Bundesliga

Wie lange noch, Herr Rangnick?

Stuttgart: Die Krise beim VfB

Wie lange noch, Herr Rangnick?

Die Konkurrenz machte Boden gut, legte im Abstiegskampf vor. "Da sieht man, dass man sich nie auf andere verlassen sollte", so Stuttgarts Keeper Timo Hildebrand zu den überraschenden Erfolgen von Unterhaching (1:0 gegen den FC Bayern) und Rostock (2:1 gegen Leverkusen), die den Abstand zum VfB vergrößerten. Die Stuttgarter selbst stehen nach der eigenen 0:1- Niederlage im sonntäglichen Spiel gegen Hertha BSC endgültig mit dem Rücken zur Wand. Vor allem der Trainer. Es stellt sich zum wiederholten Mal die Frage: Wie lange noch, Herr Rangnick?

Die erneute Pleite gegen Berlin hat die Trainerdiskussion wieder stark angefacht. Zu augenfällig sind die Mängel, die auch gegen Hertha BSC erneut deutlich zu Tage traten. Der Mannschaft - oder zumindest großen Teilen davon - fehlt es an . . .

. . . Hierarchie: Niemand ist in der Lage oder willens, auf dem Platz eine Führungsrolle zu übernehmen. Kapitän Zvonimir Soldo und Krassimir Balakov, die auf Grund ihrer Erfahrung und ihres Könnens dafür prädestiniert wären, hat Rangnick zu Befehlsempfängern degradiert. Die Kritiker von einst, sind des Streitens müde, konzentrieren sich jetzt hauptsächlich auf ihre eigenen Leistungen. Andere, wie zum Beispiel Krisztian Lisztes, die der Trainer gerne als Vorturner sähe, fehlt das Zeug oder die Akzeptanz bei den Mitspielern dazu. Wie zum Beweis holte der Coach gegen Berlin Balakov-Ersatz Lisztes nach 76 Minuten vom Feld.

. . . Kreativität: Wo alles bis ins Detail reglementiert wird, wo Spieler in allen Bereichen ihrer Individualität beraubt werden, kann keine Selbstständigkeit gedeihen. Das setzt sich auf dem Rasen fort, wo Einfallslosigkeit herrscht.

. . . Impulsen: Die Verhaltensweisen des Trainers verunsichern die Spieler. Rangnick gibt mit seiner eigenen Unsicherheit und Mutlosigkeit oft die falschen Signale. Vor der Partie gegen Vigo (0:0) probte Rangnick im Training die Verbesserung der Offensive (der kicker berichtete), ließ mit drei Stürmern an vorderster Front üben. Am Spieltag verließ ihn dann aber wieder der Mut. Übrig blieb ein Angreifer (Sean Dundee), ein auf Defensive geeichtes Team und ein schwaches Spiel. Als der 42-Jährige Coach auch noch Christian Tiffert, der bis dahin wenigstens noch ein bisschen für Torgefahr gesorgt hatte, auswechselte, ging im Spiel nach vorne überhaupt nichts mehr.

. . . Vertrauen zum Trainer: Neuzugang Adhemar gelang ein Traum- Einstand. Der Brasilianer mit dem Torinstinkt erzielte beim 6:1 gegen - ein zugegeben desolates - Kaiserslautern drei Tore. Gegen Schalke durfte er noch ein Mal von Beginn an ran, musste aber schon im nächsten Spiel beim FC Bayern auf der Bank platz nehmen, ebenso gegen Vigo. Er sei müde gewesen, meinte der Trainer. "Ich fühle mich fit", sagte der Spieler, der im kleinen Kreis bereits seinen Transfer hinterfragt. Ähnlich ging es anderen, wie zum Beispiel Seitz oder Blank (beide seit 2000 beim VfB), die ihr Kommen bereits bereuen.

. . . Unterstützung: Die Fans bleiben weg. Die Zuschauerzahlen sinken. Mannschaft und besonders der Trainer sind bei den Anhängern völlig unten durch. "Rangnick-raus"-Rufe, die gegen Berlin bereits im ersten Durchgang erklangen, sind noch das Erträglichste. Dem VfB droht nach dem Absturz 1975 wieder der Abstieg. Manager Rolf Rüssmann und Präsident Manfred Haas versuchen Rangnick gegen alle Kritik zu stützen. So nahm Rüssmann zusammen mit Co- Trainer Peter Starzmann den Übungsleiter vor dem Anpfiff auf dem Weg zur Bank demonstrativ in die Mitte. Doch wie lange kann sich der Verein dies leisten? Angesichts des anstehenden Spiels beim VfL Bochum am nächsten Sonntag müssen sich die Verantwortlichen fragen, ob sie nicht doch besser die Pferde wechseln müssen.

George Moissidis