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Wie geht es der koreanischen SC II-Szene?

Erstes Fazit nach dem Oktober-Horror

Wie geht es der koreanischen SC II-Szene?

Die koreanischen StarCraft II-Spieler blicken nach vorn.

Die koreanischen StarCraft II-Spieler blicken nach vorn. WESG

Irgendwann musste die Blase platzen. Was viele über Jahre befürchteten, ist im vergangenen Oktober bittere Realität geworden. Alle aktiven Mannschaften bis auf Jin Air Green Wings verabschiedeten sich aus der SC II-Szene. Dem war die Schließung der traditionellen und für viele Sponsoren attraktive Teamliga, die Pro League, vorausgegangen. Nach dem Desaster im Oktober mussten sich viele talentierte und ambitionierte eSportler also neu orientieren.

Die meisten Fans, Spieler und Organisationen hatten sich damit bereits arrangiert, dass StarCraft II nicht mehr zu den populärsten Titeln gehört. Der Zerfall der Teams in Korea gefährdete jedoch das seit Jahren intakte eSport-System des RTS-Klassikers. Viele rechneten mit einer Welle von Rücktritten der großen Stars. Schließlich sind diese im besten Alter, um den in ihrem Heimatland noch verpflichtenden Wehrdienst anzutreten. Zudem erfreute sich gleichzeitig Blizzards First-Person-Shooter Overwatch bei vielen Koreanern an Beliebtheit. Andere eSport-Titel sind derzeit lukrativer und bieten mehr Möglichkeiten. Ein Umstand, der StarCraft II schon seit Jahren zu schaffen macht. Kim 'MyuNgSiK' Myung-Sik beispielsweise verließ StarCraft II zeitweise und schloss sich einem Overwatch-Team an.

Legenden auf Jobsuche

Immer noch stehen viele Spieler vor einer unsicheren Zukunft. Sie sind derzeit vollkommen auf sich allein gestellt. StarCraft-Ikonen wie Lee 'INnoVation' Shin Hyung oder Joo 'Zest' Sung Wook, einst im Dienst der Traditionsklubs SK Telecom und KT Rolster, suchen weiter nach einem geeigneten Team – bisher erfolglos. Auf den Luxus eines Trainers, der vor und zwischen den Partien Tipps gibt, müssen die beiden nun verzichten. Generell hat sich die Atmosphäre bei Offline-Spielen in Korea verändert. Die Global StarCraft League (GSL) ist dort aktuell der einzige große Wettbewerb. Vergleichsweise wenige treten dabei noch in Team-Trikots an, sondern werden vom Sender AfreecaTV für die Shows ausgestattet. Das stellt ein ungewohntes Bild dar, zumal früher nahezu jeder GSL-Teilnehmer ein Team oder einen Sponsor repräsentierte.

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Das Beste draus gemacht

Die Anzahl an zurückgetretenen Spielern blieb allerdings überschaubar. Die größten Stars sind nach den schwierigen Zeiten dem Echtzeitstrategietitel und seinen Fans treu geblieben. Auch ansonsten befindet sich die Szene in einem den Umständen entsprechend guten Zustand. Internationale Teams nutzten derweil die Gelegenheit, um sich mit den besten SC II-Spielern der Welt zu schmücken. Kim 'Stats' Dae Yeob und Kang 'Solar' Min Soo fanden in Splyce einen bekannten und gut strukturierten Arbeitgeber. Kim 'herO' Joon Ho heuerte vor Kurzem beim nordamerikanischen Team Root Gaming an.

StarCraft II hat zwar in Korea einige wichtige Wettbewerbe verloren, profitiert aber weiterhin vom allgemeinen Wachstum des eSports. Der chinesische Onlinehandel-Riese Alibaba Group organisierte die World Electronic Sports Games (WESG) und ließ die größten eSport-Titel spielen. Auch die StarCraft II-Akteure durften daran teilnehmen. Der Sieger erhielt ganze 200.000 US-Dollar.

Zudem ist die Online-Szene wesentlich lebendiger und kompetitiver geworden. Die Spieler sind endlich von den engen Leinen der Korea eSport Association (KeSPA) befreit. Die KeSPA ist für alle StarCraft II-Teams verantwortlich gewesen und untersagte ihnen oft die Teilnahme, um sich auf das Training und die Offline-Partien zu fokussieren. Jetzt gleichen viele Online-Turniere einem GSL-Turnierbaum.

Die nationalen Turniere sind zwar weniger geworden, dafür bekommen sie jetzt mehr Möglichkeiten, im Ausland spielen zu dürfen. Die Trennung des StarCraft-Mutterlands und dem Rest der Welt in der World Championship Series isolierte die Koreaner in 2016 fast vollständig. Nur bei sogenannten Global Events waren Aufeinandertreffen möglich. Die Anzahl solcher Events soll dieses Jahr erhöht werden. Die Intel Extreme Masters in Kattowitz machte vor wenigen Tagen den Anfang. Die Koreaner dominierten einmal mehr und ließen den Rest der Welt alt aussehen. Den Mut und Spaß an der Echtzeitstrategie haben die Spieler auch nach den Ereignissen im vergangenen Herbst nicht verloren.

Lars Becker

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