett Hoffnungsträger.

Ziel und Hoffnung: Mit 18 Zählern zu den fünf besten Gruppenzweiten zu gehören

Am 17. November markiert die zweite Partie gegen Wales das Ende der aktuellen EM-Qualifikation. "Es ist noch nicht vorbei", sagte Kuntz, "ich traue diesem Jahrgang auch eine Entwicklung zu. Mein Wunsch ist es, dass die Jungs in ihren Vereinen bis Oktober viel spielen. Dann werden wir unsere Ansprüche auch wieder hochschrauben." Die im September 2019 überraschend schwach gestarteten Belgier (0:1 in Wales, 0:0 gegen Bosnien) sind zwar nur einen Zähler voraus, nach der dominanten Vorstellung vom Dienstag sollte man aber nicht mit weiteren Ausrutschern rechnen.

Realistisches Ziel der DFB-Junioren muss es sein, gegen die im Vergleich mit Belgien deutlich schwächeren drei Kontrahenten die maximal möglichen neun Punkte zu holen, um dann zu hoffen, dass man mit 18 Zählern zu den fünf besten von neun Gruppenzweiten gehört, die sich neben den Gruppensiegern sowie den Gastgebern Ungarn und Slowenien für die auf März und Mai/Juni 2021 aufgeteilte Endrunde qualifizieren. Gut möglich aber, dass es nicht mehr reicht für Deutschland, das die EM 2017 gewonnen hat und beim Kontinentalvergleich 2019 Zweiter wurde. "Wir wussten ja, dass eventuell schwächere Jahrgänge nachkommen. Das ist kein Geheimnis", stellte Kuntz nochmals klar und meinte im Rückblick auf die Silbermedaille 2019 in Italien vielsagend: "Für mich war es schon eine Sensation, wie wir da abgeschnitten haben."

Carsten Schröter-Lorenz