Bundesliga

Kölns Transfersperre: Hinter den Kulissen der Potocnik-Affäre

Ein Blick hinter die Kulissen in der Potocnik-Affäre

Wie die Figuren in der Kölner Transfersperre zusammenhängen

Protagonisten in völlig verschiedenen Rollen: Milan Mandaric, Jaka Cuber Potocnik und Andy Bara (v. li.).

Protagonisten in völlig verschiedenen Rollen: Milan Mandaric, Jaka Cuber Potocnik und Andy Bara (v. li.). imago images

Koper an der Adria gilt als traumhaft schön. Wohl eher Alpträume hat Milan Mandaric, wenn er an Koper denkt. Oder konkret: An den FC Koper. Rund eine Million Euro kostete den serbo-amerikanischen Geschäftsmann die zwischenzeitliche Insolvenz des FC Koper. In diese erstaunliche Geschichte sind mit Mandaric und dem Spielerberater Andy Bara zwei Personen verwickelt, die auch in der kürzlich von der FIFA ausgesprochenen Transfersperre gegen den 1. FC Köln eine wichtige Rolle spielen.

Der Weltverband hat den Rheinländern für zwei Transferperioden verboten, neue Profis zu registrieren. Sein Disziplinarkomitee sieht es als erwiesen an, dass die Kölner den damals 16-jährigen Jaka Cuber Potocnik zur außerordentlichen Kündigung seines Vertrags bei Olimpija Ljubljana am 30. Januar 2022 angestiftet haben sollen. Tags darauf unterschrieb er beim FC, der mittlerweile beim Internationalen Sportgerichtshof CAS Berufung eingelegt hat.

Ein Fall von Bedeutung. Für den Bundesligisten, aber auch für Ljubljana. Wie die Kölner zeigten sich auch die Slowenen mit dem FIFA-Urteil nicht zufrieden, wonach ihnen lediglich 51.750 Euro an Vertragsstrafe zugesprochen wurden, die Potocnik hätte zahlen sollen.

Ein "Interessenbekundungsschreiben" von Dinamo

Die deutsche Führung des slowenischen Meisters, bestehend aus dem Münchner Immobilien-Unternehmer Adam Delius und dem Rechtsanwalt Dr. Christian Dollinger, hätte gerne 2,5 Millionen Euro für das Sturmtalent gehabt. Auch Olimpija hat fristgerecht Einspruch gegen den FIFA-Entscheid eingelegt. Potocnik selbst zieht ebenso vor den CAS, schließlich wurde das Talent für vier Monate gesperrt.

Delius und Dollinger berufen sich bei ihrer Beschwerde auf ein Angebot für Potocnik von Dinamo Zagreb. Demnach existiert ein "Interessenbekundungsschreiben" des kroatischen Klubs vom 2. Dezember 2021, wonach Dinamo 2,5 Millionen Euro geboten hätte. An die Offiziellen aus Ljubljana herangetragen hat es nach kicker-Recherchen Andy Bara, ein sowohl auf dem Balkan als auch in Spanien bestens vernetzter Spielerberater.

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Wie ernst war dieses Angebot? Das ist eine Frage, mit der sich der CAS auseinandersetzen muss. Denn Olimpija geht es letztlich ums Geld, was nachvollziehbar ist, weil der kleine Klub ein großes Talent wie Potocnik wohl ohnehin irgendwann an einen besser situierten Wettbewerber im Ausland verloren hätte. Die Frage ist, zu welchem Preis. 51.750 Euro FIFA-Strafe plus rund 70.000 Euro Ausbildungsentschädigung - das ist dem Verein zu wenig, daher die Klage.

Bara war schon bei Olmo, Gvardiol und Jakic involviert

"Potocnik ist nach Benjamin Sesko das größte Talent des slowenischen Fußballs", sagte Olimpija-Geschäftsführer Igor Barisic zuletzt der österreichischen "Kronen Zeitung". Sesko, 19 und damit etwas älter als Potocnik, wechselt im Sommer von RB Salzburg zu RB Leipzig für 24 Millionen Euro. Damit hat man eine Größenordnung, was so ein Fußballer irgendwann einmal wert sein könnte, zumal Potocnik in der Junioren-Bundesliga mit 13 Toren in ebensovielen Partien in Köln seine Anlagen zumindest einmal bestätigt hat.

Wer sich mit der Werthaltigkeit des Angebots aus Zagreb beschäftigt, muss sich auch mit dem Berater beschäftigen, der es nach Ljubljana brachte: Andy Bara. Der 40-Jährige fädelte auch in der Bundesliga schon so manchen Millionen-Deal ein. Er wickelte die Transfers von Dani Olmo und Josko Gvardiol zu RB Leipzig ab und den Wechsel Kristijan Jakics zu Eintracht Frankfurt. Alle drei standen vor ihrem Transfer nach Deutschland bei Dinamo unter Vertrag, Bara pflegt offensichtlich gute Verbindungen zu diesem Klub.

Allerdings stellen sich in dieser Konstellation zwei Fragen: Wäre es für Dinamo nicht schlauer gewesen, direkt an Olimpija-Spordirektor Goran Boromisa heranzutreten? Schließlich arbeitete Boromisa von 2013 bis 2020 bei dem Spitzenverein in Zagreb. Und warum sollte Bara den Potocnik-Deal formal überhaupt vermitteln? An einem Minderjährigen-Transfer darf ein Spielervermittler gemäß FIFA-Regularien nichts verdienen.

Andy Bara (re.) 2016 auf einer Pressekonferenz mit Dani Olmo, damals bei Dinamo Zagreb unter Vertrag.

Andy Bara (re.) 2016 auf einer Pressekonferenz mit Dani Olmo, damals bei Dinamo Zagreb unter Vertrag. imago/Pixsell

Bara, ein Top-Agent auf dem Balkan und in Spanien, ist in Slowenien kein unbeschriebenes Blatt. Ganz konkret: beim FC Koper. In diesem Verein engagierte sich in den 2010er Jahren der Bürgermeister der Hafenstadt, Boris Popovic. Einst als Motorsportler erfolgreich, gründete Popovic in den 2000er-Jahren eine politische Bewegung, 2017 kandidierte er sogar für das Amt des Präsidenten des Zwei-Millionen-Einwohner-Landes. Doch vorher wollte er den FC Koper noch in die Champions League hieven. Mit Hilfe von Andy Bara. Dessen genaue, einstige Rolle in Koper ist unklar, in slowenischen Medien ist wahlweise von Manager oder Geschäftsführer die Rede. Eine Anfrage des kicker lässt Bara unbeantwortet.

Die große Hürde auf dem Weg zur Verwirklichung von Popovics Plan hieß: Milan Mandaric. Ein Geschäftsmann, der seit den 1990ern im Profifußball unterwegs ist. Bei OGC Nizza war er schon, in Charleroi, Portsmouth, Leicester, Sheffield. 2007 wurde Mandaric kurzzeitig verhaftet. Es ging um Zahlungen auf Offshore-Konten an Harry Redknapp, den damaligen Trainer des FC Portsmouth. Das Verfahren endete 2012 mit einem Freispruch für beide.

Jedenfalls schuldete der FC Koper Mandaric, der im Juli 2015 Präsident von Olimpija Ljubljana wurde, rund eine Million Euro. Viel Geld im slowenischen Fußball. Mandaric kündigte 2016 ein Abkommen auf Ratenzahlung auf und der FC Koper meldete Konkurs an. Insgesamt drückten ihn zunächst 1,4 Millionen Euro Schulden, die der Klub mit Hilfe des nationalen Insolvenzrechts größtenteils loswerden wollte.

Außenstände bei einer Firma auf den Marshall-Inseln

Nötig dafür war ein sogenannter Zwangsvergleich, dafür benötigt der Schuldner jedoch mehr als 60 Prozent der Stimmen der Gläubiger. Mandaric hielt damals allerdings rund 71 Prozent der Schulden in seiner Hand.

Doch plötzlich tauchten weitere Außenstände auf - und zwar bei einer Firma von den Marshall-Inseln, einer Steueroase. Ein dort ansässiges Unternehmen namens "Swiss Sports Agency" forderte 2,12 Millionen Euro vom FC Koper. Was dazu führte, dass diese Firma plötzlich Herrin in der Frage des Zwangsvergleichs war, weil ihre Forderung exakt 60,2 Prozent der Schulden des FCK ausmachte.

Mandaric behauptete damals, die Außenstände auf den Marshall-Inseln seien rein fiktiver Natur, um den Zwangsvergleich zu erreichen. Slowenische Medien brachten Bara sogar mit der "Swiss Sport Agency" in Verbindung, was die zuständigen Behörden jedoch anders sahen. Denn Koper hatte am Ende seinen Schuldenschnitt, musste aber wegen Lizenzentzugs zwangsabsteigen und spielt erst seit 2020 wieder in der 1. Liga.

"Nach Benjamin Sesko das größte Talent des slowenischen Fußballs": Jaka Cuber Potocnik.

"Nach Benjamin Sesko das größte Talent des slowenischen Fußballs": Jaka Cuber Potocnik.  IMAGO/Herbert Bucco

Was das alles mit dem Potocnik-Transfer und der Sperre für die Kölner zu tun hat? Neben der Tatsache, dass Bara das Zagreber Angebot für das Talent eingeholt hatte, auf das sich Olimpija bei seiner 2,5-Millionen-Euro-Forderung beruft, spielt auch Mandaric eine zentrale Rolle in dem Verfahren.

Denn der Bundesligist führt ihn als Zeugen auf für angeblich nicht eingehaltene mündliche Absprachen zwischen Potocnik und Olimpija, die die Mutter des Stürmers als Kündigungsgrund nannte. Demnach habe sich die Frau Anfang September 2021 über die Nichteinhaltung der Absprachen bei Mandaric beschwert. Im November 2021 übernahmen Delius und Dollinger den Klub.

Man darf gespannt sein, wie der CAS diese Einlassung bewertet, weil die Zeitleiste für die Argumentation der Kölner nicht ganz unwichtig ist. Schließlich muss der FC nachweisen, den Spieler nicht zur Kündigung angestiftet zu haben. Eine Beschwerde im September 2021 wäre zumindest ein leichtes Indiz dafür, dass die erste Initiative zur Trennung von Potocnik ausgegangen wäre. Der Bundesligist soll erst im Dezember 2021 erstmals Kontakt aufgenommen haben.

"SOKO Flankengott" hatte Sukalo auf dem Schirm

Als größtes Problem für die Kölner Verteidigungslinie vor dem CAS bewerten Experten die zeitliche Nähe zwischen Kündigung bei Olimpija (30. Januar 2022) und Unterschrift beim FC (31. Januar 2022). Auch in den Wechsel nach Köln war mit Goran Sukalo ein in Deutschland bestens bekannter Spielervermittler involviert.

Der 41-Jährige war Profi unter anderem beim MSV Duisburg, beim TSV 1860 und bei Alemannia Aachen. In Aachen spielte er zusammen mit Matthias Heidrich, zum Zeitpunkt des Potocnik-Transfers Nachwuchschef in Köln. Sukalo hat aber ebenso eine Vorgeschichte: Nach kicker-Recherchen war er mehrfach von der "SOKO Flankengott" einvernommen worden, die den Bochumer Wettskandal von 2009 aufgedeckt hatte. Verurteilt wurde der zwischenzeitlich in Slowenien angeklagte Sukalo jedoch nie, es gilt die Unschuldsvermutung.

Essen und Alkohol im VIP-Bereich

Gern gesehen jedenfalls wird Sukalo seit dem Potocnik-Wechsel nicht mehr bei Olimpija, und auch das Verhältnis zwischen Ex-Präsident Mandaric und den neuen Eignern darf man als schwer belastet bezeichnen. Da sind zum einen Ermittlungen gegen den Serbo-Amerikaner (und andere) wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung, des Amtsmissbrauchs und der Geldwäsche, auch sein Ex-Klub ist wegen einer Überweisung aus dem Jahr 2018 in dem Verfahren involviert, allerdings nicht als Beschuldigter. Mandaric bestreitet laut slowenischer Medien die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Zum anderen beschwerte sich Mandaric im Sommer 2022, dass die neue Klubführung ihm noch zwei Millionen Euro schulden würde und ihm den Zutritt zum örtlichen Stozice-Stadion verweigere. Letzteres konterte Olimpija prompt per Pressemitteilung. Demnach habe Mandaric beispielsweise das Spiel gegen Koper an der Seite von Ex-Nationalspieler Sebastjan Cimirotic von der Tribüne aus verfolgt.

Zugleich schilderte der Klub jedoch Probleme mit Getreuen des Ex-Präsidenten: "Bei einem der Heimspiele im Stozice kam es unter anderem dazu, dass einige enge Mitarbeiter von Milan Mandaric willkürlich und ohne unsere Erlaubnis Essen und alkoholische Getränke in den VIP-Bereich des Stadions gebracht haben. Wir haben diesen Personen mitgeteilt, dass sie aufgrund ihres inakzeptablen Verhaltens im VIP-Bereich des Stadions Stozice nicht mehr willkommen sind."

Benni Hofmann

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